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Fall des Monats Oktober 2009

Weitermachen oder sanieren?
Jens Jungbloot, Praxis Dr. Reinhold Heggemann, 25782 Tellingstedt für tierärztliche Bestandsbetreuung und Qualitätssicherung im Erzeugerbetrieb Schwein 

Der Betrieb
In diesem Monat stellen wir einen Kombibetrieb mit 450 Sauen und 3800 Mastplätzen vor. Abferkelung, Belege- und Wartebereich, sowie Flatdeck sind auf einem Standort, die Mast findet auf mehreren anderen Standorten statt. Der Betrieb ist seit mehreren Jahren PRRS- und EP-positiv. Die Sauen werden gegen PRRS, Parvovirose und Rotlauf immunisiert. Die Ferkel erhalten Impfungen gegen EP (Enzootische Pneumonie – Mycoplasma hyopneumoniae) und gegen PCV II (Circovirus). 
Der Betrieb produziert auf relativ hohem Niveau; 26,5 abgesetzte Ferkel pro Sau und Jahr, Verluste und Umrauscher im normalen Rahmen und tägliche Zunahmen in der Mast von 770 Gramm wurden erreicht. 


Der Fall 
Im Frühjahr 2006 verendeten mehrere Sauen ohne vorherige klinische Anzeichen perakut. Die toten Sauen wiesen sowohl Blutungen aus Nase und Rachen auf, sowie auch Anzeichen eines Kreislaufversagens, blaue Ohren und blau verfärbte Bäuche. Eine der Sauen wurde zur Sektion gebracht. Pathologisch und bakteriologisch wurde eine Infektion mit Actinobacillus pleuropneumoniae (APP) nachgewiesen. Eine durchgeführte Typisierung ermittelte den Serotyp 2 als Ursache. 
Die Einschleppung der APP erfolgte durch den bestehenden Jungsauenlieferanten. 









Tiere mit Lungenentzündungen nehmen eine hundesitzige Stellung ein.


Weiteres Vorgehen und Verlauf 
Die Sauenherde wurde oral über einen Zeitraum von einer Woche mit Amoxicillin mediziniert. Begleitend erhielt die Herde zweimal im Abstand von vier Wochen eine Impfung gegen App. Zum Einsatz kam eine sogenannte Subunit-Vakzine, die einen Schutz gegen verschiedene Serotypen bietet. Dieser Schutz war allerdings nur für die Sauenherde ausreichend. 

Im übrigen Bestand breitete sich die Infektion weiter aus. Im Flatdeck und später auch in der Mast wurde typische APP-Klinik festgestellt. Es traten Lungenentzündungen mit Fieber und ansteigenden Verlusten auf. Daraufhin wurden auch die Ferkel auf dem Flatdeck gegen App geimpft. Die erste Impfung erhielten sie in der sechsten Lebenswoche und die Boosterung in der zehnten Lebenswoche. 

Damit konnte das Krankheitsgeschehen abgemildert und die Verluste gesenkt werden. Eine vollständige Freiheit von klinischen Symptomen war damit allerdings nicht zu erzielen. Der Grund liegt darin, dass eine Impfung hauptsächlich die allgemeine, humorale Abwehr stimuliert. Für die Kontrolle der APP spielt aber die lokale Abwehr direkt in der Lunge eine sehr große Rolle. Immer wieder mussten auftretende Wellen mit massiven Lungenentzündungen oral antibiotisch behandelt werden. Manche Mastdurchgänge erhielten teilweise eine mehrmalige Behandlung. Insbesondere in den Wintermonaten kam es zu deutlichen Krankheitserscheinungen und erhöhten Verlusten. 
Die konsequente Behandlung und Impfung konnte zwar einen starken Leistungsabfall und massive Verluste vermeiden; allerdings waren die Medikamentenkosten entsprechend stark angestiegen, sodass letztlich eine wirtschaftliche Schweinemast in Frage zu stellen war. Die direkten Kosten für Medikamente und Impfstoffe lagen bei 200,- €/Sau/Jahr und bei 2,- €/Mastschwein. Die Verluste bewegten sich sowohl im Flatdeck als auch in der Mast bei 3-4 %. Nach einem besonders extremen „APP Winter“ entschied sich der Landwirt schließlich nach drei Jahren im Frühjahr 2009 für die Räumung (Repopulierung) seines Bestandes. 
  

