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18.07.2011

Betreff: AW: Ferkelpreise vom 15.07.2011

Hallo zusammen,

also erstens finde ich die Aktion des DBV "Arbeit mit Leidenschaft" eine tolle Aktion, auch die diversen Plakate und Flyer von der FNL finde ich sehr innovativ.
Zweitens geht der Fleischkonsum sicherlich nicht um 50 % zurück, wenn Fleisch teurer wird. Bei der Milch hat man aber gesehen, dass ein 5%iger Rückgang schon ein großes Problem darstellt. Da hat erstens der Verbraucher bei Joghurt oder Käse zu anderen Produkten gegriffen und zweitens die Industrie austauschbare Komponenten mit pflanzlichen Erzeugnissen ersetzt.
Dies wird beim Fleisch nicht viel anderes sein. Der Deutsche spart halt liebend gerne beim Essen und dazu braucht es eben die Öffentlichkeitskampagnen des DBV, da es ja bäuerliche Erzeugergemeinschaften und Schlachthöfe nicht für nötig halten, unsere Produkte besser zu vermarkten.
Drittens ist Geflügel halt "in", da zahlt man gerne mal mehr, wenn man sich dadurch gesund (?) ernähren kann. Und wenn ich schaue, was ein Hähnchen im Supermarkt kostet, bin ich eh nicht der Meinung, dass Geflügel teuer ist, eher, dass einem die Schamröte ins Gesicht steigen müsste, wenn man solche Produkte kauft.
Viertens leben wir in einer Marktwirtschaft. Wenn es immer irgendwelche Ferkelvermarkter, Schlachtschweinevermarkter, Schlachthöfe, Großhändler usw.
gibt, die an die nächst höhere Vermarktungsschiene das Produkt gerne billiger wie der Konkurrent verkaufen, nur um die Erzeugnisse los zu werden, dann kann ich als einzelner Vermarkter nicht "utopische" Preise verlangen.
Grundsätzliche stell ich mir mittlerweile die Frage, ob es sinnvoll ist, dass z. B. die Ferkel in derselben Organisation vermarktet werden, wo auch Schlachtschweine vermarktet sind. Eine eigene Erzeugergemeinschaft für Ferkel, die dann über ein oder mehrere Bundesländer alle Ferkel abgreift, würde sicherlich mehr Marktmacht heißen.

Gruß, Gerhard aus Oberbayern






Antwort auf:

An alle Diskussionsteilnehmer, Tobias, Herr Schwarz,

zunächst eine Richtigstellung: Mit der Bemerkung "Arbeit, die Leiden schafft" meinte ich nicht Leiden der Tiere, sondern die Leiden der Tierbesitzer!!! Da kann man mal sehen wie etwas missverstanden wird, wenn man nicht direkt kommuniziert.

Zur Sache: Zitat Tobias " Zum BDM und zu "sofort bereit, 50 Cent mehr für das Kilo zu bezahlen": Ein Ammenmärchen wird im globalen und europäischen Markt nicht dadurch wahrer, das man es immer wieder wiederholt." Zitat Ende

Die Formulierung "wird nicht wahrer, das man ......" finde ich genauso undifferenziert und totschlagend wie Frau Merkels Unwort " alternativlos".
Nichts ist alternativlos; außer der Tot. Und nichts ist absolut wahr oder unwahr; (vielleicht Mathematik?).


Was bitteschön ist ein daran ein Märchen, dass Verbraucher auch durchaus mehr für Lebensmittel bezahlen würden?
Die Fakten: Es handelt sich bei Fleisch schlicht und ergreifend um ein Grundnahrungsmittel, auf das man auf Dauer schlecht verzichten kann oder will. Zweitens wirbt heute jeder Discounter jede Woche mit den gleichen Sonderangeboten bei Fleisch. Ich lese das schon lange nicht mehr und es kann mir keiner erzählen, dass der Verbraucher danach seine Kaufentscheidung fällt, in welchen Laden er diese Woche fährt. Somit ist die Werbung mit Ramschfleisch schon lange am Thema vorbei, weil es überhaupt kein Alleinstellungsmerkmal mehr darstellt. Ich bin eigentlich sehr erstaunt, dass das die Marketingagenturen das noch nicht gemerkt haben (vielleicht fällt ihnen aber auch nichts besseres ein?). Glauben Tobias und Herr Schwarz wirklich, dass weniger Fleisch verzehrt wird, wenn es teurer wird? Ich glaube das nicht. Zahllose andere Branchen beweisen das Gegenteil jeden Tag.

