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Gülle - Ein Gesundheitsrisiko?

Von Edward R. Atwill, Kalifornien 

Einleitung
Die Tierproduktion liefert Lebensmittel und andere Produkte in hoher Qualität mit einer großen Bedeutung für die Wirtschaft, die Ernährung und die Kultur der Bevölkerung. In vielen ländlichen Gegenden hat sie die zentrale Bedeutung für die Lebensfähigkeit der Wirtschaft. Dem sozialen Nutzen der Tierproduktion stehen die wirtschaftlichen Kosten und die potentielle Gesundheitsgefährdung durch die Lagerung und Beseitigung der Gülle gegenüber.

Ob solche Risiken für die Gesundheit und die Umwelt tatsächlich entstehen, hängt in erster Linie von der Qualität des Managements und der Produktionsverfahren ab. Die gleichzeitige Notwendigkeit der kosteneffektiven Umweltgestaltung kann die Reduktion der Gesundheitsrisiken, die durch die Lagerung und Beseitigung tierischer Abfälle entstehen, verzögern. Wir sind nicht in der Lage, Produktionssysteme so zu organisieren, dass überhaupt keine Gefährdung der Umwelt und der Gesundheit durch die Abfallentsorgung auftreten kann. Es sollte aber möglich sein, die Produktion so zu gestalten, dass der Nutzen der Tierproduktion für die Bevölkerung größer ist als deren Gefährdung. Unser gemeinsamer Auftrag besteht in der Identifizierung der potentiellen Risiken, die eine wirkliche Bedrohung der menschlichen Gesundheit darstellen. 

Es gibt eine Vielzahl potentieller Risiken in der Gülle (Mikroben, Würmer, Nährstoffe, chemische Komponenten). Dieser Artikel konzentriert sich auf die Mikroben. Ist die Gülle ein Gesundheitsrisiko für Menschen?

Es gibt keine einfache Antwort auf diese Frage. In vielen Fällen kann das Risiko durch gutes Management bedeutend gesenkt werden. In anderen Fällen wird durch Kontamination von Lebensmitteln und Wasser unnötig die Gesundheit der Bevölkerung gefährdet, z.B. durch schlechte Lagerung oder nachlässige Ausbringung.

Über die Nutzung der verwertbaren Inhaltsstoffe der Gülle gibt es bereits umfangreiche Erkenntnisse. Unser Wissen über die Auswirkungen der mikrobiellen Risiken durch die Gülle ist unvollständig und bedarf weiterer Untersuchungen. So gibt es zum Beispiel kaum Ausbringungssysteme, die die Reduzierung der mikrobiellen Gefährdung berücksichtigen. Vielleicht noch wichtiger ist das geringe Wissen darüber, welche, der durch Lagerung und Beseitigung tierischer Abfälle entstehenden mikrobiellen Risiken eine wirkliche Bedrohung der menschlichen Gesundheit darstellen. Zum Beispiel:

  • Sind Giardien (einzellige Parasiten) in Schweineexkrementen unter normalen Umständen für Menschen infektiös, und wenn, werden die Gardiazysten durch die Lagerung der Gülle in Lagunen inaktiviert oder beseitigt?
  • Ist der Schweinespulwurm Ascaris suis ein wirkliches Risiko für die menschliche Gesundheit?
  • Ist die Ausbringung von Gülle mit dem Rotlauferreger (Erysipelothrix rhusiopathiae) ein Risikofaktor für die Trinkwasserinfektion des Menschen?

Kritische Kontrollpunkte
Pathogene Keime der Schweinegülle können den Menschen über verschiedene Wege infizieren. Alle Wege erfordern in irgendeiner Art und Weise den Kontakt mit der infektiösen Gülle, zum Beispiel durch den direkten Kontakt bei beruflicher Exposition von Landwirten, Tierärzten und Schlachthofangestellten. Mikrobielle Risiken können auftreten, wenn Menschen mit infektiöser Schweinegülle kontaminiertes Wasser aufnehmen oder wenn sie ungewaschenes Obst oder Gemüse zu sich nehmen, das mit kontaminiertem Wasser bewässert wurde. Mikrobielle Lebensmittelsicherheitsrisiken können auftreten, wenn beim Schlachtprozess der Tierkörper versehentlich mit infektiösem Kot kontaminiert wird und der Keim alle folgenden Verarbeitungs- und Verpackungsprozesse bis zum Zubereiten des Fleisches durch den Verbraucher überlebt.

