Header-Grafik

Fütterungssystem für Sauen unter Berücksichtigung der Elektrolyten-Bilanz im Futter, der Kondition und des Leberstoffwechsels

 Dipl.-Ing. agr. Herbert Nehf, Raiffeisen Kraftfutterwerke Süd, Würzburg

 Herr Herbert Nehf stammt gebürtig aus Nord-Württemberg, studierte an der Uni Hohenheim Agrarwissenschaften und ist seit 1989 im Mischfutterbereich tätig. Dort arbeitete er 6 Jahre lang im Außendienst mit Schwerpunkt Schweinefutterung im Raum Hohenlohe. 1996 wechselte er in das Produktmanagement. Er ist seit 1998 für die Produktlinie Schwein im Vertriebsgebiet der RKW Süd (Baden-Württemberg, Bayern, Sachsen und Thüringen) verantwortlich für das gesamte Sortiment (Kraftfutter, Mineralfutter und Spezialitäten). 


Wirtschaftlichkeit
Eine wirtschaftliche Produktion im Ferkelerzeugerbetrieb setzt die Optimierung aller Produktionsverfahren wie Stallbau, Tiergesundheit, Management und Fütterung voraus. Die Auswertungen der Erzeugerringe für tierische Veredelung zeigen dies seit Jahren. Das entscheidende Kriterium zur Erzielung hoher Deckungsbeiträge in der Ferkelerzeugung ist die verkaufte Zahl an Ferkeln pro Sau und Jahr. Betrachtet man die LKV-Ergebnisse in Bayern, gibt es große Unterschiede zwischen den unteren 25% der Betriebe mit 15 F/S/J und den oberen 25% mit 22 F/S/J (1998/99). Berücksichtigt der Betrachter darüber hinaus das genetische Leistungspotenzial moderner Sauenlinien, das von Zuchtverbänden und Zuchtunternehmen mit 25 bis 30 F/S/J angegeben wird, so sind bei Vergleich der erreichten und der genetisch möglichen Leistungen die Ziele zur weiteren Verbesserung der Wirtschaftlichkeit der süddeutschen Ferkelproduktion auszumachen.


Ziele der Jungsauenaufzucht
Die Sauenfütterung beginnt bereits in der Jungsauenaufzucht. Ziele der Jungsauenaufzucht sind die Erzeugung von Tieren mit einem stabilen Fundament, optimaler Kondition für eine hohe Fruchtbarkeit und Lebensdauer und einem hohen Futteraufnahmevermögen. Dies alles sind Voraussetzungen für die Erreichung von Ergebnissen mit hoher Jahres- und Lebensleistung der Sauen. Die spezialisierte Jungsauenaufzucht wird aus diesem Grund weiter an Bedeutung gewinnen, da spezielle Fütterungsstrategien für diesen Betriebszweig notwendig sind, die auf jedem Ferkelerzeugerbetrieb nicht konsequent umgesetzt werden können. Angestrebt wird die Erzeugung von Jungsauen, die im Alter von ca. 240 Tagen ein Lebendgewicht von ca. 125 kg und ein Speckmaß nach der Stamhoek-Methode von ca. 15 mm besitzen. Dies setzt eine Phasenfütterung der Jungsauen in der Aufzucht ab 25 kg und eine entsprechende Optimierung der drei Phasenfutter im Hinblick auf ein optimales Aminosäuren-/Energieverhältnis voraus. 


(Abb. 1) 

Zum einen soll ein gleichmäßiges Wachstum, optimale Lebendtageszunahmen, eine gute Entwicklung der Kondition als Basis für gute Ergebnisse im ersten Wurf und zum anderen ein hohes Futteraufnahmevermögen durch steigende Rohfasergehalte in den Phasenfuttern bei gleichzeitiger Berücksichtung der Wasserhaltkapazität (WHC-Index) erreicht werden. 


(Abb. 2)

Eine Bewertung der Futtermittel hinsichtlich ihrer Eigenschaft die Futteraufnahme positiv zu beeinflussen, ist das Quellvermögen, dargestellt in Abbildung 3 mit unterschiedlichen Rohwaren.


