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Tot - Lebend - Markiert - Mono - Kombi - Stallspezifisch ?

Dr. Thomas Noé, Merial GmbH, D-85399 Hallbergmoos 

Eine Standortbestimmung zum Thema ImpfstoffeGrundlagen der Impfung
Für eine erfolgreiche Impfung mit kommerziellen Vakzinen sollten folgende grundsätzlichen Kriterien erfüllt sein:

a) Identifikation des kausalen Agens. Der virale oder bakterielle Erreger, gegen den vakziniert wird, muß selbständig in der Lage sein, bei gesunden Tieren nach Verabreichung das entsprechende Krankheitsbild hervorzurufen (Koch´sches Postulat). Erst dann kann es nach einmaliger oder wiederholter Applikation in inaktivierter oder attenuierter Form zu einer aktiv erworbenen, spezifischen Immunität gegen dieses Antigen oder zum gezielten, passiven Transfer von gegen dieses Antigen gerichteten Antikörpern und T-Zellen vom Muttertier auf das Neugeborene kommen.

b) Belastbarkeit des Schutzes. Die durch die Verabreichung des identifizierten Antigens induzierte Immunantwort muß belastbar sein, d. h. eine signifikante, klinische Schutzwirkung der aktiv oder passiv geimpften Tiere im Vergleich zu ungeimpften Kontrolltieren aufweisen. Der alleinige Nachweis spezifischer, humoraler Antikörper ist hierfür nicht ausreichend. Vielmehr muß, sofern entsprechende Modelle rechtlich vorgeschrieben oder in der wissenschaftlichen Literatur vorgeschlagen werden, die klinische Schutzwirkung in Impfstudien mit anschließender Belastungsinfektion nachgewiesen werden.

c) Risikominimierung. Das mit dem Impfstoffeinsatz verbundene Risiko darf nicht größer sein als das Risiko einer Erkrankung. Dies gilt insbesondere für die Verabreichung von Lebendimpfstoffen, und hier in aller erster Linie im Zuchtbereich. Hier sollten vornehmlich solche Lebendantigene Verwendung finden, deren Virulenzfaktoren genau untersucht und identifiziert sind und über die umfangreiche Daten hinsichtlich ihrer Variationsmöglichkeiten, sprich Revertierung zur Virulenz, vorliegen. Die Impfung eines gesunden, negativen Bestandes gegen eine bestimmte Indikation darf also nicht mit Risiken verbunden sein.

d) Herdenimmunität. Es sollte möglich sein, mit Hilfe der Verabreichung des identifizierten Erregers in inaktivierter oder attenuierter Form eine vollständige und belastbare Herdenimmunität zu etablieren. Das oberste Ziel in der Immunprophylaxe ist eine lückenlose Populationsimmunität, ohne empfängliche Subpopulationen, in denen sich Erreger ungehemmt vermehren können und somit die Infektionskette aufrechterhalten.


Bestandsspezifische Vakzinen
Bestands- oder auch tierspezifische Vakzinen (Autovakzinen), laut Baljer [5] die „ultima ratio nach erfolglosem Therapieversuch“, werden für einen bestimmten Bestand auf Basis eines definierten, meist bakteriellen Erregers, hergestellt [5]. Für diesen Einsatz im jeweiligen Bestand ist eine Verpflichtungserklärung zu unterschreiben, entsprechend der diese Vakzine ausschließlich in eben diesem Bestand eingesetzt werden darf. Ebenso besteht eine Anzeigepflicht seitens des herstellenden Institutes gegenüber dem Regierungspräsidium, in der aufgelistet wird, welcher Tierarzt für welchen Bestand welche Art von Impfstoff bekommen hat.
Da einer erfolgreichen Diagnostik eine absolut entscheidende Bedeutung zukommt, ist generell die Vorgehensweise mit dem jeweiligen Institut im Detail vor der Probenentnahme telefonisch abzustimmen.

