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Sauen müssen beschäftigt werden

Dr. Bernd Stabenow, Dummerstorf; aus dlz-agrarmagazin 03/02 

Laut neuer EU-Richtlinie müssen Sauen künftig ständigen Zugang zu Beschäftigungsmaterial haben. Welche Möglichkeiten sich dem Landwirt hier bieten, erläutert Dr. Bernd Stabenow, Dummerstorf. 

Haltungsbedingungen sind dann tiergerecht, wenn sie den spezifischen Eigenschaften der Tiere Rechnung tragen, die körperlichen Funktionen nicht beeinträchtigen und Verhaltensmuster nicht so einschränken und verändern, dass dadurch Schmerzen oder Schäden am Tier entstehen. Mit diesen Begründungen wurde die „EU-Richtlinie 91/630/EWG über die Mindestanforderungen für den Schutz von Schweinen“ im Sommer des letzten Jahres entsprechend geändert.

Neben der Gruppenhaltung für tragende Sauen wird ebenso ein freier Zugang zu Wühlmaterial und rohfaserreichen Futtermitteln vorgeschrieben. Die Gruppenhaltung ermöglicht es, den tragenden Sauen strukturierte Buchten mit unterschiedlichen Funktionsbereichen zur Verfügung zu stellen. Bei einer durchdachten Gestaltung des Gesamtsystems, also des Fress-, Lauf- und Liegebereichs, sind leistungsfördernde und handarbeitsarme Haltungsvarianten möglich. Dabei kommt den Managementqualitäten eine Schlüsselstellung zu. Tiergerechtheit ist dabei keine Frage der Bestandsgröße. Ergänzt durch effektive Einrichtungen zum Beschäftigen der Sauen können die Tiergerechtheit und der Komfort in Teilspaltenbodenbuchten entscheidend verbessert werden. 

 

Beispiel für die „Buchtenmöblierung“ im Wartestall. Strohraufen sorgen nicht nur für eine Sättigung der Sauen, die Tiere werden auch beschäftigt.


Rohfaser gegen MMA
Das Bedürfnis nach Beschäftigungsmaterial hängt mit dem Erkundungs- sowie Fressverhalten der Tiere zusammen. Das „Erkunden“ ist für Schweine von hoher Priorität und nimmt aufgrund des geringen Zeitaufwandes für die Nahrungsaufnahme einen großen Anteil an der Gesamtaktivität ein. Die Forderung nach Beschäftigungsmaterial für tragende Sauen beinhaltet die Aspekte Beschäftigung und Sättigung.

Aus Sicht des Tierverhaltens wird mit der rohfaserarmen Versorgung tragender Sauen mit geringen, hochverdaulichen Futtermengen keine ausreichende Sättigung erreicht. Ziel der Fütterung soll es aber sein, das Wohlbefinden der Sauen zu fördern, sie zu sättigen und gleichzeitig Erkrankungen vorzubeugen. So ist MMA im Abferkelstall zu einem hohen Prozentsatz auf eine ungünstige Haltung (Bewegungsarmut) und Fütterung (Rohfasermangel) im Wartestall zurückzuführen. 

Eine aus dieser Sicht wichtige Rolle spielt der Einsatz von Stroh. Es beschäftigt nicht nur die Sauen, sondern hat gleichzeitig eine Sättigungs-, Komfort- und diätetische Funktion. Ganz oben stehen sicherlich die verdauungsphysiologischen Vorteile. Stroh deckt den Rohfaserbedarf und regt die Speichelproduktion an, was die Verdaulichkeit der Nährstoffe und die Darmpassagerate verbessert. Die geringere Verdaulichkeit der Rohfaser bewirkt eine stärkere Füllung von Magen, Dünn- und Dickdarm. Die Dickdarmmotorik wird angeregt, was einer Verstopfung vorbeugt. Das wiederum hemmt zum Beispiel die Colikeime. Wie sieht es in der Praxis aus? Etwa 60 Prozent der Schweine werden einstreulos gehalten. Berücksichtigt man die hygienischen und klimatischen Haltungsbedingungen, dann muss auch vor der vereinfachten Aussage gewarnt werden, dass jede arbeitsintensive Haltung mit Stroh tiergerechter ist. In Bezug auf Ökonomie und Hygiene haben Strohställe eindeutig Nachteile gegenüber Ställen mit Teil- und Vollspaltenboden. 