(Abb. 3)

Ein weiterer positiver Aspekt dieses Konzeptes ist die gute Sättigung der Tiere und damit die Ruhe im Stall, was sich ebenfalls positiv auf die Selektionsrate bei den Jungsauen auswirkt.


Leistung und Gesundheit
Die ständige konsequente Zuchtarbeit hat nicht nur die mögliche Fruchtbarkeitsleistung, sondern darüber hinaus auch die Milchleistungen der Sauen ständig verbessert. Unterstrichen wird dies noch durch die moderne Hybridzüchtung. Gerade bei der Milchleistung liegt aber das Dilemma bei vielen Ferkelerzeugerbetrieben. So leiden immer wieder Sauen gerade vor und nach der Geburt am klassischen MMA-Komplex mit Gesäugeentzündung, Gebärmutterentzündung und Milchmangel. Die Ursachen sind oft sehr vielschichtig. So sind ungünstige Haltungsbedingungen, wie z. B. zu kalte Ställe in der Trächtigkeit und mangelnde Hygiene, insbesondere vor und nach der Geburt, häufige Ursachen. Fehler in der Fütterung, vor allem zu niedrige Rohfasergehalte in den LAK-Rationen und Imbalancen in den Mineralstoffgehalten fördern diese Faktorenkrankheit, die zu hohen Verlusten bei den Saugferkeln und zu Spätfolgen, wie schlechte Fruchtbarkeit bei den Sauen führen können.

Neben diesen klinischen MMA-Problemen wird immer wieder von Landwirten und Beratern von einer zu niedrigen Milchleistung bei den Sauen in den ersten Tagen nach der Geburt berichtet, verbunden mit Verlusten durch zu geringe Biestmilchaufnahme bei den neugeborenen Ferkeln. Dies begünstigt weitere Verluste durch einen geringen Schutz der Ferkel gegen diverse Infektionen und keine optimalen Leistungen in der Säugephase. Gerade die ersten Tage nach der Geburt sind in hohem Maße für das Aufzuchtergebnis verantwortlich und hier liegen letztendlich bei vielen Betrieben die bereits beschriebenen Reserven zur Ausschöpfung des genetischen Leistungspotenzials der Sauen und damit zur Verbesserung der Gesamtwirtschaftlichkeit der Ferkelerzeugung. Die Ursachen für die ungenügende Milchleistung werden stark durch Fütterungsmanagement und Rationsgestaltung beeinflusst. Beide Punkte werden im folgenden Teil näher beleuchtet.

Bei Sauen ist in diesem Zusammenhang nachfolgender Faktorenkomplex zu beobachten: geringe Futteraufnahme, schlaffes Euter und geringe Milchleistung, fehlende Anzeichen wie hartes Gesäuge, Ausfluss und Fieber, die für klinisches MMA sprechen.

Die eigentliche Ursache für diesen Vorgang liegt in der bereits kurz nach der Geburt sehr hohen Abgabe an Calcium und Phosphor über die Milch bei gleichzeitiger niedriger Aufnahme über das Futter. Gerade in dieser Phase sollten die Mineralstoffspeicher, das sind im wesentlichen die Depots in den Knochen, besser genutzt werden. Diese Speicher müssen während der Trächtigkeit gefüllt und während der Säugezeit angezapft werden. Entscheidend für eine optimale Steuerung dieser Vorgänge ist ein ideales Verhältnis von Calcium zu verdaulichem Phosphor im NT und LAK-Futter, sowie eine optimierte Mineral- und Elektrolyten-Bilanz in den Futtern. Dabei ist jeweils in den Rationen für tragende und säugende Sauen das Verhältnis von basisch wirkenden Kationen (Natrium Na, Kalium K) zu sauer wirkenden Anionen (Chlor Cl, Schwefel S) zu optimieren. Die Änderung im Verhältnis dieser Mineralstoffe im Tragefutter zum Säugefutter eine Woche vor der Geburt bewirkt die Aktivierung eines Hormons, das die Versorgung der milchgebenden Sauen mit Calcium und Phosphor sicherstellt. Dieser Effekt kann über den Einsatz eines speziellen Geburtsvorbereitungsfutters noch verstärkt werden, setzt aber die Optimierung der Elektrolytenbilanz in der Tragezeit voraus. 