Die Herstellung von stallspezifischen Vakzinen bedarf der Zulassung, sprich der Genehmigung seitens des Regierungspräsidiums [5] und ist an den Nachweis der entsprechenden Voraussetzungen ( Labor, Laborausstattung, wissenschaftliche Angestellte, etc.) gebunden. In dem herstellenden Labor findet keine Wirksamkeitskontrolle, sondern lediglich eine Sterilitätskontrolle statt. Die Wirksamkeitskontrolle findet vor Ort im Bestand durch Tierarzt und Tierbesitzer statt. In der Regel wird der isolierte Stamm in die institutseigene Stammsammlung eingegliedert und kann bei Bedarf nachbestellt werden.

Als Indikationen werden angeführt [5] Infektionen mit E. coli (zur passiven und aktiven Immunisierung des Ferkels), Pasteurellen, App, Bordetella bronchiseptica, Streptococcus pneumoniae, Yersinia pseudotuberculosis, Pseudomonas, Proteus, Leptospiren sowie Chlamydien.
Bei der Muttertierschutzimpfung gegen E. coli empfiehlt Baljer im Hinblick auf die Impfung im letzten Drittel der Trächtigkeit eine möglichst geburtsnahe Zweitimpfung. Die zweite Impfung dürfe nicht zu lange vor dem Geburtstermin erfolgen. Eine Impfung am Tage der Geburt hätte einen positiveren Effekt als eine Impfung 6 Wochen vor der Geburt.

Die Bedeutung bestandsspezifischer Vakzinen nimmt in folgenden Fällen stark zu:

  • wenn keine kommerziellen Vakzinen für die entsprechende Indikation verfügbar sind, häufig im Falle von Mischinfektionen (Bsp. Streptococcus suis, Typ II); 
  • beim Auftreten von Serotypen, die nicht von entsprechenden kommerziellen Vakzinen abgedeckt werden (Bsp. Clostridium perfringens Typ A); 
  • wenn die Antibiotika-Resistenzlage keine andere Wahl läßt; 
  • wenn chronische Erkrankungen vorliegen, die bisher therapeutisch durch „pulse-medication“ nicht beeinflußbar waren (Bsp. Haemophilus parasuis); 
  • wenn Infektionen vorliegen, von denen bekannt ist, daß sie antibiotisch kaum beherrschbar sind (Bsp. Staphylococcus hyicus); 
  • außerdem sind die Kosten für die Herstellung meist relativ niedrig.


Im Geflügelbereich, dessen Produktionsbedingungen sich die Schweineproduktion langsam aber sicher annähert, nimmt der Einsatz stallspezifischer Vakzinen, häufig sogar polyvalenter stallspezifischer Vakzinen, ebenfalls stark zu. Auf dem Fachgespräch für Geflügelkrankheiten vom 04.-05. 11.1999 wurde, basierend auf Untersuchungen über Vorkommen und Verbreitung von Influenzaviren bei Puten, die gesamte Region Weser-Ems als „ein einziger, großer Stall“ bezeichnet und infolgedessen von „Region-spezifischen“ Vakzinen gesprochen.

Der vielfach beobachtete, positive Effekt nach Einsatz stallspezifischer Vakzinen resultiert sicher nicht alleine aus der homologen, spezifischen Immunantwort auf das in der Vakzine enthaltene Immunogen. Neben dieser spezifischen Reaktion kommt es zu einer unspezifischen Stärkung der körpereigenen Abwehr mit einer Umstellung des Organismus [5]. Done [6] geht sogar soweit, daß er z. B. im Falle von Haemophilus parasuis (mehr als 15 verschiedene Serovare!) eine Kreuzimmunität der Autovakzine (inaktivierter Booster) im Zusammenspiel mit der im Bestand weiter ablaufenden Feldinfektion (Lebendantigen) vermutet.


Kommerzielle Vakzinen
Derzeit sind etwa 90 Sera und Impfstoffe für die Anwendung beim Schwein zugelassen, die meisten gegen bakterielle oder virale Allgemeinerkrankungen sowie gegen Atemwegs- infektionen. Sie lassen sich unterteilen in Lebendvakzinen und inaktivierte oder 
(Tot-) Vakzinen (Toxoidimpfstoffe, Spaltvakzinen und Subunitvakzinen).

