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PRRS- Neue Impfstoffe- Neue Konzepte?

Dr. Reinhold Heggemann, Tellingstedt 

Nachdem jahrelang lediglich nur ein Impfstoff gegen PRRS zur Verfügung stand, gibt es nun verschiedene Alternativen. Ob und welche neuen Impfstrategien daraus resultieren, erläutert Dr. Reinhold Heggemann, Tellingstedt:

Auch gut zehn Jahre seit Auftreten der ersten PRRS-Fälle in Deutschland hat diese Erkrankung nach wie vor nichts von ihrer Bedeutung verloren. Insbesondere im Zusammenhang mit dem Auftreten des Circovirus Typ 2, das für das sog. PMWS-Syndrom verantwortlich gemacht wird, erlangte die PRRS-Thematik neue Aktualität. Da in absehbarer Zeit kein Impfstoff gegen Circoviren beim Schwein zur Verfügung stehen wird, muss die Bekämpfung der PRRS - im Hinblick auf Impfprogramme - vorrangiges Ziel bleiben.

Nun werden sich Tierärzte und Landwirte gleichermaßen daran erinnern, dass die Anwendung des 1996 einzig verfügbaren Impfstoffes durchaus in einigen Betrieben Deutschlands oder in Dänemark nicht immer nur reibungslos verlief. In einigen Fällen wurde sogar eine negative, krankmachende Wirkung des Impfstoffes diskutiert, die teilweise zur sofortigen Einstellung der Impfung geführt haben. Von anaphylaktischen Schockreaktionen, verstärkten klinischen PRRS- Symptomen, Fragen der Rekombination zwischen Feldvirus und Impfvirus bis hin zu euphorischen Erfolgsmeldungen war damals das ganze Spektrum der Meinungsvielfalt vertreten. Die Darstellung der verschieden Aspekte und Gründe für den damals erfolgreichen oder nicht erfolgreichen Impfstoffeinsatz soll hier nicht versucht werden. Nach mehr als 5-jähriger Erfahrung in Deutschland mit der Lebendvaccine von Boehringer Ingelheim Vetmedica und weltweit mehr als 200 Millionen eingesetzten Impfdosen muss eindeutig von einem sicheren Impfstoff gesprochen werden. Entscheidend ist der fach- und termingerechte Einsatz. Dies gilt natürlich ebenso für die jetzt neu zur Verfügung stehenden Impfstoffe. In der Tabelle 1 finden sie eine Übersicht der derzeit verfügbaren PRRS-Impfstoffe mit ihren wesentlichen Merkmalen. 

Tab.1



Aus der Zusammensetzung und Zulassung der Impfstoffe ergeben sich unterschiedliche, generelle Aspekte bezüglich der praktischen Anwendung:


1. Lebend- oder Totimpstoff:
Erreger aus Lebendimpfstoffen können prinzipiell vom Impfling ausgeschieden werden, andere Tiere infizieren und im schlimmsten Fall mit vorhandenen Felderregern reagieren; sprich es bildet sich eine neue, möglicherweise krankmachende Virusvariante. Diese Möglichkeit ist nach aller praktischer Erfahrung mehr hypothetischer Natur, aber prinzipiell möglich. Aufgrund der Ausscheidungsmöglichkeit von Lebendimpfstoffviren sollte PRRS- Lebendimpfstoff daher generell nicht in PRRS- freien Betrieben eingesetzt oder z.B. durch Tierzukauf verschleppt werden. Lebendimpstoffe hinterlassen allerdings eine „bessere“, komplexere Immunität als Totimpfstoffe. Daher ist bei Lebendimpfstoffen bereits eine Impfung als Grundimmunisierung ausreichend. Als vorteilhaft hat sich auch - insbesondere in der Geflügelproduktion liegen Erfahrungen vor - die Kombination von Lebend- und Totimpfstoffen herausgestellt. Dort werden fast ausschließlich die Grundimmunisierungen mit Lebendimpfstoff durchgeführt, auf die dann inaktivierte Folgeimpfungen gesetzt werden. 
Auch hinsichtlich der Diagnostik kann es von Bedeutung sein, ob Lebend- oder Totimpfstoff eingesetzt wurde. Darüber hinaus kommt dann noch die Frage zum Tragen, ob in dem Lebendimpfstoff der sog. US- oder EU- Stamm enthalten war.