    





Schlachtungen mit typischen Veränderungen (Buttons) bei einer APP-Lunge



Die Repopulierung 
Zunächst stellte sich die Frage, welche Genetik und welcher Gesundheitsstatus für den neuen Herdenaufbau aufgestallt werden sollten. Ziel war es eine Herde aufzubauen, die frei von PRRS, EP, Dysenterie, Schnüffelkrankheit, Räude und natürlich APP sein würde. Dazu wurden viele Gespräche geführt, potentielle Lieferbetriebe besichtigt und Vorabinformationen gesammelt. Die letztendliche Entscheidung für eine bestimmte Genetik und den Lieferbetrieb wurden schriftlich festgehalten. 
Solch eine schriftliche Vereinbarung sollte mindestens folgende Angaben enthalten: 
- Name, Anschrift und Telefonnummer des Lieferbetriebes 
- Gesundheitsstatus : Salmonellen, Mycoplasmen, PRRS, APP, Dysenterie, Schnüffelkrankheit, PCV II, Räude etc. 
- Entwurmung, Impfungen, Medikationen wann und womit im Herkunftsbetrieb 
- Untersuchungsbefunde, was wird regelmäßig im Lieferbetrieb untersucht? 
- Kontakttierarzt (Telefon/Fax) 
- Lieferplan und sonstige Absprachen 

Als nächster Schritt musste die Bestandsräumung geplant werden. Bei diesen Überlegungen war das Ziel, den Betrieb in möglichst kurzer Zeit frei von Schweinen zu bekommen. Dies konnte durch sofortigen Belegestop, Schlachtung von niedertragenden Sauen und Vermarktung von Flatdeckferkeln sowie von Babyferkeln (abgesetzte Saugferkel) erreicht werden. Der Mastbereich wurde zeitversetzt durch das Nichteinstallen von neuen Ferkeln und teilweise Auslagerung auf einen anderen Produktionsstandort ebenfalls zügig geräumt. 

Für die bessere Übersicht wurden die einzelnen Maßnahmen und Planungsdaten in einen Zeitplan eingetragen. 

Der Ablauf der Reinigung und Desinfektion wurde zwischen dem Landwirt, der Reinigungsfirma und dem betreuendem Tierarzt gemeinsam besprochen. Die jeweiligen Abteile wurden sofort nach Leerstand ohne Demontierung der Einrichtungen zunächst unter Einbeziehung der Güllekeller komplett gereinigt. „Müllecken“ wurden beseitigt, Verbrauchsmaterialien, Anbruchflaschen, leicht ersetzbare Instrumente etc. entsorgt. Kleidung wurde bei 90° gewaschen, Schlingen, Spritzen, Ferkellampen, Stiefel usw. gereinigt und desinfiziert (Hitze oder Desinfektionsbad). Aus den Lüftungskanälen wurde so weit wie möglich der Staub (Keimträger) entfernt. Nachdem der gesamte Betrieb schweinefrei und vorgereinigt war, wurden die Stallungen noch einmal durchgewaschen und zweimal desinfiziert. Der erste Desinfektionsdurchgang mittels Peressigsäure und die zweite Desinfektion durch Ausgasung. 

Der komplette Betrieb war insgesamt vier Wochen frei von Schweinen, jedes einzelne Gebäude hatte sogar zwischen letzter Ausstallung und neuer Einstallung für mindestens 2,5 Monate keine Schweine. 

Da Schadnager diverse Erreger übertragen können, fand in dieser Zeit eine massive Beköderung von Schadnagern statt. Diese Bekämpfung ist essentiell für den Sanierungserfolg! Die Repopulierung fand zudem bewusst in den Sommermonaten statt, da Krankheitskeime bei Wärme und Trockenheit wesentlich kürzer in der Umwelt überleben können. 

Die neuen Tiere (Jungsauen und Jungeber) wurden in einem auswärtigen Betrieb für vier Wochen in Quarantäne gestellt. Folgende Maßnahmen wurden hier durchgeführt: 
- Bei Ankunft: Sichtkontrolle Endo-/Ektoparasiten, Striche, Fundament, Verletzungen, Nabelbruch, Husten, Kotbeschaffenheit 
Serologische Kontrolle auf PRRS, APP, EP, Salmonellen (5-10 Tiere), (ev. Influenza), 
Sammelkotuntersuchung auf Dysenterie und Endoparasiten 
- Impfungen gegen Rotlauf und Parvovirose sowie PCV II 
- Einstallmetaphylaxe oral gegen PIA und Lahmheiten durch sog. Gelenkmykoplasmen 
- Ausstallung: Erneute Sicht- und serologische Kontrolle wie oben außer Salmonellen 










Provisorische Quarantäne, eingerichtet in einem alten Fahrsilo.