Relativ erfolglos verliefen bisher die Bemühungen zur Entwicklung kommerzieller Vakzinen zur aktiven Immunisierung gegenüber Infektionen des Magen-Darm-Traktes. Hier überwiegt nach wie vor die passive Schutzimpfung der Neonaten via Muttertiervakzination ante partum. Neuere Entwicklungen betreffend das coating von nicht-infektiösen, rekombinanten Subunit-Vakzinen im Hinblick auf eine gefahrlose Magenpassage, speziell auf die Mukosa des Gastrointestionaltraktes abgestimmte Adjuvantien sowie Vektorimpfstoffe auf Basis von Adenoviren geben Anlaß zur Hoffnung (Übersicht bei [7]).

Die durch den Einsatz von Lebendimpfstoffen hervorgerufene Immunität ist komplexer als die durch die Verabreichung von inaktivierten Immunogenen, da es im ersten Fall zu eine Stimulierung sowohl der zellulären wie auch der humoralen Immunität kommt. Der ausgesprochen positive Effekt einer inaktivierten Boosterimpfung auf eine vorausgegangene Lebendimpfung ist aus der Geflügelpraxis hinlänglich bekannt. Dort finden mit wenigen Ausnahmen die Grundimmunisierungen mit Lebendimpfstoff statt, auf die inaktivierte Boosterimpfungen folgen.

Daß eine gleichzeitige Verabreichung von Lebend-und Totimpfstoff in einer Impfdosis einen durchaus positiven, synergistischen Effekt bewirken kann, sozusagen die Vorteile beider Impfstoffe in sich vereint, beobachtete die Arbeitsgruppe von Pensaert bereits 1994 [8] bei der Impfung gegen die Aujeszky´sche Krankheit (AK): die gleichzeitige Verabreichung von Lebendantigen mit inaktivierten, o/w-adjuvierten Glykoproteinen (als Lösungsmittel) erbrachte einen bis dato nicht erreichten virologischen Schutz, gemessen an der Reduktion der Ausscheidung von Challengevirus. Leider wurde diese außergewöhnliche Wirksamkeit nur bei Ferkeln beobachtet, die gegen AK in Abwesenheit maternaler Antikörper geimpft worden waren und konnte bei der Impfung maternal seropositiver Tiere nicht in diesem Ausmaß festgestellt werden.
Diese Beobachtung wurde jedoch im Rinderbereich von unserem Hause weiter bearbeitet und führte im Sommer 1999 zur Zulassung einer IBR-Vakzine durch Merial in den U.S.A., die in einer Impfdosis inaktivierte und attenuierte IBR-Immunogene enthält [9].

Notwendigerweise, d.h. sowohl aus Gründen des Tierschutzes (zur Vermeidung eines „Nadelkissensyndromes“ bei den Sauen) als auch aus wissenschaftlichen und organisatorischen Gründen, ist ein Trend bei der Impfung eindeutig hin zur Auswahl von polyvalenten Kombinationsimpfstoffen Parvo + Rotlauf, Aujeszky + Influenza, E. coli + Clostridien, etc., zu verzeichnen. Diese Impfstoffe werden nach bestehenden Vorschriften der Europäischen Pharmakopöe entwickelt, geprüft und zugelassen und sind in ihrer Wirksamkeit absolut identisch mit den meist von denselben Firmen angebotenen Monoimpfstoffen [10,11]. Anders lautende Empfehlungen aus der Praxis, die von einer im Feld beobachteten, überlegenen Wirksamkeit der Monoimpfstoffe berichten, sind somit nicht zutreffend.