Kennzahl Stroh Späne Flachs Strohpellets Hanf
Saugfähigkeit (%) 50 - 100 300 - 400 400 - 500 400 - 500 400 - 500
Staubanteil (%) ca. 20 entstaubt entstaubt entstaubt entstaubt
Vorteile gleichzeitig Rohfaser 50% Arbeits-ersparnis 50% Arbeits-ersparnis 50% Arbeits-ersparnis 50% Arbeits-ersparnis
Nachteile staubig, Pilzsporen lange Verrottungszeit keine keine keine

Bei Stroh Mykotoxingefahr
So ist das Reinigen und Desinfizieren in einem Strohstall nur begrenzt möglich. Feuchte und verunreinigte Einstreu bilden einen idealen Nährboden für Pilze, Bakterien und Ungeziefer. Bei Warteställen auf Stroh steht und fällt der Erfolg mit der Strohqualität. Da die Sauen große Mengen Stroh fressen, nehmen sie bei mit Schimmelpilzen belastetem Stroh Mykotoxine auf. Beim Aufstallen auf Stroh steigt sofort nach dem Belegen das Infektionsrisiko und die Gefahr einer Strahlenpilzerkrankung. Es ist also unbedingt auf eine gute Strohqualität zu achten, um Pilz- und Staubbelastungen zu vermeiden.

Tiefstreuställe erfüllen bei hohen Temperaturen nicht die Ansprüche der tragenden Sauen. Tiefstreu beeinträchtigt die getrennte Anlage von Kot- und Liegeplätzen. Der Klauenabrieb ist in Tiefstreubuchten für Zuchtsauen zu gering und feuchtes Stroh sowie verschmutzte Stellen im Liegebereich führen zu Klauenentzündungen. Nur bei kontinuierlicher und starker Einstreu kann der Tierkontakt mit Kot und Harn sowie die Aufnahme von Gasen verhindert werden.

Aus Sicht günstigerer Hygienebedingungen spielt die Buchtengestaltung eine große Rolle. In Mistgangbuchten haben die Sauen Probleme mit dem Laufen, wenn die Mistgänge feucht und verschmutzt sind. Bestehende Fundamentprobleme werden durch das Ausrutschen und Grätschen erst akut. 

 


Ein Vierkantstahl zwischen Liege- und Lauffläche verhindert bei Teilspaltenböden, dass zuviel Stroh in die Güllekanäle gelangt.

Teilspaltenbodenbuchten mit befestigten Liegeflächen in Kombination mit Schlitzböden werden zur Vorschrift im Wartestall. Sie ermöglichen den Einsatz geringer Mengen von Häcksel- oder Bröckelstroh. Das Gülle-Stroh-Gemisch kann mit Güllepumpen gefördert werden. Strohreste können in einer Gülletrenngrube auch als Filter zur Trennung der Dick- von der Dünnphase dienen. Bei Einsatz von längerem Stroh ist zu klären, wie der Übergang von der eingestreuten zur perforierten Fläche gestaltet werden muss, damit kein Stroh in den Güllekanal gelangt. Neben Stroh sind auch andere Einstreumaterialien in einstreuarmen Teilspaltenbodenbuchten betriebsspezifisch einsetzbar. Mit geringen Einstreumengen werden gut angeordnete Liegeflächen von tragenden Sauen sauber gehalten. 

Selbst wenn praxisreife Lösungen zur Mechanisierung der Strohkette vorhanden sind, dürfen die Kosten und der Zeitbedarf hierfür auf keinen Fall unterschätzt werden. Es ist problemloser und günstiger, die strohlosen oder stroharmen Gruppenhaltungsverfahren zu optimieren und über Modernisierungsmaßnahmen auf das nun geforderte Niveau zu bringen.


Selbstbaulösungen getestet
In einstreulos bewirtschafteten Gruppenbuchten mit Teilspaltenboden für tragende Sauen muss Beschäftigungsmaterial oder Wühlsubstrat angeboten werden. Dies kann am einfachsten auf der befestigten Liegefläche erfolgen. 
 
Der Einsatz von Spielketten erfüllt nicht die Forderung nach Beschäftigungs- oder Wühlmaterial, ist jedoch zusätzlich sinnvoll. Für das Anbieten von Stroh gibt es inzwischen verschiedene Strohautomaten oder Strohraufen mit Auffangschale. Wegen des geringen Fassungsvermögens der industriell hergestellten Strohraufen müssen aber kleine Mengen häufig beschickt werden. Dies ist in jedem Fall arbeitsaufwändig, unabhängig von der Anordnung der Strohraufen in der Bucht. 



Selbst gefertigte Strohraufe aus Trenngittern und Kunststoffpaneelen: Mittels eingelegter Rundhölzer ist die Entnahme regulierbar und der Verbrauch gering.








