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Organbefunde richtig werten

Dr. Friedrich-Wilhelm Busse, Landwirtschaftskammer Weser-Ems, dlz-agrarmagazin 

Über Rückmeldung von Schlachtdaten die Tiergesundheit verbessern
Schlachtbefunde, besonders von Lungen und Lebern, sind Spiegelbild der Tiergesundheit im Maststall. Bekommt der Landwirt die entsprechende Rückmeldung, kann er gezielt 
die Probleme in Angriff nehmen, sagt Dr. Friedrich-Wilhelm Busse, Landwirtschaftskammer Weser-Ems.

Als Folge von Infektionen beziehungsweise Parasiten, oftmals bedingt durch Haltungs- und Hygienemängel, kommt es immer wieder zu Qualitätsabstrichen an Schlachtkörpern. Indem man Organe wie Leber oder Lunge während des Schlachtens untersucht und den Landwirt anschließend über die Befunde informiert, kann er rückwirkend Gesundheitsprobleme während der Mast erkennen. Und es bietet sich die Chance, im nächsten Mastdurchgang entsprechend zu reagieren. Angesichts der wirtschaftlichen Einbußen, die zum Beispiel mit Atemwegserkrankungen einhergehen (verringerte Zunahmen, schlechtere Futterverwertung, höhere Verluste), lässt sich so in vielen Fällen ein noch größerer Schaden verhindern.


Organveränderungen nach Befundschlüssel erfassen



Im Jahre 1993 installierte die Norddeutsche Fleischzentrale (NFZ) in ihrem Fleischzentrum in Emstek in Zusammenarbeit mit der Tierärztlichen Hochschule Hannover im Rahmen eines Qualitätsfleischprogrammes ein computergestütztes Rückmeldesystem für Schlachtbefunde. Die Schweine werden nach dem Schlachten neben der amtlichen Fleischbeschau auch auf Veränderungen an den Organen Lunge, Brustfell, Herzbeutel und Leber untersucht. Zusätzlich erfasst man Gliedmaßenschäden, volle Mägen und Schlagstriemen.

Eine so genannte Gesundheitspunktzahl gibt die Häufigkeit der Lungen-, Brustfell- und Herzbeutelveränderungen für jede Schweinelieferung an. Diese Daten werden zusammen mit den vorliegenden Organschäden den Landwirten regelmäßig mitgeteilt. 

Gemeinsam mit seinem Berater, Hoftierarzt und Schweinegesundheitsdienst kann der Mäster dann entsprechende Rückschlüsse ziehen, eventuell vorhandene Mängel erkennen und diese abstellen.



Krankhafte Organveränderungen müssen, um sie mit den Ergebnissen verschiedener Schlachthöfe vergleichen zu können, nach einem einheitlichen Befundschlüssel ermittelt werden. Solch ein Befundschlüssel wurde bereits von mehreren Schlachthöfen insbesondere Nordwestdeutschlands zur Dokumentation der Befunde eingeführt. Mit Hilfe eines zusätzlichen Bewertungsschlüssels ist es möglich, Schlachtposten hinsichtlich ihrer Organbefunde miteinander zu vergleichen.



Damit der Mäster bei den so genannten Milkspots auf der Leber, die durch wandernde Spulwurmlarven verursacht werden, sofort mit Behandlung sowie Reinigung und Desinfektion reagieren kann, wurden sie aus der Tiergesundheitspunktzahl herausgenommen. Der Landwirt wird darüber mit der Schlachtabrechnung informiert.
Die übrigen Organveränderungen, insbesondere an Lunge und Herz, unterliegen starken jahreszeitlichen Schwankungen. Gleichzeitig sind sie von der Gesundheit und Herkunft der Ferkel sowie den beim Ferkelerzeuger durchgeführten Impfungen abhängig.

Aus den erhobenen Befunden (Lungen-, Brustfell- und Herzbeutelveränderungen) errechnet sich dann die Tiergesundheitspunktzahl für jede Schweinelieferung. Eine niedrige Punktzahl ergibt einen sehr guten und eine hohe (ab 10 Punkten) einen schlechten bis sehr schlechten Gesundheitsstatus der Mastschweine.


Bei Milkspots 50 Gramm weniger Tageszunahmen
Für den Mäster bedeuten die gesundheitlichen Schäden geringere Tierleistungen, sprich verzögertes Wachstum, reduzierte Tageszunahmen und höherer Futterverbrauch während der Mast. Infolge von Räudemilben oder Milkspots auf der Leber können sich die Masttagszunahmen um bis zu 50 Gramm pro Tier verschlechtern. Allein im Mastbereich von 30 bis 50 kg Körpergewicht kann die tägliche Zunahme um 15 Prozent zurück gehen, wenn die Schweine mit Knötchenwürmern befallen sind. Erkrankungen der Atmungsorgane (z.B. Mykoplasmen-Infektionen) können die Mastdauer um fünf Tage und mehr verlängern, bei um über 60 Gramm geringeren Zunahmen, wie das folgende Beispiel zeigt: Die Auswertung der Schlachtbefunde eines Betriebes erbrachten pro ausgewertetes Mastschwein einen wirtschaftlichen Schaden zwischen 14 und 60 DM. 


