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Roggen: preiswerte Alternative in der Schweinemast

Frau Luise Hagemann 

Mastschweinefütterung

Trotz starker Ertragseinbußen bei der letzten Ernte und dem Wegfall der Intervention ab 2004 wird Roggen zumindest regional weiterhin eine Rolle in der Schweinemast spielen. Was für den Roggen als Futterkomponente spricht, sagt Ihnen Luise Hagemann, Ruhlsdorf.

Die gegenwärtigen „Rahmenbedingungen” für Roggen lassen sich zunächst wie folgt skizzieren: Die Getreideernte 2003 war in einigen Regionen Deutschlands existenzbedrohend gering. Brandenburger Getreideanbauer zum Beispiel verzeichneten stellenweise Ertragseinbußen um mehr als 80 Prozent. Angesichts des Wegfalls der Intervention für Roggen ab 2004 hat sich hier zusätzlich die Anbaufläche für Roggen um mehr als ein Viertel gegenüber dem Vorjahr (rund 60 000 ha) verringert. So wirken gleichzeitig zwei Faktoren, die für dieses Wirtschaftsjahr einen geringeren Roggenüberschuss entstehen ließen, was die Entscheidung für den Roggen als Futtergetreide möglicherweise erschwert. Bereits im August 2003 prognostizierte die ZMP Bonn in Folge höherer Preise eine abnehmende Roggenverwertung über das Mischfutter(Wirtschaftsjahr 2002/03: etwa 928 000 t in Deutschland). 



Als Preisregulativ sollten jedoch die EU-Interventionsbestände an Roggen nicht unberücksichtigt bleiben, deren größter Teil in Deutschland lagert (siehe Tabelle „Getreide-Interventionsbestände”). Neben anderen Maßnahmen reagierte Brüssel mit der Freigabe von 730000 Tonnen Roggen zur Versorgung des Binnenmarktes auf die Hitzewelle und Dürre des vergangenen Sommers. Regional betrachtet wird Roggen in Deutschland in nennenswertem Umfang in Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg verfüttert. Hier sind aus traditionell positiver, praktischer Erfahrung mit Roggen im Mischfutter die Vorbehalte gegenüber seiner Veredlungseignung geringer.


Hoher Lysin-AnteilZeitgemäße Fütterungsempfehlungen basieren auf dem Wissen um ernährungsphysiologische Ansprüche von Nutztieren. Dabei rückt das reine „Komponenten-Denken” in den Hintergrund. Deshalb sollte der Futterwert des Roggens vergleichend mit anderem Futtergetreide sachlich, ohne Vorurteil eingeschätzt werden. Charakteristische Parameter für den Futterwert sind bekanntlich der Gehalt an umsetzbarer Energie, Rohprotein beziehungsweise essentiellen Aminosäuren sowie deren Verdaulichkeitskoeffizienten. Mit einem Energiegehalt von etwa 13,5 MJ ME je kg ist Roggen ein guter Energielieferant in der Schweineration. Damit nimmt er eine Mittelstellung zwischen Gerste und Weizen ein. 

Triticale ist dem Roggen im Energiegehalt nur knapp überlegen (siehe Abbildung „Energetischer Futterwert in Getreide”). Durch die biologische Variabilität innerhalb einer Getreideart, aber auch anbaubedingt, treten in der Praxis oft deutliche Abweichungen von den Tabellenwerten auf. Der Rohproteingehalt im Roggen ist dagegen relativ niedrig und wird hier nur noch von Hafer und Mais unterschritten (siehe Abbildung „Rohproteingehalt in Getreide). 





Er kann jedoch in praxi durchaus zwischen sieben und zwölf Prozent schwanken. Vor der Rationskalkulation, gerade bei Eigenmischungen, sollte deshalb keinesfalls auf aktuelle Analysenergebnisse vom eingelagerten Getreide als Berechnungsgrundlage verzichtet werden. Der Gehalt an essentiellen Aminosäuren ist jedoch der eigentlich qualitätsbestimmende Parameter für das Rohprotein bei Getreide für Nichtwiederkäuer. Typisch für den Roggen ist sein relativ hoher Lysinanteil am Gesamtprotein (siehe Abbildung „Lysin- und Methioninanteil im Rohprotein von Getreide”). 



Nicht zuletzt dadurch passt er gut in die Schweinemast. Unter Berücksichtigung der ilealen Verdaulichkeit des Lysins verfügt Roggen damit über ein dem Weizen vergleichbares Niveau von rund 2,8 g verdauliches Lysin je kg Getreide (siehe Tabelle „Verdaulichkeit der einzelnen Getreidearten”).
Legt man die geforderte Lysin-Ausstattung (brutto) eines Alleinfutters für Endmastschweine von etwa 8 g je kg zu Grunde (DLG-Empfehlung, 2002), liefert allein der Roggen bei einem 50-pro-
zentigen Rationsanteil davon 1,8 g. Eine Methionin-Ergänzung wird bei höherer Roggengabe meistens erforderlich, ist mit dem Zusatz von freien Aminosäuren im Mineralfutter jedoch kein Problem.