Solche Kombinationsvakzinen sind das Ergebnis langjähriger Versuchsreihen. Wie bei den oben beschriebenen Kombinationen synergistische Interferenzen auftreten, so können natürlich auch beim Zusammengeben verschiedener Antigene kompetitive Effekte auftreten.
Infolge des Phänomens der so genannten (intermolekularen) Antigenkonkurrenz ist es nicht möglich, einfach Vakzine A mit Vakzine B zu mischen und davon auszugehen, daß eine Dosis der jetzt neu entstandenen Vakzine C den für die jeweilige Monovakzine bestehenden 
Wirksamkeitsanforderungen entspricht. 

Eine solche Konkurrenzsituation zwischen einzelnen Antigenen kann auftreten bei:

1. der Kombination von zu vielen Antigenen;
2. unterschiedlicher Immunogenität zweier Antigene, meist bedingt durch Größe bzw. Volumen;
3. als Konkurrenzsituation zwischen zwei Viren im Rahmen der Synthese von Nachkommenvirus in permissiven Zellen.

So hatte z. B. die Untersuchung von Kohl [10] betreffend die Möglichkeit einer Mischung von bis zu vier Impfstoffen (Impfstoffe gegen die Aujeszky´sche Krankheit, Influenza, Parvovirose und Rotlauf) als Ergebnis, daß der meßbare Antikörpertiter bei jeder zusätzlichen Komponente (insbesondere Viruskomponente) im Vergleich zur ausschließlich verabreichten Monovakzine abfiel. Je mehr also in einem Reaktionsgefäß zusammengemischt wurde, desto niedriger fielen die meßbaren Antikörpertiter aus. Die einzige Komponente, die von jeder zusätzlichen Mischung profitierte, war die Rotlaufkomponente.


Gründe für den zunehmenden Einsatz von Impfstoffen
„Vaccination is more than handling a syringe“ [12]. Dieses Zitat von Van Oirschot, Universität Utrecht, dem Inhaber des nach unserem Kenntnisstand einzigen Lehrstuhles für Vakzinologie, stellt die Impfung als tierärztliche Entscheidung basierend auf Diagnostik, Auswahl der Vakzine, Etablierung eines auf den Bestand zugeschnittenen Impfschemas, etc. eindeutig als hochqualifizierte, tierärztliche Tätigkeit dar. 
Eine ähnliche Bewertung erhalten Vakzinen in der Humanmedizin. Nach Kaufmann [13], Direktor am Max-Plank-Institut für Infektionsbiologie in Berlin, ist „der weltweite Kampf gegen Seuchen (...) ohnehin nicht mit Medikamenten zu gewinnen, die erst Kranken gegeben werden. Wichtig ist vielmehr der Infektionsschutz durch Impfungen. (...). Impfstoffe gegen Bakterien und Viren werden im nächsten Jahrhundert zu den wichtigsten Medikamenten zählen.“

Vakzinen sind unverzichtbare Instrumente in der tierärztlichen Bestandsbetreuung. Im Rahmen der anfangs beschriebenen Konzentrationsvorgänge kommt ihnen hinsichtlich der Absicherung großer Bestände in Regionen mit hohen Populationsdichten eine vorrangige und zunehmende Bedeutung zu. Dies kann je nach Indikation erreicht werden durch eine Bestandsimpfung („Stichtagsimpfung“) oder durch eine akribisch durchgehaltene und kontrollierte Gruppenimpfung, die jedoch immer mehr oder weniger mit dem Risiko des Bestehens von Subpopulationen verbunden ist. 

Die Gründe für einen zunehmenden Einsatz von Vakzinen sind:

