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Fall des Monats November 2009

PRRS- und Mycoplasmensanierung im laufenden Sauenbetrieb 
Dr. Reinhold Heggemann, Praxis für tierärztliche Bestandsbetreuung und Qualitätssicherung im Erzeugerbetrieb Schwein in 25782 Tellingstedt 

Der Bestand 
Letzten Monat haben wir an dieser Stelle über einen Betrieb berichtet, der eine Totalrepopulierung wegen einer mit sehr hohen Kosten verbundenen APP-Problematik durchgeführt hat. Diesen Monat wollen wir Ihnen ein anderes Sanierungsprojekt vorstellen, bei dem es um eine PRRS und EP- Sanierung (Mycoplasma hyopneumoniae) im laufenden Sauenbetrieb unter Beibehaltung des Tierbestandes gehen soll. 


Der Fall 
Der Betrieb mit 450 Sauen hat bisher traditionell Babyferkel vermarktet, also Absatzferkel mit ca. 6-7 kg direkt an einen Mastbetrieb verkauft. Somit waren auf diesem Betrieb auch keine Stallungen für Absatzferkel vorhanden, sondern lediglich ein Bereich für die tragenden Sauen mit Abruffütterung, Belegestall und Abferkelabteile (2-Wochenrhythmus). 

Im Zuge von Veränderungen bei dem Mastbetrieb war absehbar, dass diese Verbindung in nächster Zeit aufgekündigt werden würde. In diesem Zusammenhang entstand dann bei dem Sauenbetrieb der Wunsch nach dem Neubau eines eigenen Flatdeckstalles für die abgesetzten Ferkel. Dieser sollte in räumlicher Trennung auf der anderen Straßenseite des bestehenden Sauenbetriebes entstehen. 





links: Neubau des Flatdeckstalles

rechts: links im Bild der neue Flatdeckstall. Der Sauenstall befindet sich auf der rechten Seite hinter dem Güllesilo.

Der Sauenbetrieb hatte bisher mit sehr stabilen Leistungen auf hohem Niveau produziert, sodass aus Sicht des Sauenhalters nicht zwingend über Sanierungen in irgendeiner Form nachgedacht worden wäre. In unserem Praxisbestand hatten wir allerdings auch einen Mastbetrieb mit desolatem Gesundheitsstatus (Von dem Betrieb werden wir nächsten Monat berichten!), der von der Größe her genau zu diesem Sauenbetrieb passte. 

Daraus entstand die Idee einer Sanierung in beiden Betrieben mit dem Ziel, Bestände zu entwickeln und anschließend zu koppeln, die frei sein sollten von PRRS, Mycoplasma hyopneumoniae (M.hyo), APP, Schnüffelkrankheit, Dysenterie und PIA (Lawsonieninfektion)! 

Beide Betriebe (Sauenhalter und Mäster) haben eine sehr gute, entfernte Lage zu nächsten Schweinebetrieben, sodass einer Sanierung, auch unter dem Aspekt des Reinfektionsrisikos nichts im Wege stand. 


Die Planungen 
Im Vorwege eines solchen Sanierungsvorhabens sind umfangreiche Planungen notwendig. 
Zunächst wurde mit den beteiligten Landwirten, Vermarkter, Jungsauen- (und Eberlieferant) sowie Tierarzt ein gemeinsames Gespräch geführt, bei dem alle Aspekte des Vorhabens, wie zeitlicher Ablauf, Kosten, Einsparungen nach der Sanierung, genetische Ausrichtung, Gesundheitsstatus der Tiere, etc. besprochen wurden. Der Zeitplan und die Abfolge von bestimmten Dingen muss zwingend mit allen Beteiligten besprochen, koordiniert und verstanden werden. Die Daten eines Zeitplanes sind unbedingt schriftlich zu fixieren und peinlich genau einzuhalten. Wenn nur ein Mosaikstein im gesamten Gefüge fehlt oder nicht exakt passt, ist der gesamte Sanierungserfolg gefährdet! 