(Abb. 4)
Ein weiterer Aspekt der Umstellung vom Tragefutter zum Säugefutter ist die Absenkung des pH-Wertes im Harn. Damit ist eine ideale Vorbeuge gegen klinische MMA-Erkrankungen um die Geburtsphase gegeben. Durch ein ausreichendes Wasserangebot für die Sauen um den Geburtszeitpunkt im Trog kann das noch unterstützt werden. Der pH-Wert des Harnes der Sauen soll dennoch auch während der Trächtigkeit vom Betriebsleiter ständig überprüft werden, um bereits in dieser Phase chronischen Harnwegsinfektionen vorzubeugen. In diesem Zusammenhang ist auf eine ausreichende Stalltemperatur in Einzelhaltung und auf eine optimale Futterzusammensetzung zu achten. Hier sind insbesondere bedarfsgerechte Rohprotein- und Mineralstoffgehalte neben hohen Rohfasergehalten, die zu einer überwiegenden Ausscheidung des überschüssigen Stickstoffs über den Kot führen, zu beachten. Die positive Wirkung des Einsatzes von quellfähigen Rohfaserkomponenten auf die Sättigung und positive Beeinflussung des Futteraufnahmevermögens der Sauen in der folgenden Laktation wurde bereits angesprochen.


Kondition und Leistung
Die Konditionsbeurteilung von Sauen ist in den letzten Jahren immer mehr in das Augenmerk von Landwirten und Beratern gerückt. Natürlich gibt es zu der "idealen Kondition" der Sauen viele unterschiedliche Meinungen. Messungen zur Speckdicke zeigen aber, dass Konditionsbeurteilungen mit dem bloßen Auge nicht selten einen völlig falschen Eindruck vermitteln. Durch exakte Messungen stellen sich dann vermeintlich "fette" Sauen als fleischige Tiere und vermeintlich "magere" Sauen als Tiere mit optimalen Depotfettreserven heraus. Daher ist anzuraten, das Auge des Tierhalters im Einzelbetrieb durch exakte Speckdickemessungen zu schulen bzw. zu überprüfen. Wurde früher die Speckdickemessung in der Züchtung zur Selektion fleischreicher Sauenlinien und Eber genutzt, so stellte dies aus Verbrauchersicht (mageres Fleisch) einen Vorteil dar, nicht jedoch für wesentliche Merkmale der Ferkelerzeugung. So sind Fettreserven wichtig für Sauen als Energiereserven in Zeiten hohen Bedarfs, z. B. in der Laktation, als Wärmeisolierung und als Speicher für fettlösliche Vitamine und Hormone. Eine Reihe von Auswirkungen, die die Wirtschaftlichkeit der Sauenhaltung massiv beeinflussen, können durch Imbalancen bei der optimalen Kondition der Sauen entstehen. So zeigt sich beim Absetzen der Ferkel eine verzögerte Rausche, eine erhöhte Umrauscherquote und weniger geborene Ferkel im nächsten Wurf. Darüber hinaus hat eine ausreichende Speckdicke von Jungsauen bei der Erbelegung einen entscheidenden Einfluss auf die Aufzuchtleistung im ersten Wurf (s. Abbildung 2) und die gesamte Lebensleistung. Ein häufig beobachtetes Phänomen bei Sauen in einem Betrieb sind die konträr verlaufenden Gewicht- und Speckdickenentwicklungen. 


