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Schweinemast und Tierschutz, ein Ziel, verschiedene Wege?

Dr. Dirk Hesse 

Einleitung
Natürlich, Schweine sollen tiergerecht leben können. Dabei sollen Aspekte des Tierverhaltens, der Tiergesundheit, der Sozioökonomie und des Umweltschutzes in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen. Auf ein solches Ziel kann man sich leicht einigen.
Problematisch wird es jedoch spätestens dann, wenn es gilt das „angemessene Verhältnis“ genauer zu definieren. Hier stellt sich dann die Frage, inwieweit praktische Erfahrungen, wissenschaftliche Erkenntnisse oder ethische Betrachtungen als Grundlage zur Entwicklung von rechtlichen Regelungen heran gezogen werden.
Das Bundesverfassungsgericht hat sich im Jahre 1999 wie folgt dazu geäußert:
„Es gilt den ethischen Tierschutz zu fördern, ohne dabei die Grundrechte der Tierhalter übermäßig einzuschränken.“
Das ehemalige BML hat im Jahre 1999 in einer heute noch vom BMVEL empfohlenen Broschüre mit dem Titel „Tierschutz geht uns alle an“ wie folgt Stellung bezogen:

„Bei der Rechtssetzung im Bereich Tierschutz gilt es einzubeziehen:

  • wissenschaftliche Erkenntnisse
  • Aspekte des Vollzugs tierschutzrechtlicher Bestimmungen
  • praktischer Erfahrungen der Tierhalter"


Vor diesem Hintergrund waren die Macher der ersten deutschen Schweinehaltungsverordnung nicht nur Vorreiter im Tierschutz sondern auch mit Blick auf die Festlegungen des Bundesverfassungsgerichtes sowie des BML ihrer Zeit weit voraus. So verwundert es auch kaum, dass sich die erstmals im Jahre 1991 verabschiedete EU-Richtlinie in weiten Teilen offensichtlich an der deutschen Schweinehaltungsverordnung orientierte. Spätestens seit dem einige Bundesländer zum Teil völlig unterschiedliche Erlasse zur Schweinehaltung erarbeitet haben (siehe auch Tabelle 01), scheint es mit der angemessenen bundesdeutschen Vorreiterrolle vorbei. Mittlerweile konnten sich die Bundesländer zumindest auf ein, auch von praktischen Erfahrungen geprägtes, einheitliches Konzept einigen, welches jedoch so vom BMVEL nicht akzeptiert wird.
D.h. heute, 16 Jahre nachdem Deutschland Vorreiter im Tierschutz - unter Wahrung der oben beschriebenen angemessenen Verhältnisse - war, hat es den Anschein als ob der ethische Tierschutz übermäßig in den Vordergrund gerückt wird, praktische Erfahrungen der Tierhalter wenig Beachtung finden und die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Schweinehalter keine Rolle mehr spielt.


Wesentliche Regelungen im Bereich der Mastschweinehaltung
Im Folgenden soll aus Platzgründen nur auf die wesentlichsten der unterschiedlichen Regelungen von EU, Bundesrat und BMVEL eingegangen werden.
Wie der Tabelle 02 zu entnehmen ist, stellen Bundesrat und BMVEL insgesamt fünf Kriterien auf, welche in der EU-Richtlinie gar nicht zu finden sind. Dabei sind drei Punkte (entgratete Kanten, Thermoregulation und Luftqualität) durchaus als sinnvoll anzusehen. Sowohl die Festlegung der Größe des Liegebereiches, als auch die Vorgabe 3% der Stallgrundfläche für den Tageslichteinfall vorzusehen, dürften aus fachlicher Sicht äußerst schwierig zu diskutieren sein.
Die Steigerung der zusätzlichen Lichtstärke auf 80 Lux ist ebenfalls fachlich kaum nachvollziehbar und hat erhebliche wirtschaftliche Bedeutung, wie später noch aufgezeigt wird.
Während die EU ein fachlich sinnvolles angemessenes Ableitungssystem fordert, und der Bundesrat dies mit einem maximalen Perforationsgrad von 15% angemessen quantifiziert, widerspricht die BMVEL-Forderung von maximal 10% allen praktischen Erfahrungen zur Verbesserung der Hygiene und Tiergesundheit.Die gegenüber der EU-Richtlinie von Bundesrat und BMVEL geforderte um 1mm geringere Spaltenweite ist aus Sicht des Tierschutzes und der praktischen Erfahrungen eindeutig zu begrüßen.
Auch im Bereich der Beschäftigungsmöglichkeiten hat die EU eine positive Vorreiterrolle übernommen, in dem gesundheitlich unbedenkliche Materialien gefordert werden. Mit Blick auf das enorme Verpilzungsrisiko, z. B. bei Stroh, ist dies sehr wichtig zur Erhaltung der Tiergesundheit. Die Fokussierung der EU auf Materialien zum Untersuchen und Bewegen trägt der Erkenntnis Rechnung, dass die Wichtigkeit des Wühlens für Schweine kaum belegbar ist und dass das hygienische Risiko von Wühlmaterial hingegen sehr hoch ist. In diesem Punkt berücksichtigen die deutschen Vorschläge leider praktische Erfahrungen zu wenig.
Die größte Problematik zeigt sich in der Festlegung der notwendigen Mindestflächen pro Tier. Unbestritten ist sicherlich, dass die in der EU-Richtlinie seit 1991 geforderten Werte mittlerweile aufgrund praktischer Erfahrungen im Tierschutz als zu gering bezeichnet werden dürfen. Was sich auch unschwer mit Beratungsempfehlungen in einschlägiger Fachliteratur belegen lässt.
Die vom BMVEL vorgeschlagene Berücksichtigung der Gruppengröße bei der Festlegung der Mindestfläche je Tier folgt ebenfalls praktischen Erfahrungen sowie offiziellen Beratungsempfehlungen, und ist daher zu begrüßen.
Ganz im Gegensatz dazu stehen die ebenfalls vom BMVEL geforderten Mindestflächen pro Tier. Hier scheint der ethische Tierschutz über Gebühr Platz zu greifen. Es werden Flächen gefordert, die allen Tieren ein Liegen in ausgestreckter Seitenlage erlauben. Wobei die Werte weitgehend den Ergebnissen einer theoretischen Berechnungsgrundlage des Scientific Veterinary Committe der EU von 1997 entsprechen.

