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Kurzbericht über Expertenanhörung des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft, Forsten und Naturschutz des Landtages im Plenarsaal des Landtages NRW in Düsseldorf (TAMNeuORG)

Dr. Rainer Schneichel

Wegen einer Vielzahl von Ungereimtheiten und der breiten, kontrovers geführten Diskussion für das Gesetzesvorhaben – federführend eingebracht über das Ministerium Höhn in NRW – lud der Präsident des Landtages zu einer Expertenanhörung am 21.02.02 ein.

Auffällig waren:

  • Die heraufbeschworenen Arzneimittelskandale konnten außer dem sog. „Schweinemastskandal in Bayern 2001“ nicht näher belegt werden. Vor allem ist kein Skandal aus dem Brieftaubensport bekannt. Nicht nur die Änderung des § 60 bezüglich der Brieftauben zeigt Unverständnis bei Experten und Abgeordneten, sondern ließen auch starke Zweifel an der Sinnhaftigkeit und der zusätzlich zu erwartenden Sicherheit für den Verbraucher aufkommen. Falls die Brieftauben aus dem § 60 „herausfallen“ würden, würden Arzneimittel für die anderen Heimtiere, wie z. B. Ziervögel, weiterhin zu den freiverkäuflichen Arzneimitteln gehören, da diese für Ziergeflügel eine Parallelerlaubnis haben und insofern über diesen Umweg automatisch in der Brieftaube landen würden, da freiverkäuflich!

    Der Präsident des Brieftaubenverbandes stellte auf Anfrage klar, dass eine Einbeziehung des Brieftaubenverbandes in die Beratungen nicht stattgefunden hat, dass lediglich anlässlich eines Gesprächs im MUNLV Nordrhein-Westfalen ein Papier vorgelegt wurde, das der Brieftaubenverband unterzeichnen sollte. Dies war jedoch ein äußerst merkwürdiges Vorgehen des Ministeriums. (Persönliche Anmerkung: Die Einbeziehung der tierärztlichen Verbände und Vertreter erfolgte selektiv und häufig nur mittels einer Anhörung ohne die Argumente aufzugreifen).

    Eine Ergänzung, die zusätzlich Sicherheit bedeutet, wäre im § 60 AMG hinter Brieftauben, „sofern aus ihnen nicht etwa Lebensmittel gewonnen werden“ anzufügen. 

    Die angesprochene Versanderlaubnis für Arzneimittel für Tiere nah dem § 60 AMG wird durch die Behörde erlaubt und entsprechend überwacht; wie sollte es besser sein, wenn dies wegfallen würde und die Überwachung damit ganz andere Dimensionen erreichen würde?
  • Die zusätzlich gehörten Veterinäre aus der Überwachung (Bezirksregierung, Kreisverwaltung) hielten die angestrebte Praxis mit einem Pendant zum Equidenpass für salopp ausgedrückt, „unsinnig“. 
    An mehreren Stellen konnte aufgezeigt werden, dass die jetzige Gesetzeslage 
    schon eindeutig wiederspiegelt, dass die Abgabe von Medikamenten 
    veterinärmedizinisch gerechtfertigt und nach Menge angemessen sein muss, da ansonsten bereits jetzt 3-jährige Freiheitsstrafe für den Tierarzt bzw. ein Jahr für den Landwirt droht. In vielen Fällen konnte, was auch dem Präsidenten der Bundestierärztekammer nicht bekannt war, bereits auf den ausreichenden Regelungsgehalt aus der aktuellen Gesetzeslage hingewiesen werden.
Einig war man sich auf breiter Basis, dass die mögliche, bisher aber nicht bewiesene, mikrobielle Resistenz und deren Übertragung von Tier auf Mensch zu einem sorgsamen Umgang mit Antibiotika führen muss. Des weiteren wurde auf die zwingend notwendige Möglichkeit zur „Bevorratung“ gewisser Notfall- bzw. Managementprodukte (Atemstimulans bei Neugeborenen, Eisenanwendung, Oxytocin-Anwendung etc.) hingewiesen. Dabei war man sich unter den Experten und nach der Anhörung auch bei den Abgeordneten darüber im klaren, dass für eine sinnvolle Behandlung nach Diagnosestellung durch den Tierarzt anhand von erstellten Behandlungsplänen eine entsprechende Medikation im landwirtschaftlichen Betrieb möglich bleiben muss (z. B. wiederkehrende Neugeborenendurchfall bei Kälbern oder wiederkehrende, bereit im Vorfeld diagnostizierte MMA-Erkrankung etc.). Diese Palette ließe sich um einige Punkte erweitern. 

Wiederholt wurde darauf hingewiesen, dass es keinen Grund gibt, die Fachkompetenz der Tierärzteschaft anzuzweifeln, da durch Ausbildung und erteilte Approbation sowie Erfahrung aus der Tätigkeit eines Praktischen Tierarztes in der Regel ein umfassendes Wissen vorhanden ist. Die Abgeordneten stimmten hier voll zu.