In diesem konkreten Fall mussten folgende Abläufe koordiniert werden: 
- Sanierung des Sauenbetriebes 
- Einbeziehung der Jungsauen und Eber in der Quarantäne (ca. 20 km entfernt) 
- Vermarktung von diversen Ferkelpartien zu bestimmten Zeitpunkten 
- Neubau Flatdeckstall, erster Einstalltermin 
- Vorbereitende Maßnahmen im Mastbetrieb (letzter Einstalltermin alter Ferkellieferant, Bestandsabbau, Reinigung, Desinfektion, erster Einstalltermin neue Ferkel) 


Die Sanierung 
Ziel der Sanierung des Sauenbetriebes sollte die anschließende Freiheit von PRRS, M. hyo., APP, Schnüffelkrankheit, Dysenterie und PIA (Lawsonieninfektion) sein. Zu den einzelnen Erregern bzw. Erkrankungen gab es folgende Historien: PRRS war in dem Sauenbetrieb 2x klinisch aufgetreten, zuletzt im Jahr 2004, nachdem im Jahr 2000 die PRRS-Impfung eingestellt worden war. Wichtig: Zu diesem Zeitpunkt befanden sich noch Absatzferkel auf dem Betrieb, die höchstwahrscheinlich als Erregerreservoir fungiert haben! Der Betrieb wurde seitdem alle 4 Monate gegen PRRS geimpft. Zugekaufte Jungsauen und Eber 2x in der Quarantäne, obwohl sie aus einem PRRS freien Bestand kamen. 
Der Bestand war ebenfalls auf Mycoplasmen und PIA positiv, bezüglich APP, Schnüffelkrankheit und Dysenterie gab es keinerlei Hinweise auf das Vorhandensein der entsprechenden Erreger (weder klinisch noch diagnostisch). 
Der Fokus der Sanierung musste sich somit auf PRRS, M.hyo. und PIA richten. 
Aus der Literatur sind verschiedene Sanierungsversuche gegen diese drei Krankheiten bekannt, allerdings mit unterschiedlichem Erfolg. Sanierungen gegen PRRS und M.hyo. wurden mittlerweile in verschiedenen Ländern erfolgreich durchgeführt, wohingegen Versuche gegen PIA in laufenden Betrieben (!) bislang alle gescheitert sind. Zu erreichen ist sehr wohl eine kurz- oder sogar mittelfristige deutliche Verbesserung der klinischen Erscheinungen und auch Nachweise von Lawsonien gelingen häufig nicht mehr, sodass ein Sanierungserfolg suggeriert wurde. Letztendlich kam es aber immer wieder, häufig nach ca. 2 Jahren, zum Nachweis des Erregers oder auch zu klinischen Erscheinungen. Dabei wurden ganz unterschiedliche Präparate, Impfstoffe und verschiedene Verfahren eingesetzt, letztendlich aber- wie bereits ausgeführt- ohne dauerhaften Erfolg. 
Aus diesen Gründen haben wir auf eine speziell gegen die PIA gerichtete Sanierung verzichtet und uns auf die PRRS und Enzootische Pneumonie, verursacht durch M. hyo. konzentriert. 

Der Sanierungszeitpunkt ergab sich durch das Bauvorhaben des Flatdeckstalles und die zukünftige, eigene Ferkelaufzucht. Da Aufzuchttiere generell als Erregerreservoir anzusehen sind, sollte hier für die Sanierung unbedingt noch die Zeit vor der ersten Absetzung eigener Ferkel genutzt werden. Eine Sanierung vor der Aufstallung eigener Aufzuchttiere ist wesentlich sicherer, kostengünstiger und einfacher durchzuführen. 

Vor Beginn der eigentlichen Sanierung sind zunächst flankierende Maßnahmen durchzuführen. Dazu gehören das Ausdünnen des Bestandes wo immer möglich; potentielle Schlachttiere sind aus dem Bestand zu entfernen. Der Betrieb ist aufzuräumen, Spritzen und Kastrationsbestecke sind zu reinigen, zu desinfizieren oder zu erneuern; gebrauchte Kanülen zu entsorgen. 

Der Zukauf oder die Einstallung von Tieren, die jünger sind als 270 Tage (9 Monate) wie Jungsauen oder Eber, ist zu unterlassen oder besser in einen separaten Stall Quarantäne) auszulagern. So entstehen keine „Löcher“ in den Belegegruppen, respektive Abferkelgruppen.
In unserem Fall wurden die Jungsauen aus dem neuen EP- und PRRS- freien Lieferbetrieb in einen räumlich und personell getrennten Quarantänestall aufgestallt und auch belegt, um dann nach der Sanierung in den Sauenbetrieb überführt zu werden. 

