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PMWS in der Ferkelaufzucht - wie kann die Fütterung "helfen"?

Dr. Heinrich Kleine Klausing - deuka Deutsche Tiernahrung GmbH & Co. KG Düsseldorf 

Sie werden einfach nicht geringer, die Probleme mit PCV2 (Circoviren). Nach wie vor sind in der Ferkelaufzucht vieler Sauenbetriebe Bilder wie blasse Haut, raues Haarkleid, breiige Durchfälle bei einzelnen Ferkeln, Abmagern, Kümmern und Auseinanderwachsen von nach dem Absetzen ausgeglichenen Würfen an der Tagesordnung. Diese unter dem Begriff "PMWS" zusammengefassten Symptome lassen auch immer wieder die Frage entstehen, ob, und wenn ja wie, über die Fütterung helfend eingegriffen werden kann. Eines ist zunächst vorauszuschicken: Futter und Fütterung können weder eine Infektion mit Circoviren verhindern noch eine bestehende Infektion beseitigen. Und Mängel in Management, Haltung oder Klimagestaltung können ebenso nicht ausgeglichen werden. In diesem Beitrag sollen daher die Möglichkeiten der gezielten Unterstützung von Immunantwort und Verdauung bei Sau, Ferkel und betroffenen Mastschweinen näher betrachtet werden. 


Kolostralmilch gegen PMWS? 
Die Frage nach der gezielten Unterstützung der Widerstandskraft der Ferkel darf nicht erst beim Absetzen gestellt werden. Die Ferkel erhalten ihren ersten Schutz über die Kolostralmilch der Sau. Die Immunglobuline bilden den Hauptanteil des Kolostrumproteins. Die Fähigkeit der Ferkel, diese Abwehrstoffe aus dem Darm zu absorbieren, fällt bereits sechs Stunden nach der Geburt deutlich und ist spätestens nach 24 Stunden beendet. Wenn die Ferkel nun nicht ausreichend Kolostrum erhalten oder die Konzentration an Immunglobulinen in der Kolostralmilch zu gering ist, wirkt sich das direkt auf die Konzentration dieser Stoffe im Blut der Ferkel bis nach dem Absetzen aus. Dieser in Großbritannien und Irland näher untersuchte Zusammenhang ist in der Abbildung 1 dargestellt. 



Ferkel mit einer sehr guten Kolostrumversorgung (Quantität und Qualität) hatten selbst nach 40 Lebenstagen noch eine deutlich höhere Konzentration an Immunglobulinen im Blut als Ferkel mit durchschnittlicher oder schlechter Versorgung. Und hier besteht ein enger Zusammenhang mit der Häufigkeit und dem Schweregrad von PMWS-Symptomen nach dem Absetzen. In schlecht mit Kolostralmilch versorgten Würfen können nach dem Absetzen Verluste von bis zu 80 % auftreten, während in gut versorgten Würfen keine bis niedrige Verluste festgestellt werden. Das sind Beobachtungen, die sich auch mit unseren Erfahrungen in Deutschland decken. Die Häufigkeit von PMWS-Symptomen und damit verbundene Verluste streuen zwischen einzelnen Würfen deutlich. Die britischen Fachleute leiten aus ihren Untersuchungen ab, dass Ferkel mit einer Konzentration an Immunglobulinen unter 40 mg je ml Blut (mit "PMWS" gekennzeichnete Linie in der Graphik) eher von allgemeinen Erkrankungen und PMWS-Symptomen betroffen sind. Es lohnt sich also, Qualität und Quantität des Kolostrums zu optimieren und dafür zu sorgen, dass jedes Ferkel die gleiche Chance erhält, ausreichend Kolostralmilch aufzunehmen. Neben bekannten Maßnahmen in der Geburtsvorbereitung und dem Wurfmanagement (Geburtssynchronisation, Wurfausgleich) kann über die Fütterung die Immunantwort der Sauen gezielt unterstützt werden. Amerikanische Praxisuntersuchungen in einer Farm mit gut 1000 Sauen zeigen, dass durch die Ergänzung des Sauenfutters mit prebiotischen Oligosacchariden die Konzentration an Immunglobulinen in der Kolostralmilch signifikant erhöht werden kann. Bei nicht unterschiedlicher Zahl lebend geborener Ferkel je Wurf waren in der Prebiotikagruppe die Verluste während der Laktation signifikant niedriger. Das durchschnittliche Absetzgewicht je Ferkel war nach 21 Säugetagen um 300 g gesichert höher. Weitere Untersuchungen bestätigen diese Ergebnisse. Eine verbesserte Immunglobulinversorgung über die Sauenmilch und der dadurch verbesserte Immunstatus waren maßgeblich für die ermittelte bessere Gewichtsentwicklung der Saugferkel.