Variationen dieser Infektionswege sind möglich, das Wichtige jedoch ist, dass jeder Weg strategische Punkte hat, an denen die Krankheitserreger angreifbar sind. Dadurch haben wir die Möglichkeit, die Gefahr der Übertragung zu verringern. Diese strategischen Punkte werden als „Critical Control Points“ (Kritische Kontrollpunkte) bezeichnet. Für die Verbreitung von Krankheitserregern aus der Schweinegülle über das Trinkwasser sind vier grundlegende Schritte notwendig. Eliminiert man einen dieser Punkte, kann die Übertragung von Keimen über das Wasser reduziert oder ganz verhindert werden. 
  • Der Krankheitserreger wird von Tieren ausgeschieden.
  • Der Erreger erreicht die Wasserversorgung durch direkte Defäkation von Tieren in das Wasser, durch Oberflächenwasser (Regen, Schneeschmelze), durch das Grundwasser (durchlässige Güllebehälter, gedüngtes Ackerland) oder durch eine Kombination dieser Wege.
  • Während der Zeit, die der Erreger in der Umwelt verbringt, müssen die Zellfunktionen, die eine Infektion beim Menschen auslösen können, erhalten bleiben. Viele Erreger sind für das Überleben in der Umwelt schlecht ausgerüstet und ein längerer Kontakt mit Hitze, Kälte und besonders mit Gefrier- und Tauzyklen oder mit Trockenheit tötet die meisten Erreger ab. Andere sind sehr widerstandsfähig, wie z. B. der Schweinespulwurm, der mehrere Monate bei kaltfeuchten Bedingungen infektiös bleibt.
  • Sind die ersten 3 Hürden überwunden, muss noch eine ausreichend hohe Konzentration infektiöser Keime vorhanden sein, um eine Infektion auszulösen. Diese variiert von Erreger zu Erreger. Einzellige Parasiten (z.B. Cryptosporidium parvum, Giardia lamblia) haben eine sehr geringe Infektionsdosis. Im Gegensatz dazu sind Hunderte oder Tausende von Bakterien (z.B. Campylobacter jejuni, Salmonella typhimurium) für eine Infektion notwendig.

Potentielle Krankheitserreger in der Gülle
Hier eine kurze Auflistung von Krankheitserregern aus der Schweinegülle, die unter bestimmten Umständen auf den Menschen übertragen werden können. Wissenschaftliche Untersuchungen unterstreichen die Rolle des Schweins als Infektionsquelle für den Menschen, differenzieren aber bei der Gefährlichkeit (Pathogenität) der einzelnen Erreger.

Protozoen (Einzeller)
Cryptosporidium parvum und Gardia duodenalis sind zwei pathogene (krankmachende) Einzeller, die von vielen Säugetieren und vom Menschen ausgeschieden werden. Merkmale dieser Protozoen sind:
  • Die infektiösen Stadien dieser Einzeller können sich nicht außerhalb des Wirtes vermehren.
  • Eine verhältnismäßig geringe Infektionsdosis ist notwendig, um beim Menschen eine Erkrankung auszulösen.
  • Die infektiösen Stadien (Zyste bzw. Oozyste) sind gegenüber Desinfektionsmitteln relativ unempfindlich.


Die Frage, ob die Gardiazysten, die von den Tieren stammen, wirklich Menschen infizieren können, wird sehr kontrovers diskutiert.
Balantidium coli, ein Einzeller mit Zilien, wurde im Darm von Menschen und Schweinen gefunden. Die Menschen in Nordamerika scheinen daran sehr selten zu erkranken. Das Übertragungs- und Infektionspotential vom Schwein auf den Menschen ist in der wissenschaftlichen Literatur sehr umstritten.
Entamoeba polecki ist ein wenig bekannter Krankheitserreger, der sich im Schwein vermehrt und bei den Menschen in Nordamerika eher ungewöhnlich ist.
Das Wissen über Balantidium coli und Entamoeba polecki stammt mehr aus den tropischen Klimazonen und aus Gebieten, in denen die Menschen im direkten Kontakt mit den Schweinen leben. Ob nun Balantidium coli oder Entamoeba polecki für die Menschen eine wirkliche Gesundheitsgefährdung bedeuten, sei es durch die Übertragung durch Lebensmittel oder Wasser oder durch berufliche Exposition, steht weiterhin zur wissenschaftlichen Debatte.

Bakterien
Es gibt verschiedene Arten von Bakterien, die vom Schwein ausgeschieden werden (Kot und Urin) und für den Menschen infektiös sind. Die bedeutendsten sind Salmonella cholerasuis, Yersinia enterocolitica, Erysipelothrix rhusiopathiae, Campylobacter jejuni, Streptococcus suis, Brucella suis und Leptospira (Urin). Schweine werden als Hauptreservoir vieler dieser Bakterien angesehen, da infizierte Schweine oft keinerlei Symptome zeigen (z.B. Yersinia enterocolitica). Infektionen des Menschen durch Lebensmittel und durch direkten Kontakt sind nachgewiesen. Der Beweis für eine Übertragung durch das Trinkwasser fehlt bei vielen Bakterien. Will man allerdings fair und objektiv sein, fehlt auch der Beweis, dass diese Bakterien nicht über das Trinkwasser übertragen werden. Das eigentliche Problem beim Ausbruch einer durch das Wasser übertragenen Krankheit ist das Finden des Ursprungs der Kontamination, da bis zum Eingreifen der Gesundheitsämter doch einige Zeit vergeht. Mit der Entwicklung besserer Untersuchungsmethoden wird das Auffinden der jeweiligen Infektionsquelle wahrscheinlich einfacher.

