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Gutachten des Wissenschaftlichen Gremiums AHAW über die Wahrscheinlichkeit der Übertragung des Porcinen Reproduktiven and Respiratorischen Syndrom Virus (PRRSV) auf virusfreie Schweine über Frischfleisch


Das Gremium für Tiergesundheit und Tierschutz (AHAW) nahm den Auftrag in der Plenarsitzung am 14. September 2004 an. Es wurde beschlossen, eine Arbeitsgruppe aus AHAW-Experten unter Vorsitz eines Gremiumsmitglieds einzusetzen. Die Risikobewertung zur Untersuchung der von der Kommission gestellten Fragen folgt der Methodik für Risikobewertungen, die sich mit den Stichwörtern Gefahrenerkennung, Freisetzungsbewertung, Expositionsbewertung, Folgenabschätzung und Abschätzung des Gesamtrisikos zusammenfassen lässt. 

Das PRRSV vermehrt sich nur in wenigen Zelltypen. Permissive Zellen sind Lungenmakrophagen und Zellen der Monozyten/Makrophagen-Linie in Lungen, Tonsillen, Lymphknoten und Milz, während Muskelzellen nicht als permissiv gelten. In den frühen Infektionsstadien ist das Virus in hohen Titern in den meisten Organen und im Blut nachweisbar und kann längere Zeit in den Lungen und Tonsillen persistieren. 

Aufgrund der altersabhängigen Inzidenz der PRRSV-Infektion in endemisch infizierten Populationen und der Gewebeverteilung des Virus während der Virämie gilt es als wahrscheinlich, dass sich das PRRSV in einem kleinen Teil der Schlachtschweine zum Zeitpunkt der Schlachtung vermehren kann. Das Fehlen von eindeutigen klinischen oder pathologischen Zeichen einer Vermehrung in schlachtreifen Schweinen macht die Erkennung bei der Ante-mortem- und/oder Post-mortem-Beschau unmöglich. 
Der systematische Einsatz von Lebendimpfstoffen bei Jungschweinen und heranwachsenden Schweinen könnte die Wahrscheinlichkeit des Vorhandenseins von Viren bei Tieren zum Schlachtzeitpunkt verringern, es ist jedoch davon auszugehen, dass eine Impfung in der Praxis das Gesamtrisiko der Übertragung des Virus über Frischfleisch nur unwesentlich verringert. Impfviren könnten in Schlachttieren vorhanden sein und eine Gefahr für virusfreie Populationen darstellen. 

Die vorliegenden Daten über die Reduktion der Infektiosität durch Reifung, Kühlung und Einfrieren von Frischfleisch sind nicht ganz einheitlich, dürften jedoch zu einer Verringerung der Infektiosität um durchschnittlich 2 log10 führen. Mit Maßnahmen wie dem Entbeinen oder der Entfernung von Lymphknoten gelingt es nicht, die Infektiosität der Schlachtkörper zu beseitigen. Die Rate der Inaktivierung von PRRSV ist in hohem Maße temperaturabhängig, weshalb die Überlebenswahrscheinlichkeit des Virus in Gastronomieabfällen (Speiseabfällen) sowohl von der Umgebungstemperatur als auch von der Zeit bis zur Verfütterung der Speiseabfälle an Schweine abhängt. Die minimale orale Infektionsdosis ist nicht bekannt, doch die Beobachtung, dass PRRSV im Fleisch zwar mittels PCR nachweisbar ist, jedoch unter der Nachweisgrenze für die In-vitro-Virusisolation liegt, deutet darauf hin, dass die minimale Infektionsdosis mäßig hoch bis niedrig ist. Diese Faktoren sowie die Durchsetzung des Verbots der Verwendung von nicht hitzebehandelten Speiseabfällen als Schweinefutter bestimmen das Gesamtrisiko der Exposition von Schweinen gegenüber dem PRRSV durch die potenzielle illegale Verfütterung von Speiseabfällen. Diese Faktoren sind in jedem Einzelfall von lokalen Bedingungen abhängig und lassen sich deshalb nicht ohne weiteres einer allgemeinen quantitativen Risikobewertung unterziehen. 

Die unmittelbaren Folgen der Einschleppung des PRRS machen sich in Produktionsausfällen in den einzelnen Beständen und der Anzahl der infizierten Herden bemerkbar. Indirekte Folgen können möglicherweise Maßnahmen zur Prävention und Eindämmung sowie Handelsbeschränkungen für Lebendschweine, Samen und Schweinefleisch sein. 
Bekannt ist, dass Schweinefleisch aus mit PRRSV infizierten Ländern in den letzten zehn Jahren in PRRSV-freie Länder in Europa und Neuseeland eingeführt worden ist, ohne dass es Hinweise auf eine Verbreitung des PRRSV gab. In den meisten dieser Länder herrschten strenge Vorschriften für die Behandlung und Entsorgung von tierischen Abfällen, und dies trug wahrscheinlich erheblich dazu bei, dass das PRRSV nicht auf diesem Wege übertragen wurde. Deshalb gibt es bislang keine dokumentierten Felddaten, die das Gesamtrisiko der Einfuhr von mit PRRSV infiziertem Fleisch belegen oder quantifizieren.Das Porcine Reproduktive and Respiratorische Syndrom (PRRS, früher auch „seuchenhafter Spätabort“) ist eine Viruserkrankung, die durch hohe Abortraten und Mortalität bei Ferkeln vor dem Absetzen sowie Atemwegserkrankungen bei Mastschweinen gekennzeichnet ist. 

In der Europäischen Union ist PRRS weder meldepflichtig noch unterliegt es sonstigen harmonisierten Maßnahmen zur Seuchenbekämpfung. Einige Drittländer jedoch, die krankheitsfrei sind, haben Maßnahmen zum Schutz ihrer Bestände getroffen. Internationale Übereinkommen fordern, dass solche Schutzmaßnahmen im Verhältnis zum gegebenen Risiko stehen sollten. Die vorliegenden Daten über die Prävalenz des Virus, seine Gewebeverteilung während der verschiedenen 
Krankheitsphasen, seine Verminderung während der Fleischreifung, sein Überleben in der Umwelt und andere Faktoren, die die Freisetzung des Virus beeinflussen, sind nicht in ausreichenden Maße zusammengefasst und ausgewertet, weshalb sich die Kommission kein klares Bild über das Risiko der Virusfreisetzung verschaffen konnte. 
Deshalb ersuchte die Kommission die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA), das Risiko der Übertragung des PRRS über Schweinefrischfleisch auf virusfreie Schweinepopulationen, die durch (illegale) Fütterung von Gastronomieabfällen (Speiseabfällen) oder durch sonstigen Kontakt mit tierischen Abfällen dem Virus ausgesetzt sein könnten, zu bewerten.  

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