Die serologische Einstallkontrolle ergab eine Jungsau positiv auf EP und APP und ein Jungeber reagierte positiv auf EP. Alle anderen Befunde waren negativ. Der Nachweis der EP erfolgte mittels eines sogenannten ELISA Testes von der Fa. IDEXX und die APP-Untersuchung mittels eines APX II – ELISA. Zwei Wochen später wurden die gleichen Tiere nochmals serologisch auf APP und EP untersucht. Bei der EP war diesmal die Jungsau negativ und der Jungeber nur noch schwach positiv. Alle anderen Tiere waren wieder negativ. Die EP-Befunde aus der ersten Untersuchung konnten somit also als falsch-positiv eingestuft werden! 

Bei der APP stellte sich die Situation anders dar. Die betroffene Jungsau zeigte im Vergleich zur ersten Untersuchung einen noch höheren Titer, eine zweite Jungsau war positiv geworden und sechs Jungtiere zeigten fragliche Ergebnisse. Dieses Ergebnis konnte ein Hinweis auf eine Infektion mit einem APP-Erreger sein. Allerdings gilt es dann sauber abzuklären, ob es sich um einen pathogenen (krankmachenden) Stamm oder eine andere Kreuzreaktion handelt? 

Eine in der Quarantäne verendete Jungsau wurde zur Sektion geschafft und die Blutproben wurden zur APP-Serotypisierung geschickt. Die Sektion der Jungsau erbrachte als Todesursache eine Darmverschlingung. APP und EP wurde bakteriologisch und mittels PCR ausgeschlossen. Die Proben wurden zusätzlich auch einem sogenannten full Screening unterzogen. Die Proben waren gegenüber allen 12 APP-Serotypen negativ. Damit waren die PP Titer ebenfalls als falsch positiv einzuschätzen. 
Eine Beurteilung allein durch die APX II – Serologie ist nicht möglich, da auch apathogene (nicht krankmachende) Actinobacillen auf den Test reagieren und so falsch positive Titer produzieren können. Aus Kostengründen kann der Test also nur als Einstieg in die Diagnostik gelten. Bei positiven Resultaten sind zwingend weitere Untersuchungen für eine qualifizierte Differenzierung notwendig. (Lesen Sie zu diesem Thema auch topagrar, Heft 7/2009, Seite S4:“Hüten Sie sich vor falschen APP-Befunden“.) 


Diskussion 
Ob eine Repopulierung notwendig und wirtschaftlich sinnvoll ist, muss immer einzelbetrieblich entschieden werden. 
Für Betriebe mit Alleinlage oder in einer schweinearmen Region kann die Repopulierung eine gute Möglichkeit sein, den Gesundheitsstatus nachhaltig zu verbessern. Gerade eine dauerhafte, schlechte Gesundheitslage ist in vielen Betrieben die Ursache für eine unbefriedigende gesamtwirtschaftliche Situation. Abschreckend wirkt natürlich immer die Zeit in der keine Einkünfte erzielt werden. Diese Zeit ist allerdings durch bestimmte Maßnahmen wie z.B. Abverkauf, Schlachtungen und Belegung in der Quarantäne oder Zukauf von tragenden Sauen verkürzbar. 
Neben der Repopulierung gibt es auch andere Instrumente, um bestimmte Krankheiten aus einem Bestand zu tilgen. Die durch Mycoplasmen verursachte Enzootische Pneumonie, die durch eine Kombination aus Managementmaßnahmen, Impfung und Medikation verdrängt werden kann, ist dafür ein gutes Beispiel. Auch Dysenterie kann im laufenden Betrieb saniert werden. Ebenfalls PRRS unter bestimmten Bedingungen. Leider gilt dies nicht für die pathogene APP. Verschiedene Ansätze und Versuche der APP Sanierung waren bisher nicht überzeugend und nicht von dauerhaftem Erfolg gekrönt. Hier ist die Repopulierung bisher die einzige Möglichkeit. 

Welche Möglichkeiten für eine Verbesserung des Gesundheitsstatus bestehen, ist mit dem Tierarzt und dem Berater im Einzelfall auszuloten. Ist ein Sanierungskonzept erarbeitet und beschlossen, gilt dann allerdings für alle Beteiligten äußerste Disziplin und Konsequenz! Wie gescheiterte Sanierungen gezeigt haben, können bereits kleinste Fehler den Erfolg gefährden! (Lesen Sie dazu auch den Fall Monats Januar/2005) 

Der Mut, der zu einer solchen Repopulierung zweifellos dazugehört, wird allerdings in aller Regel durch ein wesentlich besseres wirtschaftliches Ergebnis mehr als wettgemacht. Häufig rechnet sich eine solche Investition bereits nach 2 Jahren. Auch das ist einzelbetrieblich zu kalkulieren. Am Ende steht dann auch wieder mehr Spass an der Arbeit im Stall, und auch das ist ein erstrebenswerter, nicht zu vernachlässigender Aspekt! 

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