Kosten. Präventivmedizin läßt sich im Hinblick auf den Kosten-Nutzen-Effekt innerhalb der Nutztierhaltung immer preisgünstiger darstellen als kurative Notfallmedizin.
Leistungsminderung. Auch bei erfolgreicher antibiotischer Therapie ist in der Regel eine völlige Wiederherstellung des geschädigten Organsystems nicht erreichbar. Entsprechende Defizite bezüglich der körperlichen Entwicklung v. a. im Falle von Lungenerkrankungen infolge Störungen der Ventilation, Diffusion sowie Perfusion sind vorprogrammiert, so daß z. B. die Mastleistung eines Tieres mit intakter Lunge nicht mehr eingeholt werden kann.
Virusinfektionen. Zur Prophylaxe viraler Infektionen gibt es in der tierischen Veredelung keine medikamentellen Alternativen.
Resistenzsituation. Der landwirtschaftliche Nutztierbereich (wie auch die Humanmedizin) ist mit einer Zunahme von Multiresistenzen gegenüber bakteriellen Erregern konfrontiert.
Verfügbarkeit von Antibiotika. Die Palette derjenigen Antibiotika, die für die Anwendung bei Tieren zugelassen sind, die der Lebensmittelgewinnung dienen, wird von der EU laufend dezimiert.
Zulassung. Im Vergleich zur Entwicklung einer völlig neuen, antibiotisch wirksamen Substanz zur Marktreife bzw. Zulassungsfähigkeit, ist es vergleichsweise einfacher, Antigene zu charakterisieren und zu typisieren, ihre Virulenzfaktoren und immunogenen Determinanten zu erforschen und einen Impfstoff zu entwickeln.
Rückstandsproblematik. Das Problem der Antibiotikarückstände in Lebensmitteln tierischer Herkunft gewinnt immer mehr an Bedeutung.
SEW-Verfahren. Die Ergebnisse der nun schon einige Jahre in den U.S.A. durchgeführten Frühabsetzverfahren („Segregated Early Weaning“) zeigen, daß es im Gegensatz zum medikierten Frühabsetzverfahren (MEW, „medicated early weaning“) möglich ist, durch die gezielte Impfung von Jungsauen und Sauen ante partum ihre Ferkel bis zum Absetzzeitpunkt gegen eine ganze Reihe von Infektionen kolostral abzusichern. 
Markerimpfstoffe. Mit ihrer Hilfe können geimpfte von infizierten Tieren unterschieden und entsprechende Eradikationsprogramme initiiert werden. Bestes Beispiel ist die (fast) erreichte Tilgung der Aujeszky´schen Krankheit.


Markerimpfstoffe
Grundsätzlich können Impfstoffe mit Positiv-Markern oder mit Negativ-Markern versehen werden [Übersicht bei 14]. Bei Positiv-Markern geschieht dies durch das Einbringen spezifischer, genetischer Veränderungen (Mutationen) in das Impfvirus (Impfantigen) und ihren Nachweis durch Genomanalyse. Sie sind z. B. dann sinnvoll, wenn ein Nachweis für eine Impfung erbracht werden soll. Dies würde sich derzeit zumindest theoretisch im Falle der Impfung gegen M. hyopneumoniae anbieten, da oftmals bei den Mästern, die für die beiden vorausgegangenen Impfungen der Ferkel zahlen müssen, Zweifel bestehen, ob die Impfung tatsächlich durchgeführt worden ist. 

Die weiter unten besprochenen DNA-Vakzinen stellen dadurch, daß es zu einer ausschließlichen, gezielten Expression bestimmter Proteine kommt, per se einen Marker-Impfstoff dar.

Bei negativ-markierten Vakzinen fehlt ein definierter Bestandteil gegenüber dem Felderreger, was sich in einem reduzierten Antikörperspektrum, verglichen mit demjenigen nach Feldvirusinfektion, niederschlägt. Diese Art von Markierung ist in infektionsmedizinischer Hinsicht die wesentlich wichtigere Markierung. Das klassische Beispiel hierfür ist der gE-Marker bei avirulenten Aujeszkyvirus-Stämmen, der 1985 von Mettenleiter et al. beschrieben worden ist [15]. 
Ein solcher Negativ-Marker ist in erster Linie angezeigt bei Erregern, die sich im befallenen Wirt in ein Latenzstadium zurückziehen können, wie dies z. B. bei Herpesviren der Fall ist. Solchermaßen infizierte Tiere stellen als Carrier-Tiere ein permanentes Infektionsrisiko dar, da theoretisch jederzeit eine Reaktivierung und Ausscheidung des Erregers möglich ist.

