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Die Räude des Schweins - Grundlagen

Christin Lehmann, Bahnhofstr. 69, 25782 Tellingstedt 

Ursache und Übertragung
Die Räude beim Schwein wird durch die Milbenart Sarcoptes suis verursacht. Die Infektion erfolgt in der Regel durch den Kontakt von Tier zu Tier (Deckakt, Zukauf, Ferkel – Muttersau)
Die Weibchen der Sarcoptes – Milbe bohren Gänge in die Regenerationsschicht der Haut und legen dort ihre Eier ab. Innerhalb von 12 – 21 Tagen entwickeln sich daraus vermehrungsfähige Nachkommen.
Außerhalb des Wirtes können die Milben bis zu 10 Tagen überleben. Sie entfernen sich aktiv nicht mehr als einen Meter vom Wirtstier.


Symptome und Verlauf
Ca. 2 – 3 Wochen nach der Infektion tritt Juckreiz auf. Die befallenen Hautpartien entzünden sich und es bilden sich durch das Scheuern borkige, krustige Beläge, die abgestoßen werden können. Bei älteren Tieren und bei subklinischem Verlauf sind häufig dunkelbraune schmierige Beläge im äußeren Gehörgang das einzige Symptom.
Je nach Schweregrad der Infektion sind die Tiere unruhig und es kommt zu Leistungsdepressionen bei den täglichen Zunahmen, der Futterverwertung und der Fruchtbarkeit.


Diagnose
Das „klassische“ Bild einer klinisch manifesten Sarcoptes – Räude wird eigentlich nur noch in Betrieben beobachtet, wo die regelmäßige Parasitenbekämpfung vernachlässigt wird.
Die Diagnose bei der subklinisch – chronischen Form ist nur mit relativ hohem Aufwand zu stellen und nicht immer sicher.
Der Milbennachweis im Hautgeschabsel ist nur dann eine eindeutige Methode, wenn er positiv ausfällt.
Bei verdächtigen Tieren wird mit einem scharfen Löffel ein tiefes Hautgeschabsel aus dem Gehörgang entnommen und nach entsprechender Aufbereitung mikroskopisch untersucht. Gerade bei subklinisch erkrankten Tieren ist der Nachweis jedoch schwierig und es kann zu falsch negativen Ergebnissen kommen.

Die 2. diagnostische Möglichkeit ist die Erfassung des Scheuerindex, d.h., das Feststellen der Häufigkeit des Auftretens von Juckreiz. Hierzu werden 25 – 50 Tiere einer Gruppe aufgetrieben und 15 Minuten lang beobachtet. Scheueraktivitäten von mindestens 10 sec Dauer werden gezählt. Die Zahl der Scheueraktivitäten geteilt durch die Zahl der beobachteten Schweine ergibt den Scheuerindex. Liegt der Scheuerindex unter 0,1 geht man von einem räudefreien Bestand aus, ab 0,4 ist er zumindest verdächtig und das Behandlungsregime sollte überprüft werden. Ab einem Index von 1,5 ist Räude sicher im Bestand.
Auf dem Schlachthof kann man nach dem Töten und Abbrühen der Schweine die Beschaffenheit der Haut beurteilen. Ist Räude im Bestand, findet man auf der Haut der Schweine (besonders im Flankenbereich) mehr oder weniger häufig 1 – 3 mm große, entzündliche Hautveränderungen, die sogenannten "red spots". Nach einem definierten Bewertungsschema ermittelt man den Hautläsionenindex.

In den letzten Jahren haben sich die Bemühungen verstärkt, die Diagnose mit Hilfe von Antikörper – Nachweisen im Blut zu sichern. In Beständen mit subklinischem Geschehen und/oder regelmäßigem Einsatz von Ektoparasitika gestaltet sich dieser Nachweis jedoch schwierig. Aufgrund des geringen Antikörperspiegels kommt es bei einigen Tests häufig zu falsch negativen Ergebnissen. Es ist notwendig, sensitivere (= empfindlichere) Testverfahren für die Titerverlaufskontrollen bei der Bestandssanierung zu entwickeln.

Zeitpunkt der Infektion, Wirkung der maternalen Antikörper und Einsatz von Medikamenten haben Einfluss auf die Titerhöhe.

Für die Diagnostik wird empfohlen, Blutproben von klinisch räudeverdächtigen Tieren zu entnehmen (Juckreiz, Hautveränderungen) von Tieren, die älter als 6 Monate sind (am besten Sauen) sowie von bis zu 14 Tage alten Ferkeln räudeverdächtiger Sauen.
Eine ausreichende Probenzahl je nach Bestandsgröße (20 Proben ab 100 Sauen; 30 Proben ab 500 Sauen) ist für ein aussagekräftiges Ergebnis erforderlich. Das Testergebnis darf nie losgelöst vom klinischen Geschehen bewertet werden.


Differentialdiagnose
Abzugrenzen sind Hautveränderungen, die durch andere Ursachen hervorgerufen werden, wie z. B. Läusebefall, Ferkelruß, Sonnenbrand, Dermatomykosen (Hautpilz), Parakeratose (Zinkmangel), Biotinmangel und Schweinepocken.


Therapie
Mit der Anwendung von Akariziden (Milbenmittel) auf Phosphorsäureesterbasis zur Wasch-, Sprüh- und Tauchbehandlung und/oder der Injektion von Ivermectinen sind die klinischen Symptome der Räude gut zu behandeln. Der Einsatz dieser Mittel hat sich besonders bei Sauen vor dem Abferkeln bewährt. Die Behandlung der Deckeber und Zukauftiere ist außerordentlich wichtig. Reinigungs- und Desinfektionsmaßnahmen unterstützen den Therapieerfolg.


Sanierung
Die Tilgung der Räude aus einem Bestand ist zeitaufwendig und erfordert ein hohes Maß an Disziplin bei der Durchführung der Bekämpfungsmaßnahmen.
Mehrere Untersuchungen bestätigen, dass die Kosten für die Sanierung durch die Erhöhung der Wirtschaftlichkeit (Erhöhung der Tageszunahmen, der Futterverwertung und der Fruchtbarkeitsleistungen) schnell wieder ausgeglichen werden.
Es gibt verschiedene Verfahrensweisen für Sanierungsprogramme. Sie müssen auf die Produktionsabläufe und Möglichkeiten der einzelnen Betriebe abgestimmt werden.
Eine große Rolle spielen die Einhaltung von Quarantäne bei Zukauftieren, Desinfektionsmaßnahmen, lückenlose Behandlung aller Tiere (auch Eber und Zukauf). Die Möglichkeit, Stallabteile zu räumen und bis zu 3 Wochen leer stehen zu lassen, erhöht die Erfolgsrate. Diesen Zeitraum kann keine Milbe ohne Wirt lebend überstehen.
Der Sanierungserfolg sollte durch ein Monitoring, das Blutuntersuchungen und klinische Diagnostik einschließt, ständig überprüft werden.
Offizielle Richtlinien zur Zertifizierung „Räudefreier Bestand“ stehen noch nicht zur Verfügung. Einige europäische Nachbarn sind hier schon einen Schritt weiter.
Mit der Entwicklung belastbarer und sicherer ELISA - Tests sollte in Zukunft die Möglichkeit der objektiven Beurteilung des Räudestatus einer Herde gegeben sein.

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