Bereits in der Aufzucht Phasenfütterung
Die Möglichkeit, Ferkel über die Fütterung unter immunsuppressivem Infektionsdruck mit Circoviren gezielt zu unterstützen, hört nicht mit dem Absetzen auf. An erster Stelle steht die bedarfsgerechte Versorgung in jeder Aufzuchtphase. Das geht nur über eine "Phasenfütterung" mit einer leistungs - und gewichtsgerechten Futterzusammensetzung - Nährstoffe, Komponenten und Wirkstoffe müssen in einem der Entwicklungsstufe der Ferkel angepassten Verhältnis zueinander stehen. Mit einem einzigen Futter vom Absetzen bis zum Ende der Aufzucht ist diese wichtige Forderung nicht zu erfüllen. Hier geht kein Weg an mehreren gezielt zu gestaltenden Phasen mit einem spezialisierten Prestarter, einem Aufzuchtstarter und einem sich anschließenden Aufzuchtfutter vorbei. Grundlage ist die Entwicklung des Enzymsystems der Ferkel in dieser für die gesamte Aufzucht und auch nachfolgende Mast so entscheidenden Phase. Dabei ist zu beachten, dass nach heutigem Kenntnisstand die Aktivität wichtiger Verdauungsenzyme in der Phase nach dem Absetzen zurückgeht (siehe Abbildung 2). Dies ist bei der Wahl der Nährstoffquellen im Pre- und Aufzuchtstarter zu berücksichtigen. So gehört u.a. sowohl in den Aufzuchtstarter für die ersten 2 bis 3 Wochen nach Absetzen als auch in das Aufzuchtfutter aufgeschlossenes Getreide hinein. Damit wird bei begrenzter Amylaseproduktion die Stärkeverdauung gezielt unterstützt und eine zu hohe Anflutung unverdauter Stärke im hinteren Dünndarmdrittel verhindert. Dies ist eine wirkungsvolle Durchfallvorbeuge. Das Starterfutter für die ersten zwei bis drei Wochen nach dem Absetzen sollte außerdem gezielt mit hochverdaulichen pflanzlichen Proteinkonzentraten (u.a. Sojaproteinkonzentrat, Kartoffeleiweiß) und Milchprodukten ergänzt werden. 



Vorteile des "Mehlfutters" 
Gerade für Ferkel, die sich mit PMWS-Symptomen auseinandersetzen, ist auch die Frage der Futterstruktur näher zu betrachten. Ein gut strukturiertes Mehlfutter ("griffige" Struktur) hat bei den heute üblichen ad libitum-Fütterungstechniken häufig Vorteile. Die Ferkel nehmen das Futter gleichmäßiger auf, die Gefahr des "Überfressens" ist verringert. Das Futter wird gut eingespeichelt und im Magen entsprechend gleichmäßig durchsäuert. Damit werden pH-Wert-Schwankungen beim Übergang vom Magen zum Dünndarm verringert. Dies kann im Grenzbereich unspezifische Durchfallerscheinungen verringern und fördert insgesamt die Darmgesundheit. Ein entsprechend gut durchsäuertes Futter wird aber im Darm auch besser emulgiert - ein gerade unter PMWS wichtiger Faktor. Denn Leberstoffwechsel und der enterohepatische Kreislauf sind unter Circovirus-Infektion besonderer Belastung ausgesetzt. Die Ausschüttung und anschließende Rückresorption der für die Emulgierung der Nahrungsfette wichtigen Gallensäuren ist oftmals gestört. Das äußerst sich bei einzelnen Ferkeln in breiigem, fettglänzenden Kotabsatz. Dies sind dann auch oftmals die Ferkel, die in der Gewichtsentwicklung zurückbleiben. Die Fettverdauung und der Leberstoffwechsel sollten daher über die Fütterung nicht zusätzlich belastet werden und der Rohfettgehalt im Aufzuchtfutter ist auf etwa 35 g je kg zu begrenzen. Das bedingt dann einen Energiegehalt von etwa 13,6 MJ ME je kg.


Infektionsabwehr und Aminosäurenversorgung
Ferkel, die sich mit viralen oder bakteriellen Infektionen auseinandersetzen, haben einen besonders hohen Bedarf an Aminosäuren, da die unspezifische Infektabwehr über die Makrophagen besonders beansprucht wird. Dies muss über das Aufzuchtfutter sichergestellt werden (siehe auch Tabelle 1). Das Futter muss insgesamt eine möglichst hohe Verdaulichkeit aufweisen. Daher gehört auch ins Aufzuchtfutter aufgeschlossenes Getreide. 


Leberstoffwechsel unterstützen 
Gerade der Leberstoffwechsel kann durch eine gezielte zusätzliche Vitaminausstattung des Futters u.a. mit B-Vitaminen, insbesondere Vitamin B12, Vitamin C und Folsäure gezielt unterstützt werden. Über Emulgatoren kann außerdem die Fettverdauung verbessert werden. Bei diesen gezielten Zulagen handelt es sich nicht um einen allgemeinen Ernährungsbedarf sondern um eine kurzfristige "Boosterung", die auch für weitere wichtige Stoffwechselprozesse im Körper (z.B. Aufbau der roten Blutkörperchen) von großer Bedeutung sind. 
Auch die Vormastschweine können so bei "PMWS-Problemen" gezielt unterstützt werden. 



