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Magengeschwüre beim Schwein - wissenschaftliche Erkenntnisse und Diskussion (Zusammenfassung)

Robert M. Friendship, Ontario, Kanada 

Einleitung
Das Vorkommen von spiralig-geformten Bakterien bei Tieren wurde das erste Mal 1881 beschrieben. Obwohl ähnliche Bakterien in den 30er Jahren im Magen von Menschen gefunden wurden, fanden sie lange Zeit keine Beachtung.

1984 entstand die Theorie, dass ein gekrümmtes Bakterium (jetzt bekannt als Helicobacter pylori) die Ursache für Ulcera (Magengeschwüre) und chronische Magenentzündungen beim Menschen darstellt. Die Entdeckung der bakteriellen Ursache revolutionierte die Behandlung der Magengeschwüre und verbesserte die Heilungschancen.

Als Resultat der Entwicklungen in der Humanmedizin wurde der Mikrobiologie des Magens der Haustiere mehr Aufmerksamkeit entgegengebracht. 1990 wurde ein spiralig-geformtes Bakterium im Magen von Schweinen gefunden. Es wurde "Gastrospirillum suis" genannt, wegen der morphologischen Ähnlichkeit mit bekannten Bakterien, die bei anderen Tierarten gefunden wurden.

"Gastrospirillum" ist größer als Helicobacter pylori und hat 4 bis 6 enge Spiralen, wohingegen Helicobacter gebogen oder S-förmig ist.


Merkmale und Nomenklatur
Aufgrund von DNA-Untersuchungen werden die als "Gastrospirillus" bezeichneten Bakterien jetzt zu der Gruppe der Helicobacter gezählt. Alle Helicobacter sind gramnegativ und mikroaerophil. Sie haben polare Geißeln zur Fortbewegung und ihre wesentlichste Eigenschaft ist die Anwesenheit einer hochaktiven Urease.

3 Arten mit langen engen Spiralen (gastrospirillusähnlich) sind kultiviert und charakterisiert worden und zwar aus Magenproben von Katzen und Hunden: Helicobacter felis, H. bizzozeroni, H. salomonis. Gastrospirillen-ähnliche Bakterien, die in der Magenschleimhaut von Schweinen gefunden wurden, konnten bislang nicht kultiviert werden, so dass sie noch nicht in die offizielle Nomenklatur eingefügt werden konnten. Es wird der Name "Candidatus Helicobacter suis" empfohlen.

Gastrospirillum - ähnliche Organismen werden manchmal auch im Magen von Menschen gefunden. Es gibt mindestens 2 verschiedene Typen dieser spiralig-gewundenen Bakterien, sie wurden vorläufig Helicobacter heilmannii Typ 1 und 2 genannt. Gleichfalls wurden im Schweinemagen 2 Gastrospirillum - ähnliche Bakterien gefunden. Es wurde eine 99,5% Übereinstimmung der 16S rDNA-Sequenz zwischen H. heilmannii Typ 1 und Candidatus H. suis festgestellt, was ein Hinweis darauf sein könnte, dass sie zur selben Art gehören. Es gibt schon einige Veröffentlichungen, die H. heilmannii als Bakterium des Schweinemagens bezeichnen, aber so lange noch keine Kultivierung erfolgt ist, sollte besser der Name Candidatus H. suis verwendet werden. ulcus


Epidemiologie
In vielen Ländern, USA und Kanada wurden Helicobacter - ähnliche Keime in Schweinemägen gefunden, über die genaue Verbreitung ist derzeit noch nicht genug bekannt.

Frühe Untersuchungen von Zufallsproben von Schweinen in Brasilien und Italien auf Schlachthöfen ergaben 10% positive Proben. Jüngere Studien ergaben in einigen Herden ein weit höheres Niveau von positiven Tieren von ca. 60 -80%. Unterschiede in den Ergebnissen ergeben sich wahrscheinlich durch unterschiedliche Labormethoden, aber es scheint auch wirklich gravierende Unterschiede von Bestand zu Bestand zu geben.

Möglicherweise verringern Managementfaktoren wie "Alles Rein - Alles Raus" oder SPF-Produktion die Verbreitung der Bakterien. Der wahrscheinlichste Weg der Übertragung von Helicobacter in fecal-oral von Tier zu Tier.