Start der Sanierung: Dazu wurden die Sauen und Eber zweimal im Abstand von 4 Wochen mit einem Lebendimpfstoff gegen PRRS geimpft. Die Jungsauen und Eber in der Quarantäne waren PRRS frei und mussten nicht in dieses Impfprogramm einbezogen werden. 
Einen Monat später wurden alle Sauen und Eber zweimal im Abstand von 2 Wochen gegen M.hyo geimpft. Diese Maßnahmen dienen einfach dazu, eine mögliche Erregerausscheidung zu minimieren und einen einheitlichen Immunstatus der Herde herzustellen. 
3 Wochen nach der letzten Impfung erhielten dann alle Tiere des Bestandes (!!) per Injektion 2 x im Abstand von 10 Tagen ein spezielles, für die Tiermedizin hergestelltes, halbsynthetisches Makrolidantibiotikum, welches etwaige im Organismus vorhandene Mycoplasmen zuverlässig eliminiert. Für die Anwendung bei sehr kleinen Tieren muss dieses Präparat verdünnt werden! Prinzipiell ist auch mit einem anderen Mittel eine Medikation über Wasser oder Flüssigfutter möglich. Um den Sanierungserfolg nicht zu gefährden, setzt dies allerdings eine kontinuierliche Aufnahme in ausreichender Dosierung voraus. Diese ist nicht immer gegeben, zumal ab einer bestimmten Konzentration auch Akzeptanzprobleme auftreten können. Die Verabreichung mittels Injektion ist zwar aufwändiger, aber deutlich sicherer und bei den hohen Kosten auf jeden Fall die zu bevorzugende Methode! 

Wichtig:In der Phase der Medikation dürfen auf dem Betrieb außer den Saugferkeln keine Tiere unter 270 Tagen (9 Monate) Alter vorhanden sein! 

Ab diesem Zeitpunkt finden keinerlei Impfungen oder Behandlungen weder gegen M.hyo noch PRRS statt. 


Weiterer Verlauf 
Vor der ersten Lieferung sanierter („sauberer“) Ferkel in den neuen Flatdeckstall wurden zur Kontrolle 10 Tonsillentupfer von Ferkeln auf M.hyo und PRRS mittels PCR untersucht. Diese Untersuchung wurde wiederholt durchgeführt und verlief immer negativ. Eine serologische Untersuchung von Blutproben auf M.hyo und PRRS- Antikörper ist zumindest in den ersten 6-9 Monaten nach der Sanierung nicht zielführend, da durch die durchgeführten Impfmaßnahmen immer wieder einzelne positive Proben auftreten können. Insofern ist nur der direkte Erregernachweis für den Erfolg oder Misserfolg der Sanierung ausschlaggebend. 

 



Erregernachweis mittels Tonsillentupfern


Ein Jahr nach der Sanierung beproben wir jetzt das Flatdeck alle 3 Monate und kontrollieren über Blutproben kontinuierlich den PRRS und EP Status. Die gleiche Untersuchung wird in der Quarantäne durchgeführt, bevor die jeweils erste Jungsauengruppe in den Sauenbetrieb überführt wird. 


Bis heute hat der Betrieb den Status: EP und PRRS freier Bestand! 


Diskussion 
Eine Sanierung von schweinehaltenden Betrieben auf PRRS und/oder EP ist grundsätzlich möglich, bedarf aber einer guten Planung und versierter, fachlicher Begleitung. Speziell in diesem Fall war eine Sanierung durch die besonderen Rahmenbedingungen relativ einfach. Die Kosten für die Sanierung beliefen sich auf ca. 15000,- Euro. Diese amortisieren sich durch die eingesparten Impfkosten für M.hyo (bei den Ferkeln) und PRRS (bei den Sauen) nach noch nicht einmal 1,5 Jahren! Selbst unter Berücksichtigung der Tatsache, dass es zweifelsohne ein Reinfektionsrisiko gibt, eine lohnende Investition. Wichtig für das Reinfektionsrisiko ist auch die zukünftige und konsequente Einbindung des Betriebes in ein Hygienemanagement, dass Personen- und Tierverkehr, Futterlieferungen, Gülleabfuhr, etc. berücksichtigen muss. 

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