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Fall des Monats Oktober 2008

Dysenterie im Maststall oder nicht? 
Dr. Reinhold Heggemann, 25782 Tellingstedt, Praxis für tierärztliche Bestandsbetreuung und Qualitätssicherung im Erzeugerbetrieb Schwein 

Der Bestand   
Diesen Monat stellen wir Ihnen einen Mastbestand mit 2000 Plätzen vor, der seit Jahren auf hohem Niveau Schweinemast betreibt. Die Ferkel kommen seit mehreren Jahren aus einer „Mycoplasmen- und PRRS- freien Herkunft", erhalten keine Einstallmetaphylaxe und durchlaufen die Mast mit unter 2% Verlusten und ca. 870 g Tageszunahme.


Der Fall 
Eine routinemäßig durchgeführte Kotuntersuchung ergab in 3 von 10 Proben den kulturellen Nachweis von Brachyspira hyodysenteriae, den Erreger der Dysenterie.

(Daneben gibt es auch andere, schwächer oder nicht krankmachende Serotypen wie Brachyspira pilosicoli, Br. murdochii, Br. intermedia sowie Br. innocens etc..) 

Da bis dato keinerlei klinische Erscheinungen im Stall zu sehen waren, erschien uns dieser Befund doch fragwürdig und so wurde nochmals eine umfangreiche und breit gestreute Beprobung durchgeführt.

Bei dem intensiven Stalldurchgang fiel lediglich in einer Bucht mit ca. 70 kg schweren Tieren rötlicher, breiiger Kot (von einem Tier!) auf, wie er unter anderem auch für an Dysenterie erkrankte Schweine typisch sein kann. In allen anderen Buchten fanden wir unauffälligen Kot von normaler Konsistenz und Farbe!

  
Die Kotbeschaffenheit bei Dysenterie kann von gräulich bis blutig mit Schleimhautfetzen variieren.

Die Ergebnisse  
Insgesamt kamen nochmals 20 Kotproben zur Untersuchung (PCR), wobei die Probe 1 aus dem rötlichen Kot stammte.

Das erste Ergebnis (PCR1) ergab in 18 Proben keinerlei Nachweis von Brachyspiren, in einer Probe wurde Br. innocens nachgewiesen und lediglich aus der Probe 1 (blutiger Kot) konnte auch Br. hyodysenteriae gefunden werden. Da dieses Ergebnis vom ersten Befund abwich, wurden die Proben zusätzlich durch weitere PCR Untersuchungen von verschiedenen Anbietern und einem zusätzlichen zweiten Labor ergänzt, sodass sich abschließend folgendes Bild ergab (+ = Nachweis von Br. hyodysenteriae):

Probe

PCR 1

PCR 2

PCR 3

PCR,

Labor 2

Kultur

1

+

+

-

+

-

2

-

-

-

-

Br.innocens

3

-

-

+

+

Br.hyodysenteriae

Br.murdochii

4

-

+

+

+

-

5

-

-

+

+

Br.murdochii

6

-

-

+

+

-

7

-

-

-

+

-

8

-

Br. innocens

-

+

-

9

Br. innocens

-

-

+

-

10

-

-

+

+

-

11

-

-

-

-

-

12

-

-

+

-

-

13

-

-

+

-

-

14

-

Br. innocens

-

+

-

15

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-

-

-

-

16

-

-

-

-

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17

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-

-

-

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18

-

-

-

-

-

19

-

-

-

+

-

20

-

-

-

-

-

Da die Ergebnisse der verschiedenen Untersuchungen nicht deckungsgleich sind, stiften sie zunächst häufig mehr Verwirrung als Klarheit. Daher sollen die Ergebnisse eingehend besprochen werden.


  
Diskussion 
Die Diagnose „Dysenterie" ist bei akutem Verlauf anhand des klinischen Erscheinungsbildes leicht zu stellen. Anders verhält es sich bei klinisch unauffälligen Verläufen, wo dann die Diagnostik eine wesentliche Rolle spielt. Hierbei gilt es einige Grundsätze, sowie die Interpretationsmöglichkeiten der Ergebnisse zu beachten.

Grundsätzlich sind verschiedene diagnostische Verfahren möglich, die jeweils Vor- und Nachteile haben können. Zu nennen sind die Blutuntersuchung (Antikörpernachweis), die Kotuntersuchung (Erregernachweis mittels PCR oder Kultur), sowie die Untersuchung von erkrankten Tieren (Erregernachweis mittels PCR oder Kultur aus der Darmschleimhaut).

