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Fall des Monats November 2003

Spreizerferkel und sehr hohe Ferkelverluste 
Dr. Reinhold Heggemann, Tellingstedt 

Der Bestand
Diesen Monat wollen wir Ihnen einen interessanten Fall vorstellen, bei dem gehäuft Grätscher- bzw. Spreizerferkel auftraten. Der Betrieb hat 380 Sauen und produziert Mastferkel. Die genetische Grundlage der Sauen ist eine moderne 3-Linien Hybridsau, die mit Pietrain-Genetik angepaart wird. Der KB-Anteil liegt bei 70%; die restlichen 30% werden im Natursprung belegt.


Der Fall
Der Betrieb beklagte eine zu hohe Saugferkel-Verlustrate, die bei 16% lag. Insbesondere wurde das Auftreten von zu vielen Spreizerferkeln bemängelt.


Die Untersuchung
Sowohl beim Stalldurchgang, als auch bei der Auswertung der Saugferkelverluste anhand der Produktionsdaten konnte das überproportionale Auftreten von Spreizerferkeln bestätigt werden.



In den letzten 12 Monaten machte der Anteil der Spreizerferkel ca. 60% aller Saugferkelverluste aus! Jungsauenwürfe waren gleichermaßen betroffen wie Würfe von multiparen Sauen (Altsauen). Bei den auffälligen Würfen wurden auch die dabei eingesetzten Eber überprüft. Dabei fiel auf, dass ca. 90% der Belegungen in den betroffenen Würfen mit dem gleichen Eber durchgeführt worden waren. Es handelte sich hierbei um den ältesten Bestandseber, der im Natursprung eingesetzt wurde.


Mögliche Ursachen
Das Phänomen „Spreizerferkel“ ist lange in der Schweineproduktion bekannt und das Spektrum der möglichen Ursachen sehr weit gefächert. Pathologisch handelt es sich hierbei um eine „Myofibriläre Hypoplasie“, also um eine mangelhafte Ausbildung oder Ausreifung von Muskelfasern. Als mögliche Ursachen wird eine zu geringe Energieversorgung während der Trächtigkeit diskutiert; ebenso soll ein Defizit an Spurenelementen und/oder Vitaminen das Auftreten von Spreizerferkeln begünstigen. Eine mangelhafte Ausbildung von Muskelfasern wird auch mit einer verkürzten Tragezeit in Verbindung gebracht. Dieses ist häufiger bei großen Würfen oder auch bei zu früher Geburteinleitung gegeben. Toxinbelastetes Futter - insbesondere im letzten Viertel der Trächtigkeit - soll ebenfalls zu vermehrten Spreizern führen. 

Bei diesen möglichen Zusammenhängen handelt sich häufig mehr um klinische Eindrücke oder empirische Denkansätze, teilweise aber auch um statistische Auswertungen von Produktionsdaten. Im Zusammenhang mit Spreizerferkeln werden auch Umweltfaktoren diskutiert. So soll eine zu niedrige Temperatur im Ferkelnest und/oder glatte, rutschige Böden (Kunststoffroste) das Auftreten von Spreizern begünstigen. Genetische Faktoren wurden bis dato eigentlich nur in der Form genannt, als dass männliche Ferkel häufiger als weibliche und Würfe von Pietrain-Sauen (Ebervermehrer) häufiger betroffen sind. Ein direkter Einfluss seitens des Ebers wurde meines Erachtens bislang in der Literatur noch nicht diskutiert. In dem vorliegenden Fall erschien uns aufgrund der klaren Datenlage aber gerade diese Komponente als die wahrscheinlichste.


Weiteres Vorgehen
Der in Verdacht stehende Eber wurde ab sofort nicht mehr zum Decken eingesetzt und ca. 2 Wochen später der Schlachtung zugeführt. Zwei noch verbliebene Bestandseber und eine intensivierte Nutzung der künstlichen Besamung konnten den „Verlust“ ohne Probleme auffangen.


Verlauf
In den weiteren vier Monaten traten immer noch gehäuft Spreizerferkel auf. Diese Ferkel stammten wie bisher in der ganz überwiegenden Mehrzahl von besagtem Eber ab, der bereits geschlachtet wurde. Nach diesen 4 Monaten ging das Auftreten von Spreizern schlagartig zurück und tendierte gegen Null. Dieser Zustand gilt auch heute noch, nachdem fast 11 Monate vergangen sind. In unserer Praxis war dies der erste Fall, wo die Spreizerferkel-Problematik so eindeutig einem einzelnen Eber zugeordnet werden konnte.


Pigpool Fazit
Bei gehäuftem Auftreten von Grätscher- oder Spreizerferkeln sollte man - neben allen anderen zuvor genannten möglichen Ursachen - auch die eingesetzten Eber einer kritischen Prüfung unterziehen.

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