Erfolg wie auch Mißerfolg jeglicher Art von Markierung hängen von der Zuverlässigkeit (Spezifität und Sensitivität) des begleitenden Testsystems, in der Regel eines ELISAs, ab. Die Vergangenheit hat gezeigt, daß gerade die im Rahmen einer praxisreifen Entwicklung dieser ELISA-Systeme anfallenden Schwierigkeiten immer wieder deutlich unterschätzt wurden.Zu diesem Kapitel sei die abschließende Bemerkung erlaubt, daß durch die Einführung eines Markers (Deletion) auch durchaus die Wirksamkeit einer Vakzine leiden kann, wenn z. B. das deletierte Glykoprotein der Virushülle als Virulenzfaktor einen nicht unerheblichen Beitrag zur Wirksamkeit lieferte. Man verfügt dann über eine hübsche Marker-Vakzine, die jedoch an die Immunogenität des nicht-deletierten Parentalstammes nur nach mehrmaliger Applikation heranreicht. 
Viren sind nun einmal das Endprodukt eines langen, evolutionären Prozesses mit hohem Selektionsdruck. Man darf annehmen, daß sie nichts mit sich herumtragen, was sie innerhalb diese Prozesses nicht wirklich benötigen.


Anforderungen an „die perfekte Vakzine“ im Schweinebereich
Wenn man versucht, das bisher Gesagte im Hinblick auf die Kreation einer perfekten Vakzine für Schweine umzusetzen, ergibt dies eine Liste folgender Kriterien:

1. Preis
2. Verträglichkeit (keine oder nur geringgradige Lokal- oder Allgemeinreaktionen post vaccinationem), auch bei trächtigen Tieren in allen Trächtigkeitsstadien einsetzbar
3. Wirksamkeit: Induzierung einer belastbaren humoralen und zellulären Immunität
4. Polyvalente Wirksamkeiten von Kombinationsvakzinen
5. Immunitätsdauer (möglichst lange)
6. Keine oder nur sehr kurze Ausscheidung des Impfvirus im Falle von Lebendimpfstoff
7. Risikominimierung: kein Erkrankungsrisiko beim Einsatz im bisher seronegativen Bestand
8. Keine Wartezeit (weder Injektionsstelle noch Ganzkörper) 
9. Keine Rückstände des Adjuvans an der Applikationsstelle
10. Kombinierbarkeit mit anderen Vakzinen
11. Mischbarkeit mit anderen Vakzinen
12. Applizierbarkeit: leicht und überall am Schwein zu applizieren
13. Marker, der problemlos nachweisbar sein sollte (serologisch, Hauttest, etc.)
14. Lange Laufzeit der Charge
15. Lange Haltbarkeit nach Anbruch des Behältnisses (In-use-shelflife)
16. Robustheit hinsichtlich der Lagerungs- und Transportfähigkeitfähigkeit (relative Unempfindlichkeit gegenüber Temperaturschwankungen)

Eine ganze Reihe dieser Punkte wären - zumindest theoretisch - bereits heute erfüllbar durch den Einsatz von DNA–Vakzinen. Die DNA-Immunisierung basiert auf dem seit Anfang der 80iger Jahre bekannten Prinzip, daß injizierte Fremd-DNA von Zellen aufgenommen und ihre Genprodukte exprimiert werden können [Übersicht bei 16 und 17]. Diese „historische DNA-Injektion“ hatte als Ziel weniger eine Immunisierung als vielmehr die gentherapeutische Beeinflussung des Organismus quasi als Reparatur genetisch bedingter Zelldefekte auf molekularer Ebene. 
Auf diese Genprodukte wiederum kann der Körper mit der Auslösung einer sowohl zellulären als auch humoralen Immunantwort reagieren. Aufeinanderfolgende DNA-Inokulationen führen nach Czerny zu einem „Booster“ der Immunantwort. Bei Mäusen soll die nach DNA-Injektion schützende B-Zell-Antwort sogar lebenslang bestehen bleiben.
Der entscheidende Vorteil scheint jedoch in einer intensiven Stimulierung der T-zellulären Immunantwort zu liegen (CTL-Antwort): „ Die Induktion spezifischer Antikörper gegen Oberflächenproteine kann vor homologen Viren schützen, während die zellvermittelte Immunität auf der Basis konservierter Proteine zusätzlich auch vor heterologen Viren und antigenetischen Veränderungen schützt“ [17]. Ein entsprechender Nachweis liegt bereits im Falle einer DNA-Impfung gegen homologe und heterologe Influenzaviren vor [18].

