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Der Einfluss von Managementfaktoren auf die Langlebigkeit von Zuchtsauen

T. J. Loula, DVM, Swine Vet Center, St. Peter, USA 

Einleitung
Das Lebensalter von Zuchtsauen ist in den vergangen Jahren erheblich gesunken, das durchschnittliche Alter einer Zuchtherde ist bedeutend jünger als noch in den 80er Jahren. Als Gründe werden Veränderungen der Genetik und der Haltung diskutiert. Aber es muss noch viel mehr Gründe hierfür geben, die auch im Management und der Betreuung der Tiere liegen.


1. Veränderungen in der Betriebsstruktur
Die Umstellung der Schweineproduktion von reinen Familienbetrieben auf große, wie Unternehmen geführte Betriebe hat einen Wandel der Personalstruktur zur Folge. Es ist nicht mehr die Regel, dass der Betriebsinhaber und seine Familie die Tiere betreut, sondern Angestellte und Arbeiter. 

Ihnen fehlt jedoch häufig die Erfahrung, die zur Betreuung großer Bestände nötig ist. Sie sind selten mit Tieren großgeworden und haben daher nicht das nötige Geschick im Umgang mit ihnen. Es herrscht ein Mangel an gut ausgebildeten Mitarbeitern in der Schweineindustrie, da der Bedarf erst in den letzten Jahren entstanden ist.


2. Beobachtungen
Neben der fehlende Erfahrung ist die mangelhafte Beobachtungsgabe der Angestellten ein großes Problem in Schweinebeständen. Sie sehen oft zu spät, dass ein Tier zu mager, krank oder lahm ist. Bis eine Behandlung eingeleitet wird, vergeht zuviel Zeit, die Grunderkrankung ist oft zu weit fortgeschritten. Das führt in vielen Beständen zu großen Verlusten an Zuchtsauen, die mit einer frühzeitigen Behandlung deutlich älter hätten werden können.

Es ist schwer, diese Beobachtungsgabe zu erlernen, Fortbildungsmaßnahmen sind rar und kostenintensiv. Die Mitarbeiter müssen ein überproportionales Interesse an ihrer Arbeit haben, um durch Erfahrung diese Fehler zu vermeiden.


3. Wachsende Betriebsgrößen
In den letzten Jahren ist die Größe der Betriebe in den USA dramatisch angestiegen. Dabei wird immer mehr darauf geachtet, Arbeitsabläufe zu automatisieren, damit mehr Tiere von weniger Mitarbeitern versorgt werden können. Bei diesen Arbeitsabläufen bleibt oft zu wenig Zeit für die Tierbeobachtung, die sich auch selten in der Produktionskostenrechnung niederschlägt.


4. Veränderungen der Stallsysteme
Der Preisdruck auf die Schweineindustrie führte dazu, die Stallsysteme dahingehend zu verändern, dass immer mehr Schweine pro Flächeneinheit gehalten werden können. Die einzelnen Buchten werden immer größer, was die Tierbeobachtung und Feststellung von Krankheiten oder Auffälligkeiten am Einzeltier nicht erleichtert. 

Krankenbuchten werden nicht mehr geplant, oder von vornherein mit gesunden Tieren belegt, um Kosten einzusparen und am Ende des Jahres ein paar Ferkel mehr geliefert zu haben. Aus Gründen der Hygiene fällt auf vielen Betrieben die Nutzung von leerstehenden Kuhställen oder Schuppen weg, in denen früher kranke oder lahme Schweine die Gelegenheit hatten, gesund zu werden.


5. Praxis des Aussortierens
In traditionell geführten relativ kleinen Betrieben wurden Zuchtsauen aussortiert, wenn es den Anschein hatte, dass sie krank oder lahm werden würden. Man brachte die Einzeltiere einfach zum Schlachter.

In modernen Produktionsanlagen kommen Transportunternehmen aus hygienischen Gründen so selten wie nur möglich auf den Betrieb. Es besteht also keine Möglichkeit, individuell Einzeltiere auszusortieren. Also werden die Sauen oft nach terminlichen Gesichtspunkten vermarktet, auch wenn sie noch einige Würfe aufziehen könnten.


6. Rückenspeckdicke

Die Veränderung der Zuchtziele hin zu einem mageren und fleischigen Schwein hat offensichtlich zu einer dünneren Rückenspeckdicke der Tiere geführt. Damit fehlt den Zuchtsauen häufig ein Polster, um Schwankungen im Energieverbrauch auszugleichen. Wenn Jungsauen mit 13 - 18 mm Rückenspeck in den Zuchtbetrieb kommen, ist es schwierig, einen Zuwachs unter den Belastungen der Umstallung und der ersten Trächtigkeit zu erhalten.

Erfahrene Schweinezüchter können die Rückenspeckdicke gut durch Betrachten und Betasten abschätzen, ungeübte Aushilfen können das natürlich nicht leisten. 

Sauen mit einer Rückenspeckdicke von unter 10 mm werden mit Sicherheit nicht die optimale Lebensleistung erreichen, das gleiche gilt für extrem fette Sauen.