Praktische Erfahrungen und wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen jedoch zweierlei eindeutig: Schweine liegen im Regelfall in Kleingruppen schräg aneinander und nicht einzeln in Seitenlage. Von den Schweinen nicht benötigte Fläche wird im Regelfall zum Misten genutzt, was dann, ebenfalls wissenschaftlich belegt, durch höhere Schadgasemissionen der Umwelt schadet. Darüber hinaus bedeuten solch große Flächen eine erhebliche Einschränkung der Wettbewerbsfähigkeit, wie im Folgenden aufgezeigt wird.


Mögliche Auswirkungen einer die EU-Richtlinie übertreffenden Regelung

Fundierte und detaillierte Ergebnisse zur Wirkung der Vergrößerung der Mindestflächen je Tier wurden im KTBL erarbeitet. Unterstellt wurden ein wärmegedämmter und zwangsgelüfteter Stall mit einer praxisüblichen Fläche von 0,7m² pro Tier.
Die vom BMVEL geforderten Flächen bedeuten eine Steigerung von bis zu 69%. Daraus ergeben sich je nach Gruppengröße Mehrkosten von bis zu 5 € pro Mastschwein im Neubaufall. Für bereits bestehende Ställe würde die Kostenbelastung noch höher ausfallen, da die Sicherstellung der Mindestflächen im Regelfall nur mit einem Bestandsabbau zu erreichen ist. Hierdurch können Kosten von bis zu 8,85€ je Mastschwein entstehen.
Die Verdoppelung der notwendigen Mindestbeleuchtungsstärke von 40 auf 80 Lux erscheint auf den ersten Blick von untergeordneter wirtschaftlicher Bedeutung. Berücksichtigt werden müssen jedoch nicht nur der höhere Stromverbrauch, sondern auch die höheren Investitionen in mehr Lichtquellen. Beides wird noch einmal gesteigert, wenn diese doppelte Lichtstärke auf einer um bis zu 60% größeren Fläche realisiert werden muss. 
Berechnungen zeigen jedoch, dass unter diesen Umständen sich die Kosten für diese Beleuchtung schnell auf über einen Euro pro Mastschwein addieren können. Unter angemessener Berücksichtigung der Umweltwirkung sollte an dieser Stelle auch darauf hingewiesen werden, das diese Beleuchtungsforderung die zur Stromgewinnung notwendigen CO2-Emissionen um über 200% erhöhen dürften.
Eine Umsetzung dieser rechtlichen Anforderungen würde dazu führen, dass selbst Spitzenbetriebe keinen Gewinn mehr erzielen. Wenn selbst die Existenz von Spitzenbetriebe gefährdet ist, kann von Berücksichtigung der Wettbewerbsfähigkeit und angemessener Berücksichtigung der sozioökonomischen Aspekte wohl gar keine Rede mehr sein.
Tabelle 02: Kriterien im Bereich Mastschweinehaltung, welche in der EU-Richtlinie und den Vorschlägen von BMVEL und Bundesrat unterschiedlich geregelt sind.





Gesundheitlich unbedenkliche Lösung zum Untersuchen und Bewegen mit guten praktischen Erfahrungen, hier z.B. aus Holz.


Gesundheitlich unbedenkliche Lösung zum Untersuchen und Bewegen mit guten praktischen Erfahrungen, hier z. B. aus Kunststoff.

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