Es ist möglich, dass Candidatus H. suis auch von und auf andere Tierarten übertragen werden kann. Bei Hunden und Katzen findet man ähnliche Bakterien. Eine italienische Untersuchung von wildlebenden Ratten zeigte bei 23% der Tiere die Anwesenheit eines spiraligen Bakteriums, das morphologisch dem Helicobacter des Schweines sehr ähnlich ist.

Das Schwein ist vermutlich das natürliche Reservoir für Candidatus H. suis und einmal infiziert, bleibt das Schwein Wirt für diese Bakterien für lange Zeit, möglicherweise lebenslang.

Bei den Menschen scheint H. pylori sehr gut an das Überleben im Magen angepasst und ungeachtet der Entwicklung von Antikörpertitern und Entzündungsreaktionen bleibt die Infektion für viele Jahre bestehen.


Pathogenese
Die Virulenzfaktoren von Candidatus H. suis sind noch nicht identifiziert und es ist unklar, ob diese Bakterien krankmachende Eigenschaften für Schweine besitzen. Wenn man gnotobiotische Schweine (Ferkel, die keimfrei per Kaiserschnitt entbunden worden sind) mit Candidatus H. suis experimentell infiziert, verursachen die Bakterien eine Entzündung v. a. im Fundusbereich des Magens. H. pylori verursacht eine ähnliche Entzündung, aber hauptsächlich im Cardia- und Antrumbereich (Mageneingang und Pylorusvorhof) des Magens.

Beim Menschen verursachen Helicobacterinfektionen Entzündungen und an diesen Stellen bilden sich Magengeschwüre. Deshalb geht man davon aus, dass eine direkte Einwirkung von Bakterien zu Magengeschwüren führt. H. pylori setzt Urease frei, was zur Produktion von Ammoniak führt. Das wiederum verursacht Gewebsirritationen. Zusätzlich wurden Zellgifte identifiziert, die direkt mit dem Grad der Gastritis beim Mensch und gnotobiotischem Schwein in Verbindung gebracht werden. Toxinbildende H. pylori - Stämme, die die Vakuolenbildung in Gewebskulturen induzieren, sind bei Magengeschwürpatienten mit 30 - 40% überrepräsentativ vertreten, im Vergleich zu Patienten mit Magenschleimhautentzündung.

Eine Gensequenz von einigen H. pylori - Stämmen ist verbunden mit der Pathogenität und man findet diese H. pylori - Stämme fast bei allen Patienten mit Zwölffingerdarmgeschwüren.

Beim Schwein findet man die Helicobacter in den Drüsenregionen des Magens, während die Magengeschwüre hauptsächlich in der Speiseröhrenzone des Magens auftreten, wo Helicobacter noch nie gefunden worden sind. Theoretisch könnten die Helicobacter auf einem indirekten Weg zur Geschwürbildung in der Speiseröhrenzone durch Erhöhung der Säureproduktion dort beitragen. Es wird vermutet, dass die Bakterien einen neutralen pH-Wert auf der Magenschleimhaut verursachen und damit die Gastrinbildung anregen, was wiederum die Erhöhung der Magensäureproduktion bewirkt.

Bei den experimentell mit Candidatus H. suis infizierten Schweinen sind allerdings keine pH-Wert - Veränderungen im Magen nach der Infektion aufgetreten.


Diagnose
Die einfachste Methode des Nachweises Helicobacter - ähnlicher Bakterien ist die histologische Untersuchung. Wichtig ist es hier von mehreren Stellen des Magens Biopsien zu entnehmen, da die Helicobacter sich ungleichmäßig im Magen verteilen, falsch negative Ergebnisse sind sonst möglich. Kürzlich ist ein PCR (Polymerase-Kettenreaktionstest) für den Nachweis von Candidatus H. suis entwickelt worden, mit einem höheren Anteil an positiven Ergebnissen als bei alleiniger histologischer Untersuchung.

Die Messung der Urease-Aktivität in der Atemluft, in der Humanmedizin gängige Untersuchungsmethode, ist auch beim Haustier mit gutem Erfolg getestet worden. Möglich ist auch eine Untersuchung des Magens auf dem Schlachthof. Hier wird die Urease-Aktivität über die pH-Wert Änderung am offenen Magen gemessen.