2. US - oder EU Stamm:
Viel diskutiert wird immer wieder die Frage nach dem in der Vaccine enthaltenen Impfstamm. Gegen den US- Stamm wird immer wieder mit dem Argument zu Felde gezogen, dass dieser hier nicht „heimisch“ sei. Die Frage muss dann natürlich lauten, was eigentlich „heimisch“ bedeutet oder ist. Tatsache ist, dass sich insbesondere PRRS-Viren im Feld ständig verändern, anpassen und rekombinieren. Es gibt einfach nichtden europäischen Stamm im Feld, sondern vielmehr eine breite Variation von verschiedenen Stämmen, die sich durch DNA- Sequenzanalysen in regelrechte Stammbäume katalogisieren lassen. Ferner stammen sowohl der US- als auch der EU-Impfstamm aus den Jahren 1991/92 und beide weisen eine genetische Verwandtschaft von ca. 80 – 90 % mit Feldvirusstämmen auf. Viel entscheidender als der Übereinstimmungsgrad ist vielmehr die Frage, ob der eingesetzte Impfstoff eine belastbare Immunität (Impfschutz) hinterlässt oder nicht, und die Antwort ist sicherlich nicht nur an der Herkunft des Impfstammes auszumachen. 
Auch in diagnostischer Hinsicht gibt es Unterschiede zwischen US- und EU- Stämmen. Bei den auf die Impfung gebildeten Antikörpern gibt es außer bei dem Ingelvac® PRRS- MLV Impfstoff keine Möglichkeit der Unterscheidung zu den Feldvirusantikörpern. Der sog. IPMA Test kann Unterschiede in der Struktur des US- (Impf-) Stammes zu den europäischen Stämmen, nicht aber zwischen verschiedenen EU Stämmen aufzeigen. Diese Unterscheidbarkeit kann gerade bei der diagnostischen Abklärung von Infektionsverläufen oder Immunitätsdynamik innerhalb eines Bestandes, aber auch bei Haftungsfragen (Einschleppung von PRRS durch Tiere) von Nutzen sein. Allerdings erfährt der IPMA Test insofern eine Einschränkung, als dass er nicht bei Einzeltierproben, sondern nur bei Gruppenproben eine ausreichende Aussagekraft besitzt. 
Das Impfvirus selber kann prinzipiell bei beiden Lebendimpfstoffen aus geimpften Tieren nachgewiesen werden, wobei derzeit der Nachweis des EU- Stammes ungleich aufwendiger und teurer ist als bei dem US- Stamm. Dies dürfte aber lediglich eine Frage der Zeit sein, bis auch für den EU- Stamm ein sog. PCR- Test zur Verfügung steht (siehe Übersicht Tab. 2).