7. Selektion der Jungsauen
In der früheren Betriebsstruktur der reinen Familienbetriebe wuchsen die späteren Betriebsleiter in der Regel mit Tieren und der damit verbundenen Arbeit auf. Sie konnten von klein auf ihren Blick für die Tiere schulen. In Großbetrieben mit Angestellten ist es oft nicht gegeben, dass die Auswahl der Jungsauen durch solch hochqualifizierte Fachkräfte durchgeführt wird. Dazu kommt die Haltung in sehr großen Gruppen, was die Auswahl in der Praxis noch mehr erschwert. 

Kommen die Jungsauen auf den Zuchtbetrieb in die Quarantäne-Abteilungen, werden sie am Ende des Tages versorgt, um Infektionen der übrigen Herde zu vermeiden. Die damit betrauten Mitarbeiter denken schon an den Feierabend, so dass die Tierbeobachtung in dieser kritischen Phase nur ungenügend erfolgt. So werden beginnende Krankheiten oder Lahmheiten, aber auch unzureichender Ernährungszustand oder genetische Mängel zu spät bemerkt, was zur Folge hat, dass schon sehr junge Sauen ausselektiert werden müssen.


8. Künstliche Besamung
Der Natursprung war für Züchter ein früher Indikator für Störungen bei den Sauen. Eine Sau "steht" nicht, wenn es ihr nicht gut geht. Diese Möglichkeit der Beobachtung fällt bei der künstlichen Besamung weg.


9. Schnelles Wachstum großer Betriebe
Die ungeheuren Veränderungen der Schweinebranche in den letzten 10 Jahren blieb auch für die durchschnittliche Lebensleistung von Zuchtsauen nicht ohne Folgen. In vielen Vermehrerbetrieben wurden Jungsauen nicht nach ihrer Qualität sondern nach der Nachfrage des Marktes selektiert, d.h. auch nicht optimal geeignete Tiere gelangten in die Zuchtbetriebe. 


10. Homogenität der Zuchtherden
Ebenfalls durch das starke Wachstum der Branche bedingt, verschob sich in vielen ferkelproduzierenden Betrieben das Durchschnittsalter der Sauen nach unten. Darunter litt die relativ stabile Immunität der Herden, in denen immunkompetente Altsauen überwogen. Das führte zu höheren Erkrankungs- und auch Sterberaten.


11. Veränderungen der Fütterung
Viele Veränderungen in der Fütterung, wie niedriger Rohfaseranteil preisgünstiger Sauenmehle oder die Praxis, nur einmal am Tag zu füttern stellten höhere Anforderungen an die Zuchtsauen, als die eher individuelle Fütterung auf dem traditionellen Familienbetrieb. Ein weiterer Grund für sinkendes Lebensalter der Sauen.


12. Multi-site Produktion
Das Verfahren, die verschiedenen Produktionsstufen an unterschiedlichen Orten durchzuführen ist für die Aufzucht und Mast von Schweinen sehr gut geeignet, die Tiere vor Krankheiten zu schützen. Doch für die Immunität von Jungsauen ist es weniger geeignet, da das Immunsystem nur durch den Kontakt mit Krankheitserregern trainiert wird. Ihr erster Kontakt mit vielen Erregern findet bei der Eingliederung im Zuchtbetrieb statt. Für die Stammherde des Zuchtbetriebes ist das natürlich von unschätzbarem Vorteil, wenn keine Fremdkeime durch die Remontierung eingeschleppt werden. 


13. Krankheiten
Der Faktor Krankheit spielte zu jeder Zeit eine große Rolle in der Lebenserwartung von Zuchtsauen. Einige Krankheiten sind durch Impfmaßnahmen so gut wie verschwunden, andere haben erst in den letzten Jahren einen Aufschwung erfahren, wie z. B. PRRS. 


14. Der Einsatz von Medikamenten
Durch den verantwortungsvolleren Umgang mit Arzneimitteln, vor allem den Antibiotika, kommen in den letzten Jahren mehr Erkrankungen zum Ausbruch, da sie nicht mehr durch ständige Futtermedizinierung maskiert werden. Auch aufgrund der Rückstandsproblematik werden diese Medikamente zur Behandlung anstatt zur Prophylaxe eingesetzt. Die Abschätzung, welchen Effekt dies auf die Lebensleistung der Zuchtsauen hat, ist schwierig, aber mit Sicherheit ein nicht unerheblicher Faktor.


15. Verletzungsrisiko der Tiere
Durch vermehrt durchgeführte Impfungen und die Praxis mehr Tiere pro Flächeneinheit aufzustallen, ist das Verletzungsrisiko für die Sauen im Verhältnis gestiegen. Mit einem adäquaten Management wie zeitversetzte Impfungen an verschieden Stellen des Körpers (Vermeidung von Interaktionen zwischen den Impfstoffen und Impfabszessen) oder behutsames Treiben durch tiergerecht gestaltete Treibgänge können diese Risiken jedoch verringert werden.


Zusammenfassung
Viele der 15 Faktoren, die hier aufgezählt wurden, können durch Management-Maßnahmen verbessert werden: Schulung der Mitarbeiter, Übertragen von Verantwortung, Einhaltung von hygienischen Maßnahmen u. v. m.. 

Es sind viele kleine Veränderungen, die zu beachten und durchzusetzen sind. Der Erfolg ist selten sofort sichtbar. Am Ende eines Produktionsjahres wird man jedoch erstaunt sein, welchen wirtschaftlichen Vorteil eine Erhöhung der Lebensleistung der Zuchtsauen hat.

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