(Abb. 5)
In Abbildung 5 ist ein von Wurf zu Wurf stetig steigendes Sauengewicht mit den normalen Gewichtsverlusten in der Laktation dargestellt. Demgegenüber ist ein von Wurf zu Wurf leicht fallender Speckvorrat (Messung nach der Stamhoek-Methode) bei den Sauen zu beobachten. Messungen ergaben bereits abnehmende Rückenspeckdicken eine Woche vor der Geburt. Die Fettreserven werden in dieser Phase für die Entwicklung der ungeborenen Ferkel und des Gesäuges genutzt. Dies unterstreicht insbesondere auch die Notwendigkeit einer optimalen Vorbereitungsfütterung mit einer guten Energieversorgung der Sauen in der letzten Trächtigkeitsphase, um diesen beginnenden Speckabbau möglichst gering zu halten. Diese Entwicklung würde eine hohe Stoffwechsel- und damit Leberbelastung auslösen.

Ziel der Sauenfütterung muss eine optimale Steuerung des Gewichts- und Speckdickeverlaufes sein. Nicht nur die Energieversorgung, sondern ein ideales Energie- zu Eiweißverhältnis in der Futterration ist wichtig. Veränderungen in diesem Bereich führen dazu, dass die Tiere überschüssige Energie aus dem Futter in Fettreserven sozusagen speichern und in Zeiten erhöhten Bedarfs wieder mobilisieren können. In diesem Zusammenhang wird die Milchleistung der Sauen positiv beeinflusst, was zu höheren Absetzgewichten bei den Ferkeln führt, und die Sauen weisen trotz hohem Leistungsniveau keine sinkenden Speckmaße auf. Dies setzt allerdings ebenso eine konsequente Phasenfütterung voraus. Weitere Punkte um die Kondition der Sauen in der Säugezeit zu schonen, können der Einsatz eines Prestarters und ein frühzeitiges Absetzen der Ferkel, insbesondere bei Jungsauen sein.


(Abb. 6)

Konditionsfütterung sollte in der Praxis dennoch nicht mit übermäßiger Fütterung der tragenden Sauen verwechselt werden. So zeigt Abbildung 6 die Auswirkung einer zu hohen Fütterungsintensität während der Trächtigkeit auf die Futteraufnahme während der folgenden Laktation. Übermäßige Gewichtszunahme in der Tragezeit führt bei den Sauen zu Schwerfälligkeit, verzögerten Geburten, erhöhtem MMA-Risiko und insbesondere zu niedriger Futteraufnahme in der Laktation. Ein erhöhter Gewichtsverlust der Sauen mit allen beschriebenen Konsequenzen für die Tiere und nicht zuletzt höhere Ferkelverluste und niedrigere Ferkelabsetzgewichte sind die Folge. Eine optimale Fütterung in der Tragezeit setzt bei hohem Einsatz an wirtschaftseigenem Getreide die genaue Kenntnis der Nährstoffgehalte des Getreides voraus. Es sind insbesondere die Energie- und Rohfasergehalte zu berücksichtigen und es sind gegebenenfalls Maßnahmen zu treffen, wie z. B. der Einsatz von Rohfaserkomponenten, um die Futterration zu optimieren und einer Verfettung der Sauen durch "zu gutes" Futter vorzubeugen.


Zusammenfassung
Die Leistungen von Sauen in einer Herde werden nicht zuletzt durch die Fütterung stark beeinflusst. Die Optimierung der Fütterung bereits in der Jungsauenaufzucht durch eine dreiphasige Aufzucht, die die Jungsauen optimal auf die Produktion vorbereitet, ist die Basis für den Erfolg in der Ferkelerzeugung. Bei den produktiven Sauen wird über eine konsequente Phasenfütterung, über die eine optimale Steuerung der Mineral- und Elektrolytenbilanz in den Phasenfuttern erreicht werden kann, das Leistungspotenzial moderner Sauenlinien hinsichtlich Milchleistung und Aufzuchtleistung bestmöglich ausgeschöpft. Darüber hinaus werden Gesundheit und Kondition der Sauen durch dieses Fütterungskonzept positiv beeinflusst. Eine konsequente Erfassung, Aufzeichnung und Auswertung aller angesprochenen Daten muss zur einzelbetrieblichen Schwachstellenanalyse in der Ferkelerzeugung genutzt werden, um langfristig die Leistungen auf hohem Niveau zu halten.

zurück zur Übersicht