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Interview mit Frau Dr. Steinheuer: Ileitis beim Schwein


 

Pigpool: Frau Dr. Steinheuer, der Impfstoff gegen Ileitis ist jetzt fast 5 Monate auf dem Markt, welche Rückmeldungen haben Sie bisher von den Anwendern erhalten?

Dr. RS: Wir haben sehr positive Rückmeldungen. Die ersten geimpften Tiere werden jetzt geschlachtet, viele geimpfte Schweine befinden sich gerade in der „kritischen Phase“, in der bisher das Bild im Schweinestall von Kleckern und Auseinanderwachsen geprägt war. Subjektiv hat sich die Impfung bei allen geimpften Tieren mehr als gelohnt. In der Vergangenheit notwendige Ileitis-Therapien sind bei den geimpften Schweinen überflüssig, die Aufzucht- und Mastgruppen wachsen homogener. In diesem Zusammenhang sollten auch die Erfolge beim Einsatz des Impfstoffes in der Jungsauenvermehrung nicht vergessen werden. Homogener wachsende Aufzuchtgruppen versprechen bessere Selektionsraten. Bald werden wir auch anhand der Leistungsdaten den Erfolg des Impfstoffes objektivieren können.

Pigpool: Im Geflügelbereich ist die orale Impfung ja seit langem bekannt – wie ist die Akzeptanz dieser Applikationsform bei den Tierärzten und den Schweinehaltern?

Dr. RS: Der Impfstoff kann ja per Drench direkt in das Maul oder über das Trinkwasser verabreicht werden – letzteres wiederum über den Trog oder per Dosiereinrichtung über das Leitungssystem. Anfangs haben insbesondere die Tierärzte die Drench-Variante favorisiert. Inzwischen hören wir allerdings immer häufiger, dass auch bei den Tierärzten die Trinkwasserapplikation bevorzugt wird – es ist „einfach einfacher“ und genauso wirksam. Die Landwirte dagegen waren von Anfang an von der Trinkwasservariante begeistert.

Pigpool: Welche Variante der Trinkwasserapplikation steht denn im Vordergrund - die über den Trog oder die über einen Dosierer?

Dr. RS: Das hängt natürlich von den Möglichkeiten im Bestand ab. Wir gehen davon aus, dass sich die Impfung über den Trog in der Praxis durchsetzen wird. Einige Betriebe haben keinen Dosierer oder es besteht keine Möglichkeit, ein bestimmtes Abteil oder eine bestimmte Bucht damit zu versorgen. Im Bezug auf Dosierer werden häufig auch Bedenken wegen möglicher Einflüsse von Medikamentenrückständen geäußert. Zurzeit wird deshalb meist über vorhandene oder eigens für diesen Zweck angeschaffte Tröge geimpft.

Pigpool: Thema Antibiotika: drei Tage vor und drei Tage nach der Impfung sollen keine Antibiotika gegeben werden. Bereitet diese Forderung irgendwelche Probleme – einige Betriebe können ja auf eine Behandlung nach dem Absetzen nicht verzichten?
 Dr. RS: In den meisten Betrieben ist es immer noch rechtzeitig genug, wenn erst nach einer Absetzbehandlung geimpft wird – das ist allerdings vom Behandlungszeitraum abhängig und sollte durch eine Blutuntersuchung (Zeitpunkt der Serokonversion) abgesichert werden. In einzelnen Betrieben kann es notwendig sein, Antibiose und Impfung miteinander zu kombinieren – das muss in den wenigen Einzelfällen mit dem Hoftierarzt abgeklärt werden. Dringend warnen müssen wir allerdings davor, notwendige Behandlungen wegen der Impfung einfach zu verschieben!

Pigpool: Dieser Verzicht auf Antibiotika drei Tage vor und drei Tage nach der Impfung – gilt das für alle Mittel, oder nur für solche, die gegen Lawsonien wirksam sind? Wie sieht es mit Injektionsbehandlungen aus?