MTZ = Masttagszunahme; * Auswertung der Schlachtbefunde eines Mastbetriebes über ein Jahr hinweg (Beratungsring Walchum Niederlangen, 1999)

Diese wirtschaftlichen Einbußen können sich noch erhöhen, wenn der Schlachtbetrieb Abzüge wegen krankhafter Organveränderungen wie Wurmlebern vornimmt. Über die Rechtmäßigkeit solcher „Organabzüge” wird ja nach wie vor heiß diskutiert. Bei Markenfleischprogrammen sind solche Abzüge ohne weiteres möglich.


Gegen Räude und Würmer strategisch vorgehen
Seitens der Beratung werden zum Beispiel im Weser-Ems-Gebiet die Ergebnisse der Organbefundung für zahlreiche Betriebe genutzt. Gemeinsam mit den Landwirten sucht man hier nach Wegen, die Bestandsgesundheit zielgerichtet zu verbessern. Ein wichtiger Punkt ist zunächst die Parasitenprophylaxe, die sich wie folgt gestaltet: 

Auf der Zucht- und der Ferkelerzeugerstufe müssen heute alle Sauen eines Bestandes regelmäßig gegen äußere und innere Parasiten behandelt werden. Entweder sind die Sauen vor dem Abferkeln und die Jungsauen etwa eine Woche vor dem Belegen zu behandeln. Oder es wird eine Bestandsbehandlung zwei bis drei Mal pro Jahr durchgeführt. Hierdurch lassen sich Sauenbestände zum Beispiel über lange Zeit frei von klinischen Anzeichen für Räude halten. Gleichzeitig wird die Wurmbürde im Tier beseitigt. Wie die Erfahrungen zeigen, eignen sich für solche Bestandsbehandlungen Avermectin-Präparate mit den Wirkstoffen Doramectin oder Ivermectin. 

Mastbetriebe, die aus mehreren Herkünften mit unklarem Parasitenstatus beliefert werden, müssen die Ferkel beim Einstallen in das gereinigte und desinfizierte Abteil gegen Parasiten behandeln. Um Unterdosierungen des eingesetzten Medikamentes, ob als Injektion oder über das Futter, zu vermeiden, ist zuvor das Gewicht der Schweine genau zu bestimmen. Sollen Mastläufer über das Futter gegen Parasiten behandelt werden, muss die tatsächliche Verzehrmenge an Futter bekannt sein.

Neben der medikamentellen Behandlung spielen ebenso hygienische Maßnahmen im Kampf gegen Parasiten eine große Rolle. So gelten beim Beseitigen der Spulwurmeier in einem Stallabteil besondere Anforderungen an Reinigung und Desinfektion. In einem noch mit Schweinen belegten Abteil ist ein wirksames Vorgehen gegen Parasiten nicht möglich. Dazu muss das Abteil komplett geräumt sein.

Nach dem groben Säubern der Buchten mit Schaufel und Besen müssen Stallboden und Buchtenwände für mehrere Stunden mit Wasser eingeweicht werden. Das anschließende Reinigen mit einem Hochdruckreiniger, bei einem Wasserdruck von 50 bis 120 bar, sollte mit Warmwasser (Temperatur etwa 40°C) erfolgen. Nach dem Abtrocknen des Stallabteils muss der Beton des Stallbodens einen leichten Grauschimmer zeigen.

Für die anschließende Desinfektion ist der Stallboden auf eine Temperatur von 20°C aufzuwärmen und die relative Luftfeuchtigkeit sollte bei 80 Prozent liegen. Unter diesen Verhältnissen kann das eingesetzte Desinfektionsmittel seine beste Wirksamkeit entfalten. Liegt ein Befall mit Spulwürmern vor, müssen Stallboden und Buchtenwände zusätzlich mit einem gegen Spulwurmeier wirksamen Mittel desinfiziert werden. In Frage kommen hier Mittel wie Neopredisan, die Kresole, Phenole, Schwefelkohlenstoff oder Chlorophorm enthalten können.

Da Spulwurmeier eine feste Hülle mit einer klebrigen Oberfläche besitzen, sind sie sehr widerstandsfähig gegen äußere Einflüsse. Die Eier sind sehr klein (0,04 mm), also mit bloßem Auge nicht zu erkennen, und bis zu fünf Jahre in der Umwelt lebensfähig. Spulwurmeier sind daher in infizierten Ställen regelmäßig vor jeder Neubelegung zu bekämpfen. Um die im Haarkleid und auf der Haut der Schweine anhaftenden Spulwurmeier zu entfernen, sollten insbesondere die Sauen vor dem Umstallen in den Abferkelstall mit einem speziellen Tierwaschmittel, das eine Kaliumperoyxd-Verbindung enthält, abgespült werden.