Die Entwicklung auf dem Geflügelsektor beweist übrigens auch meine These.
Dazu ein kleines Zitat von Hr. Wesjohann vom Februar diesen Jahres. (wer ihn nicht kennt kann ja mal Googeln)

"Geflügel-Preise steigen
Die Preise für Geflügelfleisch und Geflügelprodukte im Lebensmittel-Einzelhandel werden steigen, und zwar schon in den kommenden eineinhalb Monaten." Das prognostizierte Peter Wesjohann, Vorstandsvorsitzender der PHW-Gruppe, deren Kerngeschäftsfeld die Marke Wiesenhof ist.
Text: Lebensmittel Praxis, 10. Februar 2011

Wesjohann rechnet mit Preiserhöhungen von 15 bis 20 Prozent. Grund seien die Rohstoff-, Verpackungs- und Energiepreise, die seit April 2010 um mehr als
50 Prozent gestiegen wären. Vor allem die Getreide-, Soja- und Maispreise hätten stark angezogen. Diese Erhöhungen würden, wenn auch zeitversetzt, an den Verbraucher weiter gegeben. Seine Prognose gilt auch für Bio-Geflügel und –Produkte, die bereits drei Mal so teuer sind wie konventionell produzierte Ware. Einen daraus resultierenden Nachfragerückgang erwartet er jedoch nicht." Zitat Ende.

Herr Wesjohann ein Märchenonkel??!! Ich glaube er ist genau das Gegenteil!

Das sind Aussagen eines Mannes, der den Markt versteht, beobachtet, analysiert (!!) ,unter kaufmännischen Gesichtspunkten bearbeitet und selbstbewusst kaufmännisch agiert!! ( Kaufmännisch denken Tobias heißt eben nicht immer der Billigste sein zu wollen, oder hab dich da auch falsch
verstanden?)

Warum können Schweinefleischerzeuger nicht ähnlich reagieren? Weil die abnehmende Hand die Preise diktiert? Meiner Meinung nach gibt es viel zu viele Vermarkter, die einem immer weiter fortschreitenden Konzentrationsprozess auf der roten Seite und dem Einzelhandel nichts, aber auch gar nichts entgegenzusetzen haben. Eigentlich müsste es nur eine zentrale Vermarktung/ einen zentralen Handelsplatz bundesweit geben, ähnlich der Bundesnetzagentur für Strom in Leipzig. Nur mal so als Idee. Als nächstes müsste die Preisbildung weiter in die Zukunft projiziert werden und nicht nur für die jeweils nächste Woche. Auch hier beweisen zahllose andere Branchen jeden Tag wie das geht.

Zitat Herr Schwarz: "Die Widerstände kommen bei jedem neuen Vorschlag aus einer anderen Ecke, wir sind aber weiterhin dabei eine Möglichkeit zu suchen bei der das Kartellamt keinen Einspruch erhebt."

Dass das nicht einfach ist, ist ja klar. Ich behaupte sogar, dass die jetzigen Organisationen gar keine Lösung werden finden können.
Dazu geht es um viel zu viele eigene Interessen. Ich selber durfte z.B.
schon an diversen "Kosteneinsparungsmeetings" teilnehmen, bei denen dann die entsprechenden Abteilungsleiter immer wieder beteuern, dass in Ihrer Abteilung nix zu sparen ist. Darum holt man sich dann ja auch externe Leute, die auf solche Befindlichkeiten keine Rücksicht nehmen. Es könnte ja auch mal ein Ansatz sein Herr Schwarz, dass der Bauernverband (oder wer auch
immer) mal Geld in eine externe Analyse und Erarbeitung eines zukünftigen "Vermarktungskonzeptes" steckt, anstatt in Heileweltplakate.

Wenn die Bündelung auf Angebots-/ Erzeugerseite nicht gelingt, werden alle Anstrengungen für eine bessere Erlössituation zum Scheitern verurteilt sein.
Über das Kartellamt würde ich mir erstmal keine Sorgen machen. Herr Tönnies hat sich übrigens gerade Böklunder und Redlefsen einverleibt; interessant.
Da bekommt doch der Slogan "From stable to table" (Vom Stall bis zum Tisch)wieder mal ein Stück mehr Sinn.

Differenzierter argumentieren kann ich leider nicht; ich bin nur ein kleiner Tierarzt.


Mit freundlichen Grüßen und ein schönes Wochenende!

Dr. Reinhold Heggemann