Die für die Immunisierungsvorgänge ausgewählten Gene werden in eukaryontische Expressionsplasmide kloniert. Daneben kämen als Vektoren für DNA-Vakzinierung noch virale Vektoren, z. B. Adenovirus-Vektoren oder retrovirale Vektoren in Frage. Die Vorteile von Immunisierungen über Plasmid-Vektoren – schnelle Herstellung, geringer Aufwand, geringe Eigenimmunität, etc., überwiegen jedoch gegenüber viralen Vektoren. 

Nach Transformation von Bakterien werden diese vermehrt, wodurch es zu einer Amplifikation der Plasmid-DNA kommt. Diese so gewonnenen Plasmide werden nach Isolierung und Reinigung mittels verschiedenster Injektionstechniken injiziert. Als Zielgewebe kommen die unterschiedlichsten Organsysteme in Betracht: quergestreifte Muskulatur, Haut, Blutgefäße, das Peritoneum. Das „injizierte“ Gen gelangt durch die Zellmembran in die Zelle, erreicht den Nukleus, wird dort transkribiert [17] und es kommt zur Synthese von Fremdprotein (Langzeitexpression). 
Ähnlich den Adjuvanzien bei der Herstellung herkömmlicher Vakzinen ist es möglich, die Immunogenität von DNA-Sequenzen zu steigern, indem man im Plasmid die ausgewählte DNA-Sequenz an bestimmten Stellen mit einer bestimmten Purin- bzw. Pyrimidin-Sequenz flankiert [19]. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, Gene für Zytokine in dasselbe oder ein extra beigemischtes Plasmid einzubauen [19]. Solche Zytokine sind in der Lage, entweder zellvermittelte Immunreaktionen zu intensivieren oder über sog. TH-2-Zellen die humorale Immunantwort bevorzugt zu stimulieren.


Vorteile einer DNA-Vakzinierung
Nach Czerny [17] lassen sich die Vorteile der DNA-Vakzinierung für die Impfstoffproduktion im Vergleich zu konventionellen Lebend- und Totimpfstoffen folgendermaßen zusammenfassen:

a) Schnellere Vakzine-Entwicklung
b) Herstellung von Kombinationsvakzinen bzw. Multiantigenvakzinen
c) Vakzine-Entwicklung ist nur bei exakt bekannten Sequenzdaten möglich
d) Billigere und schnellere Vakzine-Produktion
e) Reinigung der Impfantigene entfällt
f) Adjuvanzien werden zur Impfung nicht mehr benötigt
g) Hohe Stabilität der DNA
h) Geringe Mengen an DNA (Langzeitexpression !) zur Impfung ausreichend
i) Genprodukte werden korrekt exprimiert
j) Genprodukte werden korrekt glykosyliert und gefaltet
k) Höhere Effektivität der Impfung
l) Hervorragende CTL-Induktion (zytotoxische T-Lymphozyten)
m) Durchbrechen der immunologischen Toleranz (Tumortherapie)
n) Breiterer Schutz gegenüber „antigener Drift“ (Influenza)
o) Größere Sicherheit: auch bei immunsuppressiven Organismen einsetzbar.