Regelmäßige Untersuchungen der Lebern auf Milkspots zeigen, dass sich der Befall mit Spulwürmern in einem Stallabteil nur allmählich zurückdrängen lässt. In stark infizierten Mastställen (über 10 Prozent der Lebern mit Milkspots) sind zusätzliche Behandlungen der Mastschweine bis fünf Wochen vor dem Schlachten angebracht, um Milkspots auf der Leber zu vermeiden. Dieser Zeitpunkt ist erforderlich, da der Entwicklungszyklus des Spulwurmes von der Eiaufnahme bis zur Ausscheidung infektiöser Eier sechs bis acht Wochen dauert und die Larven während ihrer Entwicklung zum geschlechtsreifen Wurm auch durch die Leber wandern und dort die Milkspots hinterlassen.


Lungengesundheit auf vielen Wegen verbessern
Untersuchungen haben ergeben, dass 30 bis 50 Prozent der Schlachtschweine Lungenschäden infolge von Atemwegserkrankungen aufweisen. Einzelne Bestandteile der Stallluft wie Staub, Bakterien, Viren, Pilze und Gase können zu einer Reizung und Entzündung der Schleimhäute der Atemwege sowie der Lungenbläschen führen. Die Folge ist eine Lungenentzündung. 

Eine große Rolle hierbei spielen Krankheitserreger (z.B. Mykoplasmen, Pasteurellen, PRRS-Viren, Actinobazillen, Bordetellen, Circoviren u.a.), wobei in vielen Fällen den Mycoplasmen eine zentrale Bedeutung zukommt. Die Infektion mit Mykoplasmen führt nämlich zu krankhaften Veränderungen an den Spitzenlappen der Lungen bis zur völligen Funktionslosigkeit von Lungenarealen. Mykoplasmen beeinträchtigen die Abwehrmechanismen des Atemtraktes und sind so Wegbereiter für das Eindringen anderer Erreger. 

Es gibt viele Wege, gemeinsam oder auch einzeln durchgeführt, mit denen Atemwegserkrankungen bekämpft werden können. Von Fall zu Fall und von Bestand zu Bestand ist es ratsam, einen Katalog von Maßnahmen mit den entsprechenden Prioritäten aufzustellen und schrittweise umzusetzen. Neben gezielten Impfprogrammen wie gegen Mykoplasmen sollten insbesondere folgende Maßnahmen in Hinsicht auf eine bessere Lungengesundheit der Mastschweine ins Auge gefasst werden:

  • Umstallungen reduzieren,
  • maximal drei Ferkelherkünfte, 
  • Herkünfte mit unterschiedlichem Gesundheitsstatus nicht vermischen,
  • maximal 150 Schweine pro Abteil,
  • Rein-Raus-Verfahren anwenden,
  • Altersgruppen je Stallabteil trennen,
  • regelmäßig reinigen und desinfizieren,
  • Stallboden hygienisch gestalten,
  • Stallklima verbessern,
  • Temperaturansprüche der Altersgruppen beachten,
  • separate Lufträume und eventuell Gebäude für Ferkel, Aufzucht, Mast.

Arbeit mit Organbefunden verbessert Tiergesundheit
Im Rahmen des Markenfleischprogramms der NFZ Emstek hat sich seit 1996 durch eine intensive Beratung der Mäster, verbunden mit den schon genannten Maßnahmen, die Lungengesundheit der Schweine spürbar verbessert. Dies wird auch anhand der Gesundheitspunkte deutlich. Ebenso zurückgegangen ist der Anteil der Schweine mit Milkspots auf der Leber von rund 20 auf 10 Prozent. 


* Schlachtbefunde, die im Rahmen des Markenfleischprogramms der NFZ in Emstek von 1996 bis 1999 erfasst wurden.


* Schlachtbefunde der NFZ in Abhängigkeit von der Aufstallungsart (1999)

Die Auswertungen zeigen auch, dass in Mastbetrieben mit Vollspaltenböden der Anteil an Lebern mit Milkspots geringer ist als in Ställen mit Teilspaltenböden. Festgestellt wurde ebenso, dass Betriebe, die in ihren Ställen kontinuierlich mästen, eine schlechtere Lungengesundheit haben als jene, die ihre Ställe im Rein-Raus-Verfahren beschicken. Das trifft auch auf den Anteil der Lebern mit Milkspots zu, der bei kontinuierlicher Mast höher ist. In zahlreichen Betrieben, in denen über 30 Prozent der Mastschweine pro Schlachtpartie Milkspots auf der Leber hatten, konnte durch entsprechende Maßnahmen bereits nach einem Jahr die Zahl der Wurmlebern um fast 40 Prozent vermindert werden. 

Unter dem Strich heißt das, dass sich auch die Leistungen der Mastschweine und damit das Betriebsergebnis verbessert haben. So stiegen die täglichen Zunahmen um durchschnittlich 50 Gramm. Die Verlustrate sank um bis zu 1,6 Prozent und die Futterverwertung verbesserte sich um bis zu 0,2 Punkte, während der Mast. Über die Rückmeldung von Schlachtbefunden bekommt der Mäster letztlich eine zuverlässige Aussage über die Bestandsgesundheit und kann Fehler in der Produktion gezielt beseitigen.

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