Dr. RS: Es geht um alle antibiotisch wirksamen Mittel! Das gilt auch für Präparate, die nur eine geringe Wirksamkeit gegen Lawsonien aufweisen und für diese Indikation überhaupt nicht zugelassen sind, denn auch Präparate mit nur geringer Wirksamkeit können einen negativen Einfluss auf die Wirksamkeit dieses Lebendimpfstoffes haben! Natürlich darf das Futter auch keine antibiotischen Leistungsförderer enthalten. Bei Injektionspräparaten muss zudem die Wirkungsdauer (nicht zu verwechseln mit Wartezeit!) berücksichtigt werden. Eine Impfung darf erst nach Ablauf der Wirkungsdauer erfolgen. Unserer Erfahrung nach stellt es in der Praxis jedoch überhaupt kein Problem dar, zunächst die notwendige Absetzbehandlung durchzuziehen und anschließend – „antibiotikafrei“ zu impfen.

Pigpool: Bei der Trinkwasserapplikation muss Milch zugefügt werden. Boehringer empfiehlt entrahmte Milch mit 0,1 bis 0,3% Fett, die aber nicht überall erhältlich ist. Können Sie uns sagen, warum es unbedingt entrahmte Milch sein muss?

Dr. RS: Eigentlich geht es gar nicht um den Fett-, sondern um den Eiweißgehalt der Milch, denn über dieses Milcheiweiß werden Chlorionen und andere für den Impfstoff schädliche Komponenten des Wassers neutralisiert. Das Milchfett selbst hat keinen Einfluss auf den Impfstoff, egal in welcher Konzentration. Problematisch ist der Fettgehalt allerdings, wenn der Impfstoff mit einem Dosiergerät über das Wasserleitungssystem gegeben wird, weil mögliche Fettablagerungen aus dem Dosierer und den Leitungen kaum herauszubekommen sind. Wer also über den Medikamentendosierer impft, sollte unbedingt Milch mit weniger als 0,3% Fett einsetzen – wer dagegen über einen Trog impft, kann auch die ganz normale Vollmilch oder fettarme Milch verwenden.
 Pigpool: Können kombinierte Milchvieh- und Schweinebetriebe auch unbehandelte, betriebseigene Milch benutzen?

Dr. RS: Sicher – solange sie keine Hemmstoffe, also antibiotisch wirksame Substanzen, enthält!

Pigpool: Kann auch Magermilch oder Molke statt entrahmter Milch eingesetzt werden?

Dr. RS: Für die Überlebensfähigkeit der Lawsonien im Impfstoff ist – wie schon gesagt – das Milcheiweiß entscheidend. Da Molke nahezu kein Eiweiß mehr enthält, ist sie leider völlig ungeeignet. Magermilch enthält im Vergleich zu Vollmilch oder entrahmter Milch etwas weniger Eiweiß – über eine Erhöhung von 30 ml auf 40 ml Magermilch pro Liter Trinkwasser wäre dies aber ausgleichbar.
 Pigpool: Wie sieht es mit einer Impfung über die Flüssigfütterung aus?

Dr. RS: Die Impfung über das Flüssigfutter hat Boehringer nicht geprüft und wir können sie daher nicht empfehlen! Die Zusammensetzung des Futters ist meist sehr unterschiedlich und unterliegt verschiedenen technischen, sowie management- und hygienebedingten Schwankungen. Wir haben bisher auch noch keine Möglichkeit gefunden, die Überlebensfähigkeit des Impfstoffes in der jeweiligen Futtersuppe zu prüfen. Zudem wird meist nicht restlos gefüttert, eine im Anmischbottich verbleibende Futtermenge und die hierin befindliche Impfstoffmenge, die die Ferkel damit nicht erreicht, müsste bei der Kalkulation der Impfstoffmenge mitberücksichtigt werden.
 Pigpool: Die Ileitis-Probleme drücken insbesondere im Maststall sichtbar die Leistung der Schweine. Wie können unsere Schweine wirksam geschützt werden?

Dr. RS: Es ist richtig, dass vor allem den Mästern der Schaden der Ileitis sehr bewusst ist. Dennoch muss man sich vor Augen führen, dass umfangreiche Untersuchungen den Zeitpunkt der Lawsonien-Infektion (Erreger der Ileitis) Mitte bis Ende Flatdeck belegen. Dies bedeutet zum einen, dass die Ferkel im Flatdeck so früh wie möglich geimpft werden müssen, damit sie zum Infektionszeiptunkt bereits durch den Impfstoff geschützt sind. Zum anderen hat auch der Ferkelerzeuger einen Nutzen von dieser Impfung, da die Folgen – Auseinanderwachsen der Aufzuchtgruppen - dieser Ileitis-Infektion Mitte / Ende Flatdeck vermieden werden. Nebenbei: Der Impfschutz besteht bei den Ferkeln nachweislich ein Mastschweineleben lang!