In den USA werden die Güllelagunen immer mehr als Erregerreservoir für Krankheiten, die durch das Trinkwasser übertragen werden, betrachtet und Forderungen nach verschärften Gesetzen für die Abfallbeseitigung und -lagerung werden stärker. Es ist jetzt die Zeit, effektive Sicherheitsprogramme und Praktiken zu entwickeln, die nicht nur bakterielle Infektionen innerhalb der Schweinebestände verringern, sondern auch zuverlässig die Mehrheit der pathogenen Keime in der Gülle inaktivieren.

Viren
Es gibt derzeit in den USA eine kontroverse Debatte, ob die Viren, die mit den Exkrementen ausgeschieden werden, gefährlich für die menschliche Gesundheit sind. Einige Virologen gehen von einer Gefährdung aus, andere bestreiten sie. Obwohl eine Übertragung des Rotavirus experimentell nachgewiesen wurde, ist es unklar, ob Viehbestände bei der humanen Rotavirusinfektion eine Rolle spielen. Das für den Menschen infektiöse Schweineinfluenzavirus wird normalerweise nicht über die Gülle übertragen.

Würmer
Viele für den Menschen gefährliche Endoparasiten des Schweins werden nicht über die Ausscheidungen übertragen, sondern durch das Fleisch. Die klassischen Beispiele sind Trichinella spiralis und Taenia solium. Hier ist der Mensch der Hauptwirt. Durch die strikte Vermeidung des Kontaktes von Schweinen mit menschlichen Exkrementen in modernen Betrieben kommt es zu einer effektiven Unterbrechung des Entwicklungszyklus zwischen Mensch und Schwein.
Was ist mit den Wurmarten, die mit dem Kot der Schweine ausgeschieden werden? Es wird angenommen, dass die Eier des Schweinespulwurms (Ascaris suum) in der Lage sind, Menschen zu infizieren. Bei Menschen, die freiwillig Ascaris suum Eier aufgenommen haben, konnte eine erfolgreiche Infektion ausgelöst werden. Also kann man davon ausgehen, dass eine Übertragung stattfinden kann, wenn Menschen zufällig kontaminierte Lebensmittel oder Wasser aufnehmen. Es ist bekannt, dass Ascaris suum Eier unter feuchten Bedingungen sehr lange überleben können. Wir haben keine zuverlässigen Schätzungen, in wie vielen Fällen menschlicher Ascaridiose die Schweinegülle Ursache war. Trotzdem erscheint es klug, eine effektive Entwurmung in das Qualitätssicherheitsprogramm einzubeziehen, um diesen Parasiten zu kontrollieren.


Zusammenfassung
Es gibt Krankheitserreger in der Schweinegülle, die unter entsprechenden Bedingungen Menschen infizieren können. Man hat jedoch eine Vielzahl von Möglichkeiten dies zu beeinflussen und damit das Risiko für die menschliche Gesundheit zu verringern. Programme zur Sicherung der Qualität und Gestaltung der Umwelt werden von öffentlichen und privaten Organisationen entwickelt. Zusätzliche Untersuchungen sind notwendig, um festzustellen, welche Maßnahmen das beste Kosten – Nutzen – Verhältnis liefern, um die Lebensmittelsicherheit zu steigern und das Umweltrisiko zu senken.
Eine der ersten Maßnahmen ist die Reduzierung des Erregerniveaus in den verschiedenen Produktionsstufen auf den Farmen. Verbesserte Maßnahmen der Güllebehandlung und -lagerung können die Inaktivierungsraten der ausgeschiedenen Erreger erhöhen. Unzweifelhaft verringern auch entsprechende Maßnahmen bei der Schlachtung die Kontamination des Schlachtkörpers mit fäkalen Keimen. Die erhöhte Gefährdung bestimmter Berufsgruppen kann durch das Tragen entsprechender Schutzkleidung und Handschuhe, durch Desinfektion der Stiefel und das Säubern der Hände vor dem Essen und bei Verlassen des Betriebes minimiert werden. Viele dieser Maßnahmen sind in der Industrie bereits Standard. Weitere Untersuchungen zu diesem Thema, insbesondere der Wasserqualität, sind zum Schutz der Bevölkerung notwendig.

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