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Fall des Monats November 2010

Zitterferkel 
Dr. Reinhold Heggemann, Praxis für tierärztliche Bestandsbetreuung und Qualitätssicherung im Erzeugerbetrieb Schwein, 25782 Tellingstedt 

Der Bestand 
Dieser neu aufgebaute Betrieb mit 500 Sauen ging Ende 2009 in Produktion und wurde mit dänischer Genetik bestückt. Für eine einheitliche Bestandsimmunität wurden Impfungen gegen Rotlauf/Parvovirose, Influenza, Circovirus und PRRS durchgeführt und alle Sauen entwurmt.

  
  
Der Fall 
Die Belegungen und Abferkelungen verliefen zunächst völlig normal, bis dann plötzlich im Mai 2010 die ersten Würfe mit Zitterferkeln geboren wurden. Diese verhungerten häufig und/oder verendeten durch Erdrücken. Die Verlustrate bei den Saugferkeln stieg bis auf 45 % an. 
 

Die Untersuchung
Bei dem durchgeführten Besuch wurde ein sehr hoher Anteil (70%) an Würfen mit Zitterferkeln vorgefunden. In der Regel waren dann ganze Würfe betroffen. Die Ferkel zitterten am ganzen Körper, häufig in Wellen vom Kopf nach hinten verlaufend bei sägebockartiger Stellung der Gliedmaßen. Nach Berührung einzelner Ferkel vollführten diese regelrechte bockartige Sprünge auf allen vier Gliedmaßen gleichzeitig, wohingegen in Ruhe die Zittererscheinungen größtenteils oder ganz verschwanden.
4 Ferkel gelangten zur Untersuchung in ein staatliches Veterinär-Untersuchungsamt.
 

Die Ergebnisse 
Nach der Sektion und Durchführung weiterführender Untersuchungen konnten klassische Seuchen wie Schweinepest oder Aujeszkysche Krankheit ausgeschlossen werden. Bei der histologischen Betrachtung von Gehirngewebe waren sog. Vakuolen (Bereiche ohne jegliches Gewebe) in der Gehirnsubstanz zu sehen. 
    
   
Weiterer Verlauf 
Vermutet wird eine Infektion der Ferkel während der Trächtigkeit mit einem bis dato unbekannten Virus. Eine ursächliche Behandlung dieser Erkrankung ist bislang nicht bekannt. Auch in der Folge kam es in diesem Bestand zu gehäuftem Auftreten von Zitterferkeln. Bei überlebenden Ferkeln verringerte sich das Zittern mit zunehmenden Alter, um beim Absetzen in der Regel gänzlich verschwunden zu sein. Mit dem Abferkeln von Sauen im 2. Wurf verschwand die Symptomatik fast vollständig. Wenn noch Würfe mit Zitterferkeln auftraten, waren diese Würfe von Sauen, die im ersten Durchgang noch keine Symptome gezeigt hatten.
  
  
Diskussion 
Zitterferkel bzw. Zitterkrankheit ist ein immer mal wiederkehrendes Phänomen in neu aufgebauten Betrieben oder in Betrieben nach einer nicht unerheblichen Bestandsaufstockung.
Ursache ist eine (noch) nicht aufgebaute Immunität der Sauen gegen einen bis dato noch nicht bekannten Erreger; als Auslöser vermutet wird ein Virus.
 
Betroffene Ferkel zeigen die Symptome sofort oder innerhalb von Stunden nach der Geburt, wobei männliche und weibliche Ferkel gleichermaßen betroffen sind. Eine genetische Disposition bestimmter Rassen liegt nicht vor.
 
Die Intensität der Krämpfe kann sehr unterschiedlich sein; Ferkel mit milder Klinik genesen innerhalb von ein paar Tagen oder Wochen. Die Erkrankungsrate ist sehr hoch, die Verluste variieren je nach Ausprägung und sind durch Verhungern, Unterkühlung und Erdrücken bedingt.
 
Hinsichtlich der weiteren Prognose auf Bestandsebene bleibt zu vermerken, dass betroffene Sauen auf keinen Fall geschlachtet werden sollten. Im Gegenteil: Diese Sauen haben eine Immunität ausgebildet und sollten auf jeden Fall im Bestand verbleiben. Die Folgewürfe sind in aller Regel völlig normal.
 
Vorbeugend muss ein besonderes Augenmerk auf die Eingliederung von Jungsauen gelegt werden. Das Zusammenstallen mit Tieren des Altbestandes in der Quarantäne und/oder das Verfüttern von Nachgeburt aus betroffenen Würfen an Jungsauen vor dem Belegen (!) kann das Auftreten von Zitterferkeln deutlich reduzieren.
 
Im Einzelfall kann auch die Anwendung von Insektenbekämpfungsmitteln bei tragenden Sauen das Bild der Zitterkrankheit auslösen.
Der Vollständigkeit halber muss abschließend die differentialdiagnostische Abklärung von anzeigepflichtigen Tierseuchen erwähnt werden. 

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