Da die kulturelle Anzüchtung bisher nicht gelang, wird eine Alternative für die Bakterienvermehrung genutzt. Eine effektive Möglichkeit, die Anwesenheit von Candidatus H. suis nachzuweisen, ist die Inokulation von Mäusen mit Material aus Schweinemägen. Innerhalb eines Versuchs ergab sich im Vergleich zur histologischen Untersuchung eine sehr viel höhere Sicherheit des Nachweises im Mäuseversuch.

Die Entwicklung serologischer Testmöglichkeiten für ein schnelles Herdensreening auf Helicobacter und unkomplizierte PCR's sind notwendig.


Klinische Symptome
In den letzten 5 Jahren gab es mehrere Untersuchungen zur Feststellung des Zusammenhangs zwischen dem Vorkommen von Helicobacter - ähnlichen Bakterien und Magengeschwüren. Die Aussagen sind nicht einheitlich bzw. entgegengesetzt. Der Einfluss von Haltungsbedingungen (Rein-Raus oder kontinuierliche Einstallung, Trog- oder Fußbodenfütterung) scheint ebenso eine Rolle zu spielen.

Aller Wahrscheinlichkeit nach sind die Ursachen für die Geschwürbildung in der Speiseröhrenregion des Magens bei Schweinen anders als bei den Magengeschwüren des Menschen, bedingt durch die großen Unterschiede in der Anatomie und Physiologie des Magens zwischen Mensch und Schwein.

Es ist sehr unwahrscheinlich, dass durch die Tilgung von Helicobacter in Schweineherden das Problem der Magengeschwüre gelöst wird.

Allerdings könnte es andere Gründe für die Bildung Helicobacter - freier Bestände geben. Die Möglichkeit der Übertragung von Helicobacter heilmannii vom Schwein auf den Menschen wird vermutet.

Bei einer Untersuchung von 177 mit H. heilmannii infizierten Patienten ergab sich eine enge Assoziation zum Kontakt mit Hunden, Katzen, Rindern und Schweinen, wobei der Kontakt zu Schweinen ein noch höherer Risikofaktor war als der Kontakt zu den anderen Tierarten. Menschen mit Kontakt zu Schweinen infizieren sich 5mal häufiger mit H. heilmannii als Menschen, die keinen Kontakt zu Schweinen haben. Weitere Untersuchungen sind notwendig, um die Bedeutung von Candidatus H. suis - Infektionen als Zoonose zu klären und die Bedeutung des Bakteriums bei Magenerkrankungen des Schweines herauszufinden.


Zusammenfassung

  • Helicobacter - ähnliche Organismen kommen beim Schwein vor und sind in der gesamten Schweinepopulation sehr weit verbreitet.
  • Die Verbreitung kann wahrscheinlich durch Alles-Rein/Alles Raus - Management und gute Hygienemaßnahmen kontrolliert werden.
  • Die Bakterien können durch histologische Untersuchungen gefunden werden, da aber die Verbreitung im Magen sehr ungleichmäßig ist, sind falsch negative Ergebnisse möglich.
  • Die ursächliche Beziehung zwischen dem Vorkommen Helicobacter - ähnlicher Bakterien und dem Vorkommen von Magengeschwüren konnte nicht nachgewiesen werden. Die wenigen vorhandenen Untersuchungen widersprechen sich.
  • Nach experimenteller Infektion gnotobiotischer Schweine mit Helicobacter entwickelten sich keine Magengeschwüre in der Speiseröhrenregion.


Ergänzung
Aus Manchester kam kürzlich das Ergebnis einer Untersuchung, aus dem hervorgeht, dass es sich bei Helicobacter pylori um einen recht aggressiven Keim handelt. Er wird mit dem "plötzlichen Kindstod" in Zusammenhang gebracht. In einer breit angelegten Studie bei britischen Babys, die am plötzlichen Kindstod gestorben waren, wurde bei 28 von 32 Fällen Helicobacter pylori gefunden. Bei gesunden Kindern wurde das Bakterium nur bei 2% der Proben gefunden.

Es wird vermutet, dass das Bakterium bei ungünstiger Bauchlage oder beim Aufstoßen vom Magen in die Lunge der Babys gelangt. Dort findet es günstige Lebensbedingungen und produziert dort soviel Ammoniak, dass die Babys daran sterben. Die Kinder infizieren sich vermutlich durch ihre Eltern, es wird vermutet, dass abgeleckte Schnuller oder enger Körperkontakt die Übertragung fördern.

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