Aus Trenngittern selbstgefertigte Strohraufen haben ein größeres Fassungsvermögen und lassen sich betriebsspezifisch anpassen. Wenn bei diesen Strohraufen durch eingebaute Plastepaneele nur im unteren Bereich ein Schlitz zum Herausarbeiten des Strohs verbleibt, verringert sich der Verbrauch. Mittels eingelegter Rundhölzer ist die Entnahme regulierbar und der Strohverbrauch gering. Die Sauen müssen sich das Stroh erarbeiten. Bei den täglichen Kontrollgängen werden den Sauen aus den Vorratsraufen geringe Strohmengen auf die Liegefläche geworfen. Das ist insofern sinnvoll, weil der Aspekt der Beschäftigung erfüllt ist und die Liegeflächen weniger verschmutzt werden.

Es ist sinnvoll, zwischen der befestigten Liegefläche und dem Spaltenboden einen Vierkantstahl mit Spaltenankern auf den Betonspaltenboden zu befestigen. Dadurch verbleiben die geringen Stroh- oder andere Einstreumengen (z. B. Hanf) auf der befestigten Liegefläche. Diese wird von den Sauen immer sauber gehalten. Befindet sich zu viel Stroh auf der Liegefläche, wird sie nicht selten verschmutzt. In Teilspaltenbodenbuchten ist die kontinuierliche Gabe geringer Einstreumengen effektiver. 

Ein Bevorraten des Strohs oder anderer Materialien wie Hanfpellets oder Späne in oder über den Buchten ist analog möglich. Bei Umbauten lassen sich die Buchtenabtrennungen funktional zur Strohbevorratung und als Raufen nutzen. Hier müssen Wissenschaft, Fachberatung und Ausrüstungsindustrie allerdings noch praxisreife Lösungen erarbeiten. Die inzwischen von einigen Ausrüstungsfirmen angebotenen Strohraufen sind zwar ein erster Schritt in diese Richtung, für größere Bestände jedoch noch keine praxisreife Lösung. 

Hanf in Futterautomaten 

Wenn kein Stroh einsetzbar ist, kann das Wühlmaterial in einstreulosen Gruppenbuchten auch über Beschäftigungsautomaten angeboten werden. Handelsübliche Futterautomaten für Mastschweine mit einem Fressplatz sind dazu geeignet. Der Abgabeschlitz ist einstellbar. Die Sauen müssen sich das Wühlsubstrat über eine Rüttelvorrichtung in die Trogschale arbeiten. Geeignet sind hierfür Pellets aus Stroh, aber auch Hanf. Hanfpellets werden von den Sauen nicht so stark gefressen wie Stroh oder Holzspäne. 

Bei Hanfeinstreu handelt es sich um ein Produkt aus dem extrem saugfähigen, verpressten Stängelmark der Hanfpflanze. Nässe wird sehr schnell aufgesaugt und gebunden. Das Produkt besteht zu 100 Prozent aus Hanf und ist rückstandsfrei. Als einjährig nachwachsender Rohstoff wird Hanf ohne Pestizide, Herbizide und Insektizide angebaut. Die Rohstoffaufbereitung erfolgt rein mechanisch, ohne chemische Zusätze und Verfahrensschritte. Physiologische Beeinträchtigungen bei den Tieren treten nicht auf. Das Produkt ist entstaubt. Hanfpellets sind deshalb als Einstreu sehr gut geeignet. 

Die Beschäftigungsautomaten sind auf der Liegefläche angeordnet. Seitdem wir Stroh in selbstgebauten Raufen oder Hanfpellets über Beschäftigungsautomaten einsetzen, herrscht mehr Ruhe im Wartestall, weil die Sauen beschäftigt und gesättigt sind. Es hat sich auch gezeigt, dass die befestigten Liegeflächen von den Sauen immer sauber gehalten werden.


Fazit
Gruppenbuchten mit Teilspaltenboden, wie sie künftig gefordert werden, können sehr unterschiedlich gestaltet sein. Unabhängig von der Größe der Bucht und der Gruppengröße sollte eine funktionale und gut strukturierte „Buchtenmöblierung“ erreicht werden, die von Sauen eher und stabiler als von Mastschweinen angenommen wird. Der Einsatz geringer Einstreumengen auf befestigten Liegeflächen ist möglich. 

Um der Forderung nach Wühl- und Beschäftigungsmaterial nachzukommen, lassen sich geeignete Strohraufen oder Beschäftigungsautomaten mit Stroh- oder Hanfpellets einsetzen. Spielketten sollten in jeder Bucht vorhanden sein. Auch so genannte Stoßbalken lassen sich zusätzlich einbauen. Sie werden von den Sauen ebenso als Scheuerpfahl angenommen.

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