Neben dieser beeindruckenden Liste von Vorteilen gibt es natürlich auch eine Liste von nicht unerheblichen Kritikpunkten:

a) Der eigentliche Wirkungsmechanismus (Aufnahme der DNA in die Zellen) ist noch weitgehend unbekannt;
b) Stabilität und Form der Persistenz der DNA in der Zelle sind noch weitgehend unklar;
c) Gefahr einer voreiligen (zu euphorischen) Interpretation der immunologischen Daten;
d) Negativ-Konsequenzen einer Langzeitexpression (Entwicklung von Toleranz, Autoimmunität, Hyperimmunität, Autoaggression);
e) Erzeugung von anti-DNA-Antikörpern;
f) DNA-Integration ins Wirtsgenom (Insertion von aktiven Onkogenen, Deaktivierung von Onkogen-Suppressor-Genen, etc.).

Grundsätzlich werden drei verschiedene Applikationsmodi unterschieden [17]:

1. Die herkömmliche, intramuskuläre oder subkutane Injektion in verschiedene Muskeln und Muskelgruppen mittels klassischer Spritze und Nadel.

2. Die „Jet-Injektion“, die Verabreichung der DNA - Lösung als „Strahl“, also unter hohem Druck, in ausgewählte Gewebe (Muskelgewebe, Milchdrüse, Haut).

3. Die Verabreichung mittels „Gene Gun“ als sog. „Particle Bombardement“: hierbei wird die gereinigte DNA auf ca. 0,6 bis 1,6 m Goldpartikel adsorbiert und vorwiegend in die Haut (Epidermis) inokuliert. Die Eindringtiefe ist hierbei auf 10 bis 20 Zelllagen beschränkt. Für eine ausreichende Immunantwort ist eine mehrmalige Applikation notwendig.

Diese letztere, alternative Applikationsmethode in die Haut gewinnt sichtlich an Bedeutung. 
Die Haut eines Säugetieres stellt mehr dar als eine passive Schutzhülle, sie ist ein aktives und integrales Element des Immunsystems [20, 21, 22]: in die Haut applizierte DNA wie auch inaktiviertes und vermehrungsfähiges Antigen induzieren eine zelluläre wie eine humorale Immunantwort. Neben Langerhans-Zellen befindet sich noch eine beeindruckende Zahl der T-Zell-Population des Organismus als sog. „homing T-cells“ oder „resident T-cells“ in der Haut und prädestinieren mit diesem enormen immunologischen Potential die Haut geradezu als Zielorgan für Immunisierungsvorgänge. 

Referenzen

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2. Done, S., Pig Progress Special, Resp. Dis., 4-7, June 1999.
3. Ludwig, S. et al., Virology, 202, 281-286, 1994.
4. Wood, G. W., Avian Pathol., 26, 347-355, 1997.
5. Baljer, G., Vortrag im STVUA Koblenz am 24.11.1999.
6. Done, S., Pig Progress Special, Resp. Dis., 34-36,1998.
7. Saif, L., Pig Progress Special, Enteric Dis., 26-28, June 1999.
8. Vynckier, A. et al., Proc. of the 6th IPVS Congress, Bangkok, 66, 1994.
9. Anonymous, Animal Pharm, 433, November 19th , 16, 1999.
10. Kohl, A., Vet. Med. Diss., Hannover 1995.
11. Ritzmann, M., Vet. Med. Diss., München 1998.
12. Van Oirschot, J. T., Pig Progress, 15, 4, 14-17, 1999.
13. Stollorz, V., Die Woche, 26.02.1999, 22-23.
14. Mettenleiter, T.C., Vortrag BbT-Kongress Erfurt, Mai 1999.
15. Mettenleiter, T.C. et al., J. Virol., 56, 307-311, 1985.
16. Gerdts, V., Vet. Med. Dissertation, Hannover, 1997.
17. Czerny, C.P., 1999, unveröffentlicht. 
18. Ulmer, J.B. et al., Science, 259, 1745-1749, 1993.
19. Weiner D. B. und Kennedy, R.C.: Spektrum der Wissenschaft, 10/1999, 52-60.
20. Edelson, R. L. and Fink, J.M., Sci. Am., June, 34-41, 1985.
21. Bos; J.D. and Kapsenberg, M.L., Immunol. Today, 7, 235-240, 1986.
22. Vannier, P. and Cariolet, R., J. Vet. Med. B, 36, 515-526, 1989.

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