Die serologische Untersuchung, bei der Antikörper gegen Br. hyodysenteriae im Blut nachgewiesen werden, ist prinzipiell möglich, aber relativ unempfindlich und daher für die Einzeltierdiagnostik unbrauchbar. Wenn überhaupt, sollte dieses Verfahren nur für Bestandsuntersuchungen genutzt werden; allerdings wird diese Untersuchungsmethode kaum noch von Untersuchungsinstituten durchgeführt.

Der direkte Erregernachweis mittels PCR oder kulturelle Anzüchtung aus dem Kot sind heute die beiden Verfahren der Wahl. Allerdings scheiden latent infizierte Tiere die Erreger mit stark schwankender Intensität aus, so dass negative Ergebnisse (= frei von Brachyspiren) durchaus möglich sind. Deshalb sollten im Verdachtsfall negative Kotuntersuchungen mehrmals wiederholt werden. Ein weiteres Augenmerk ist unbedingt auf die Verpackung und den Transport der Proben zu legen. Brachyspiren reagieren empfindlich auf Sauerstoff und Kotproben müssen kühl (vorgekühlt), unter Luftabschluss, möglichst gepuffert (PBS1:10), aber vor allem schnell zum Labor gelangen. Die Nachweisrate sinkt mit der Dauer zwischen Entnahme und Untersuchung ganz erheblich! Wenn irgend möglich, sollten Proben direkt oder zumindest per Expresszustellung ins Labor verbracht werden.

Sicherer ist der Nachweis direkt aus der Schleimhaut betroffener Dickdarmabschnitte (Caecum und Colon).

Bei dem kulturellen Nachweis werden die Brachyspiren unter anaeroben Bedingungen angezüchtet. Es gibt bei dieser Methode keine falsch positiven Ergebnisse, wohl aber falsch negative. Trotz negativer PCR kann die Kultur positiv sein. Ist die Kultur positiv, wird in einem zweiten Schritt die Differenzierung zwischen pathogen oder apathogen durchgeführt. Mittels der PCR werden mit molekulargenetischen Verfahren bestimmte DNA-Abschnitte dargestellt. Je nach Größe des betrachteten Genomabschnittes ist die Sensitivität dieses Testes unterschiedlich. Auch hier gibt es keine falsch positiven Ergebnisse, sehr wohl aber falsch negative. Kreuzreaktionen zwischen den verschiedenen Brachyspira-Serotypen sind nicht bekannt.

Zusammenfassend kann postuliert werden, das immer dann wenn auch nur eine einzige Probe ein positives Ergebnis auf Br. hyodysenteriae zeigt, von einer Dysenterieerkrankung bzw. Infektion ausgegangen werden muß.

Latent infizierte, klinisch unauffällige Sauenbestände gelten als Erregerreservoir. Der Eintrag in die Mast erfolgt am häufigsten über infizierte Ferkel. Darüber hinaus kommen Schadnager, Hunde, Katzen, Vögel und Fliegen als Überträger in Betracht.

Die Verlaufsform der Erkrankung kann von akut mit Todesfällen bis chronisch sehr unterschiedlich sein. Dies wird maßgeblich von weiteren Faktoren bestimmt (siehe: Fall des Monats März 2008).

Wichtigste Vorbeugemaßnahme besteht in der Vermeidung der Einschleppung. Der Ferkel- und auch Jungsauenbezug sollte daher immer aus bekannten, gesicherten, überwachten Herkünften stattfinden.

Bei klinischer Dysenterie ist die orale Behandlung nach einem Antibiogramm angezeigt. In hartnäckigen Fällen mit sehr pathogenen Typen kann eine Räumung das einzige Mittel der Wahl sein. Dabei muss die Gülle komplett entfernt und die Kanäle gründlich z.B. mit einem Cyanamidpräparat desinfiziert werden. In Gülle können die Erreger bis zu 200 Tage überlebensfähig bleiben. In trockener, warmer Umgebung (20°C) überleben die Erreger nuur max.14 Tage. Aus diesem Grund sollte eine Räumung, aber auch ein Sanierungsversuch im Sauenbetrieb immer in den Sommermonaten stattfinden. Parallel dazu ist eine effektive Schadnager- und Fliegenbekämpfung durchzuführen, sowie in Mastbetrieben eine Leerstehphase einzuplanen. 

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