Durch die Verwendung organischer und anorganischer Säuren im Ferkelfutter wird der Hygienestatus im Futter selbst auf einem hohen Niveau gehalten und der pH-Wert in Magen und vorderem Dünndarm positiv beeinflusst. Denn schwankende pH-Werte im Dünndarm sind oft Wegbereiter für die Vermehrung von z.B. durchfallprovozierenden Colibakterien. 


Probiotika & Co. 
Probiotika gehören heute in ein die Darmgesundheit gezielt unterstützendes Ferkelfutter standardmäßig hinein. Sie übernehmen im Darm eine "Platzhalterfunktion" gegenüber potentiellen Schadkeimen wie den schon genannten Colibakterien und regen die Bildung sowie Ausschüttung körpereigener Enzyme an. Damit werden eine verbesserte Nährstoffverdauung, ein daraus resultierender Leistungseffekt und eine Reduzierung der "Nahrung für potentielle Schadkeime" im hinteren Dünndarm/vorderen Dickdarm erreicht. 
Auch die vorstehend bereits genannten "Prebiotika" stellen in der Ferkelfütterung wirkungsvolle Bioregulatoren dar. Die prebiotischen Oligosaccharide (Mehrfachzucker) können u.a. bei verschiedenen potentiellen Schadkeimen im Darm (z.B. E. coli) die Rezeptorstellen blockieren, so dass sich die Keime nicht mehr an die Darmwand anheften und ihre Toxine an die Darmzellen abgeben können. 


Praxisbericht
Und wenn man diese Fütterungsempfehlungen beachtet, werden dann entsprechend positive Effekte festgestellt? Dazu folgender aktueller Praxisfall: 
In der Ferkelaufzucht eines größeren Betriebes wurden die unter "PMWS" beschriebenen Symptome von Absetzgruppe zu Absetzgruppe in mehr oder weniger deutlicher Ausprägung festgestellt. Im Anschluss an einen Prestarter, der bei vierwöchiger Säugezeit bis drei/vier Tage über das Absetzen gefüttert wird, kommt über 14 Tage ein Aufzuchtstarter zum Einsatz. Dieses Futter erfüllt die dargestellten Anforderungen und wird als strukturiertes Mehlfutter verabreicht. Im Anschluss an diese Phase wurde ein energiestärkeres pelletiertes Aufzuchtfutter eingesetzt. Etwa 25-30 % der Ferkel blieben ab der dritten Aufzuchtwoche in der Gewichtsentwicklung hinter den übrigen Ferkeln zurück und hatten zum einem großen Anteil eine breiige Kotkonsistenz. Die Futteraufnahme war suboptimal und die Absetzgewichte lagen bei im Mittel 43 Aufzuchttagen bei deutlich unter 25 kg. Im ersten Schritt wurde die Konzeption des Futters umgestellt - reduzierter Energie- und damit Fettgehalt, hohe Aminosäurenkonzentration und hohe Verdaulichkeit. Es war dadurch ein erster Fortschritt festzustellen - der Anteil Ferkel mit veränderter Kotkonsistenz verringerte sich, die Gleichmäßigkeit war begrenzt verbessert. Ein deutlicher Erfolg konnte festgestellt werden, nachdem Anfang Dezember 2002 auch das Aufzuchtfutter in griffiger Mehlstruktur eingesetzt wurde. Die vorstehend beschriebenen Symptome sind jetzt weitestgehend beseitigt und die Ausstallgewichte stabilisieren sich wieder deutlich über 25 kg. Dieses Praxisbeispiel zeigt, dass oftmals das "Drehen an kleinen Schrauben" entscheidend ist und erst die gezielte Kombination verschiedener Managementfaktoren den angestrebten Erfolg bringt. Einen Überblick zu diesen bei Circovirusinfektionen wichtigen Faktoren gibt Abbildung 4. 



Fazit
"PMWS" bereitet nach wie vor vielen Betrieben erhebliche Probleme in der Ferkelaufzucht. Wenn das Management im Stall und die Klimagestaltung stimmen, kann durch eine phasengerechte, dem Verdauungsvermögen der Ferkel und Vormastschweine angepasste Fütterung der Stoffwechsel und die Widerstandskraft der Tiere gezielt gefördert werden. Die Kombination dieser Futterkonzeptionen mit einer den Stoffwechsel unterstützenden Vitaminierung kann dabei zusätzlich positive Effekte zeigen. Unter den verschiedenen immunsuppressiv wirkenden viralen Infektionen ist die Kenntnis dieser Punkte wichtiger denn je. Der amerikanische Ernährungsexperte Lee Johnston von der University of Minnesota hat zu diesem Themenkomplex treffend gesagt: "Merken Sie sich: Es gibt keine Wunderdinge, die die Leistung der Tiere steigert. Vielmehr geht es darum, die Teile eines Puzzles zusammenzusetzen und sicherzustellen, dass man die grundlegenden Dinge gut macht." 


Dieser Artikel erschien in: 
Nutztierpraxis Aktuell
Das Forum der Agrar- und Veterinär - Akademie

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