Tab. 2



3. Zulassungsbedingungen:
Große Unterschiede gibt es zwischen den Impfstoffen auch hinsichtlich der Anwendung, welche durch die Zulassungskriterien bedingt sind. Bei den beiden Lebendimpfstoffen darf der „alte“ Ingelvac® PRRS MLV Impfstoff sowohl an Ferkel ab der 3. Lebenswoche, Mastschweine, Jungsauen und Sauen verabreicht werden. Der „neue“ Impfstoff Porcilis® PRRS dagegen nur bei Ferkeln bzw. Mastschweinen im Alter von 6 – 9 Wochen. Eine Umgehung dieser Vorgaben wäre in jedem Falle illegal, da weder eine sog. Umwidmung noch anderweitige abweichende Anwendungen von der Zulassung vom Gesetzgeber toleriert werden! Die Fa. Intervet betreibt eine Erweiterung der Zulassung, mit der aber frühestens 2002 gerechnet werden kann. Diese derzeitige, relativ eng gefasste Zulassung ist ein beträchtliches Hindernis für die praktische Anwendung, da die PRRS Infektion häufig im Alter von ca. 6 Wochen stattfindet. Da jede Schutzimpfung eine Zeit von ca. 3 Wochen benötigt, um voll ausgebildet zu sein, ist eine Impfung im Alter von ca. 3 Wochen in der ganz überwiegenden Mehrzahl der Fälle der optimale Impfzeitpunkt. Sollte die Bestandsdiagnostik einen späteren Infektionszeitpunkt ergeben, steht auch einem späteren Impftermin nichts im Wege.
Die beiden Totimpfstoffe, die völlig identisch sind und sich nur im Markennamen unterscheiden (Ingelvac® PRRS KV und Progressis®), haben demgemäß auch die gleiche Zulassung. Sauen werden im Abstand von 3 Wochen grundimmunisiert und dann jeweils zwischen dem 60.-70. Trächtigkeitstag nachgeimpft. Jungsauen erhalten ebenfalls eine Grundimmunisierung im Abstand von 3 Wochen, die mindestens 3 Wochen vor der ersten Belegung abgeschlossen sein soll. Alle vier zur Verfügung stehenden PRRS- Impfstoffe haben die Gemeinsamkeit, dass sie keine Zulassung für Eber haben. Eine Zusammenfassung der Impfschemata finden sie in Tab.3.

Tab.3


4. Praktische Aspekte:
Die neuen Impfstoffvarianten ermöglichen ein wesentlich differenzierteres Vorgehen gegen die PRRS als bisher. Ausgehend von den Tatsachen, dass Impfvirus nach Einsatz von Lebendvaccinen ausgeschieden und verbreitet werden können, verbietet sich ihr Einsatz bei bestimmten Rahmenbedingungen wie z.B. PRRS-Freiheit des Bestandes oder auch in Besamungsstationen. Hier können Totimpfstoffe eine Alternative darstellen, wenn man allerdings bedenkt, dass Totimpfstoffe nicht so wirkungsvoll schützen wie Lebendimpfstoffe und die diagnostischen Möglichkeiten stark eingeschränkt werden. So kann mittels Blutprobenuntersuchung nicht mehr sicher und einfach die PRRS-Freiheit des Bestandes dokumentiert werden, da ja Antikörper durch die Impfung nachgewiesen werden, die auch nicht weiter differenziert werden können! Eine sinnvolle Einsatzmöglichkeit des neuen Totimpfstoffes kann die Impfung von Jungsauen in PRRS-freien Vermehrungsbetrieben vor der Auslieferung sein. Allerdings müsste gewährleistet sein, dass die Impfung auch tatsächlich mind. 3 Wochen vor Auslieferung durchgeführt wird. 
Inwieweit der Totimpfstoff in PRRS-positiven Betrieben die bisherigen Lebendimpfstoffe verdrängen kann, muss abgewartet werden. Zeitgenossen mit einem ausgeprägten Sicherheitsbedürfnis könnten daran Gefallen finden. Ob aber der Schutz auch bei hohem Infektionsdruck wirklich genügend ist, muss sich dann zeigen.
In Anlehnung an die Erfahrungen aus der Geflügelproduktion sind jedenfalls für die Zukunft auch Eradikationsprogramme denkbar geworden. Hier könnten Lebend- und Totimpfstoffe in sinnvoller Weise kombiniert werden, indem man z.B. durch eine Basisimmunisierung mit Lebendimpfstoff das Fundament für einen guten Immunisierungsstatus legt, um dann mit Totimpfstoff und laufender serologischer Kontrolle das Impf- und Eradikationsprogramm fortzuführen.

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