Zur Problematik der Spezialisten im veterinärmedizinischen Bereich wurde auf die Vielzahl von Fachtierarztanerkennungen hingewiesen und der Unterschied klar gemacht, dass z. B. Kleintierbesitzer die Tiere in der Regel zur Praxis des Tierarztes oder der Tierklinik, abhängig von der Entfernung, transportieren und es auch im Bereich der Pferdepraxis üblich ist, dass über weite Strecken Spezialisten mit dem Pferdetransporter aufgesucht werden. Dabei musste klargestellt werden, dass das für landwirtschaftlich Nutztiere in der Regel nicht möglich ist! In dem Zusammenhang wurde auch die enge Zusammenarbeit zwischen Landwirtschaft und Tierärzteschaft sowie die entsprechende Verankerung von Betreuungsverträgen als Grundprinzip einer guten tierärztlichen Praxis und Betreuung für die der Lebensmittelproduktion hingewiesen. 

Es kam zur Sprache, dass die biologisch dynamischen Systeme ein rasches, angepasstes Vorgehen verlangen und nicht in Form einer Positivliste von Verwaltungsbeamten erarbeitet und stark zeitverzögert aktualisiert und reguliert werden können, dies mache keinen Sinn. 

Auch der Vertreter der BfT zweifelte die Sinnhaftigkeit einer Positivliste für die Medikamentenanwendung im Rahmen der 7-Tageregelung an und hielt allenfalls evtl. die Möglichkeit einer Indikationsliste für praktikabel. 
Ergänzend zu den bereits aufgeführten Aussagen zur 7-Tagefrist konnte klar festgestellt werden und wurde auch von mir speziell argumentiert, dass das Abzählen von 1-7 vielen auch ohne Hauptschulabschluss möglich ist und damit die Sinnhaftigkeit dieser Gesetzesänderung in erster Linie in der Erleichterung der Aufgaben der Überwachungsbehörde zu sehen ist. Außerdem bestand Einigkeit darüber, dass der tierärztliche Sachverstand und der Gesundheitszustand der Tiere entscheidend ist, um eine Therapie einzuleiten sowie Therapieabläufe zu verfolgen und dass es keinen Grund gibt, den tierärztlichen Sachverstand in Zweifel zu ziehen.

Aus meiner Sicht zeigte der Vertreter der Bundestierärztekammer nicht vollen Informationsstand zum aktuellen Stand der Gesetzeslage und der weitreichenden Konsequenzen, die sich aus der vorliegenden TAMNeuORG (Bundesratsdrucksache 950/01) sowohl für Tierärzteschaft als auch Landwirtschaft ergeben werden. Auch wurde der Widerruf der tierärztlichen Hausapothekenerlaubnis kontrovers erörtert, da ein Tierarzt nach Widerruf der Hausapothekengenehmigung weiterhin Medikamente verschreiben kann. 
Dieses Rezept würde in der Apotheke eingelöst und die Medikamente kämen ebenso in den Verkehr wie bei der direkten Abgabe, dazu noch ohne Anwendungs- und Abgabebeleg! Dadurch ergibt sichin keinem Punkt eine Verbesserung des Verbraucherschutzes.
  • Ebenfalls angesprochen wurden die vor allem vom BPT geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken und entsprechende Überprüfung wurde als notwendig erachtet. 
  • Vom Vertreter des Verbandes für Tiernahrung wurde auf die Problematik Fütterungsarzneimittel, § 13- AMG-Betriebe, Spülchargen, Kontamination, Restmengen von Arzneimitteln etc. hingewiesen und dieser sieht auf Dauer außerdem durch die eintretende Zeitverzögerung bei der Belieferung erkrankter Bestände und die Änderung im Umsatzsteuerrecht einen massiven Rückgang der Nachfrage nach Fütterungsarzneimitteln. In diesem Zusammenhang wird von dem 
    Vertreter der Tiernahrungsmittelindustrie auch angezweifelt, ob überhaupt genügend Mischfutterwerke bereit wären, die immensen Investitionen auf sich zu nehmen. Die Diskussion hierüber kam vor allem wegen Nachfrage mehrerer Abgeordneten bezüglich der Veränderungen im Bereich der Hofmischungen zustande. Eine Nulltoleranz wird als unmöglich angesehen.


Zum Schluss der Veranstaltung wurde sowohl von der SPD-Fraktion (Frau Irmgard Schmid MdL) und derCDU-Fraktion (Herr Uhlenberg MdL) festgestellt, dass es sich um einen unausgegorenen Gesetzentwurf handele, der weiter beraten werden müsse, der wenig praxisgerecht sei und der aktuellen Tiermedizin nicht entspreche, und dass somit ein zu schnell verabschiedeter Gesetzentwurf des Bundesrats vorliegt. 
Sie halten eine Anhörung durch die Fachausschüsse des Bundestages für erforderlich, damit Präzisierungen vorgenommen werden. Andernfalls bestehe die Gefahr, dass sich z. B. Landwirte vor Eintreffen eines Tierarztes bei der Verabreichung von Medikamenten in akuten Notfällen gesetzeswidrig verhalten müssten. 

Die Abgeordneten stellten dabei fest, dass trotz der einstimmigen Verabschiedung im Bundesrat keine Zufriedenheit mit der jetzigen Situation bestehen könne und die Gedanken und Statements, die sich im Plenarsaal ergeben haben, umgehend nach Berlin weiter gemeldet werden müssen, um den dringenden Beratungs- und Handlungsbedarf sicher zu stellen. Außerdem war von den Fraktionen der CDU, FDP und SPD zu erfahren, dass man im persönlichen Gespräch sich für eine nachhaltige und deutliche Änderung der bisher verabschiedeten Gesetzesentwürfe einsetzen will und muss.

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