Gute Qualitäten


Auf dem September-Erntegespräch ’03 der Arbeitsgemeinschaft für Getreideforschung in Detmold wurdendem Roggen hinsichtlich Trockensubstanz- Gehalt, Fallzahlen, Amylogrammwerten sowie Kornausbildung Spitzennoten erteilt. Sein mittlerer Rohproteingehalt wurde laut Bundesanstalt für Getreide-, Kartoffel- und Fettforschung (BAGKF) im September 2003 sogar mit 11,9 Prozent bei 88 Prozent TS angegeben. Das heißt, bei der Deckung des Protein-, besser Aminosäurenbedarfs des Mastschweines, kann bei den Protein liefernden, teuren Futterkomponenten etwas gespart werden. Eine kurze Anmerkung zur Rohfettfraktion des Roggens: Er hat zwar nur etwa 16 g Rohfett je kg Frischmasse, jedoch ist hier der Anteil an ungesättigten Fettsäuren niedriger als bei anderen Getreidearten. Das heißt, die qualitativ geforderte Festigkeit und Oxidationsstabilität des Fettes beim Schlachtschwein wird mit höheren Roggenanteilen in der Endmast eher positiv beeinflusst. Zu beachten ist, dass roggenhaltiges Futter in der Flüssigfütterung (bei mehr als 30 % Rationsanteil) auf Grund spezieller Eigenschaften der löslichen Proteine beim Pumpen gelegentlich mehr Schaum bildet, als die Technik verkraftet. Das erschwert den Futtertransport. Dem ist durch Zusatz von etwas Pflanzenöl (0,5 bis 1 %) zur Minderung der Oberflächenspannung oder mit technischen Anpassungen (z. B. Wasserzulauf von unten, Verringerung der Rührgeschwindigkeit, Schneckenverdränger statt Kreiselpumpe) zu begegnen. Pentosane begrenzen Einsatz Getreide enthält neben den beschriebenen wertvollen Nährstoffen auch so genannte antinutritive Substanzen, die als begrenzende Faktoren für den Roggeneinsatz gelten. Stellvertretend seien hier die Nichtstärkepolysaccharide (NSP) wie Beta-Glucane und lösliche/unlösliche Pentosane genannt, für deren Verdauung Schweine keine körpereigenen Enzyme bilden (siehe Abbildung „Nichtstärkepolysaccharide und Anteile bei Getreide”). 

Der relativ hohe Pentosangehalt im Roggen (etwa 25 % davon löslich) stört bei Jungtieren – besonders bei Küken und Ferkeln – die Verdauung, da durch das Quellvermögen löslicher Pentosane die Viskosität des Darminhaltes steigt, die Durchflussrate sinkt und die Konsistenz der Exkremente klebrig wird. NSP-spaltende Enzyme als Futterzusatz sowie höhere Roggengaben erst mit zunehmendem Alter verhindern diese unerwünschten Effekte jedoch in der Regel. So kann der Anteil in der Ration von Mittel- und Endmastschweinen durchaus 50 Prozent betragen, eine bedarfsgerechte Aminosäurenversorgung vorausgesetzt. Hinsichtlich des Mykotoxingehaltes ist Roggen positiv zu bewerten. Bundesweite Untersuchungen im Rahmen der besonderen Ernteermittlung der BAGKF und des Institutes für Biochemie von Getreide und Kartoffeln in Detmold belegen die meist deutlich geringere Fusarientoxin- Belastung (Zearalenon, Deoxynivalenol/ DON) bei Roggen, verglichen mit anderem Getreide innerhalb eines Jahrganges.
 

Kostengünstige Komponente


Der Mutterkorngehalt im Roggen von 2003 war laut BAGKF mit 0,17 Prozent höher als 2002 (0,15 %).Obwohl die Angaben nur von Mühlen verarbeiteten Roggen betreffen, setzt diese Tendenz ein Achtungszeichen für den zu verfütternden Roggen. Mit sorgfältiger Qualitätskontrolle und bei Bedarf veranlasster Getreidereinigung sollte der Grenzwert von maximal 1 g Mutterkorn je kg Futter (!) einzuhalten sein. Abschließend soll an Hand zweier einfacher, vergleichbarer Rationen für Mastschweine demonstriert werden, dass – gemessen am Gehalt von verdaulichem Lysin und umsetzbarer Energie – der Futterwert von Roggen auch unter den gegenwärtigen Marktbedingungen unterschätzt ist (siehe Tabelle „Beispiel für die Preiswürdigkeit von Roggen in der Schweinemast”). 




In dem Beispiel führt die Kalkulation zu einem Grenzpreis für Roggen von 9,55 € je dt (ohne MwSt). Das heißt, erst bei diesem Roggenpreisniveau bietet Ration 2 keinen Preisvorteil mehr gegenüber Ration 1. 

Fazit: Aufgrund seiner Charakteristika ist Roggen für das Schwein eine ausgezeichnete, wettbewerbsfähige Futterkomponente.










Nicht zuletzt erhärtet durch die positiven Versuchsergebnisse mit roggendominierter Getreidemast sind die in der Tabelle „Einsatzempfehlungen für Roggen” aufgeführten Rationsanteile in der Schweinefütterung zu empfehlen.
 
Unsere Autorin Luise Hagemann arbeitet als Fütterungsreferentin im Landesamt für Verbraucherschutz und Landwirtschaft
  

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