Pigpool: Boehringer ist sehr zurückhaltend bezüglich Impfempfehlungen bei Sauen. Bei vielen Infektionen ist eine Stabilisierung der Sauenherde wichtig - warum ist das bei Ileitis nicht der Fall?

Dr. RS: Alle bisherigen Untersuchungen weisen darauf hin, dass in positiven Betrieben die Immunität nach Überstehen einer Infektion mit dem Felderreger bei den Sauen stabil ist und durch eine Impfung nicht weiter verbessert werden kann. Es gibt aber einzelne Ausnahmen, wo tatsächlich im Bestand keine einheitliche Immunität vorliegt und die Impfung der Sauenherde Vorteile bringt, z.B. Impfung der Sauen, wenn im Sauenbestand Klinik in Form von Durchfall und plötzlichen Todesfällen auftritt (mit Nachweis des Ileitiserregers Lawsonia intracellularis) oder Impfung der Jungsauen in der Quarantäne, wenn diese aus einem negativen Vermehrerbestand kommen und in einen positiven Bestand eingegliedert werden sollen. 
Von Vorteil ist jedoch in jedem Fall die Impfung im Jungsauenvermehrerbestand. Die zukünftige Jungsau wird ebenfalls so früh wie möglich nach dem Absetzen geimpft. Vorteile ergeben sich hieraus für die Aufzuchtleistung und Homogenität der Jungsauengruppen, für die Mastleistung der Börge und bei Eingliederung in einen infizierten Ferkelerzeugerbetrieb für den Abnehmer der Jungsauen.

Pigpool: Sie haben ja sicher inzwischen auch Erfahrungen sammeln können, worauf bei der Impfung ganz besonders geachtet werden sollte, um den möglichst optimalen Erfolg zu haben. Können Sie da einige Hinweise geben?

Dr. RS: Die Diagnostik ist ein ganz wesentlicher Erfolgsfaktor. Nicht jeder breiige Durchfall oder jedes ungleichmäßige Wachstum müssen auf Ileitis zurückzuführen sein. Bei klinischen Formen mit Nachweis von Lawsonien sollte zudem abgeklärt werden, ob eventuell weitere Darmerreger beteiligt sind, wie z.B. Brachyspiren, Salmonellen oder E.coli.
Grundsätzlich gilt: Bestehen Ileitisprobleme im Bestand, hilft nur die Ileitis-Impfung, diese Probleme nachhaltig zu kontrollieren. 

Pigpool: Haben Sie auch noch einige Tips für die Anwendung?

Dr. RS: Wir gehen davon aus, dass sich die Ileitis-Impfung über den Trog in der Praxis zu einem Standard in der Schweineproduktion entwickeln wird. Wir empfehlen unbedingt, 24 Stunden vor der Impfung einer Generalprobe mit einer Wasser-Milch-Mischung ohne Impfstoff durchzuführen. Auf diese Weise lernen die Ferkel die attraktive Wasser-Milch-Mischung kennen und die Wasseraufnahme kann leicht überprüft werden. Nicht empfehlenswert dagegen ist eine Schluckimpfung von Ferkeln unmittelbar nach einem Transport. Die Wasseraufnahme ist dann einfach nicht richtig abschätzbar – in einer Liefergruppe ist der Impfstoff schon nach weniger als 2 Stunden aufgenommen und in der anderen sind die Ferkel so gestresst, dass sie erst mal einen halben Tag verschlafen, in den ersten 4 Stunden also kaum Impfstoff aufgenommen haben. Es ist also unbedingt zu empfehlen, nicht am Tag der Einstallung zu impfen und den Verbrauch am Vortag der Impfung zumindest bei den ersten 2 bis 3 Impfdurchgängen zu prüfen.

Pigpool: Frau Dr. Steinheuer; vielen Dank für das Gespräch.
 

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