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Fall des Monats November 2001

Hustende Mastschweine haben nicht immer Husten! 

Dieser Fall des Monats erreichte uns aus den Niederlanden. Dr. B. hat dieses Geschehen im September diesen Jahres beobachtet und aufgezeichnet, an dieser Stelle unseren herzlichen Dank dafür!


Der Bestand
Im vorliegenden Fall handelt es sich um einen gut geführten Mastbetrieb mit 600 Mastplätzen. Der Kammstall wird im Rein-Raus-Verfahren betrieben. Eine betriebseigene Vormast ist angeschlossen.
In der Vormast werden die Tiere trocken über Trog gefüttert, im Mastbereich sind Breiautomaten installiert. Der Hygienestatus und das Management sind als vorbildlich zu beschreiben. Alle Hygienemaßnahmen, Erkrankungen und Behandlungen werden in diesem Betrieb seit Jahren sorgfältig dokumentiert, in der Bestandshistorie ist seit der Betreuung kein spektakulärer Krankheitsfall aufgetreten. Die Ferkel stammen aus immer denselben Zuchtbetrieben und sind routinemäßig mit Mykoplasma - Totimpfstoff geimpft.


Vorbericht
Der Betriebsleiter hatte einen plötzlichen auftretenden Husten in 2 Abteilen bemerkt. Es waren ca. 60 Tiere der Endmast, ca. 80kg Lebendgewicht betroffen. Die Futteraufnahme war dramatisch zurückgegangen.


Untersuchung
Ca. die Hälfte der Schweine in den betroffenen Abteilen zeigte starke Störungen des Allgemeinbefindens: die Tiere husteten stark nach dem Auftreiben, legten sich ungewöhnlich schnell wieder hin. Bei vielen lag ein eitriger Nasenausfluss vor. Die betroffenen Schweine wiesen Muskelzittern und einen steifen Gang auf. Die Messung der Körpertemperatur ergab Werte bis 41,5°C. Die Erkrankung trat in fast jeder Bucht dieser Abteile auf. 2 Tiere waren kurz zuvor verendet. 


Verdachtsdiagnose
Aufgrund des akuten Verlaufes, der hohen Körpertemperatur, der Symptomatik und nicht zuletzt aufgrund der Jahreszeit bestand der Verdacht auf eine Infektion mit Influenza-Viren, zu der sich ein bakterieller Begleitkeim gesellt hatte. Daraufhin wurde sofort eine Therapie mit Tetrazyklinen über das Futter und bei besonders stark betroffenen Tieren per Injektion begonnen.
 


Weitere Untersuchungen
Im Verlauf der klinischen Untersuchung wurden von einigen Tieren mit Nasenausfluss Nasentupferproben entnommen. Eines der verendeten Schweine wurde noch an diesem Donnerstag zur Sektion in eine Untersuchungsanstalt gebracht.


Weiterer Verlauf
Über das Wochenende wurde eine geringgradige Besserung der Symptome sichtbar. Der Husten ging in Häufigkeit und Stärke zurück, die Schweine fraßen wieder mehr. Jedoch konnten täglich neu erkrankte Tiere beobachtet werden, die dann ebenfalls per Injektion behandelt werden mussten. Ein weiteres Schwein verendete.
 


Untersuchungsergebnisse
In den Nasentupferproben konnte mittels Fluoreszenzserologie kein Hinweis auf das Vorhandensein von Influenza- oder PRRS- Viren gefunden werden. 
In der bakteriologischen Untersuchung wurden Streptokokkus suis, Bordetella bronchiseptica, versch. Hämophilus- und Mikrokokken- Spezies nachgewiesen.

Die Sektion des verendeten Schweines ergab eine akute, eitrige Leptomeningitis (Entzündung der weichen Hirnhäute), hervorgerufen durch Streptokokkus suis. In der Lunge des Tieres wurde Pasteurella multocida nachgewiesen.
Die virologische Untersuchung ergab auch hier, dass weder Influenza- noch PRRS- Viren am Geschehen beteiligt waren.

Ein Resistenztest wurde für alle beteiligten bakteriellen Erreger durchgeführt. 
Streptokokkus suis: resistent für Tetrazykline, aber voll empfindlich für Amoxycillin,
Pasteurellen und Bordetellen: voll empfindlich für Tetrazykline und teilweise resistent für Amoxycillin.
 


Therapieumstellung
Das Untersuchungsergebnis lag am Montag vor. Die Therapie wurde sofort auf Amoxycillin über das Futter umgestellt, der Erfolg war im Wochenverlauf deutlich sichtbar. Alle Symptome besserten sich, auch die Futteraufnahme erreichte fast das Niveau der Zeit vor der Erkrankung. 


Diskussion
Mit Vorliegen der Laborergebnisse war klar, dass es sich in diesem Fall nicht um eine reine Atemwegsinfektion handelte. Dafür hatte auch schon in den Tagen zuvor das nur begrenzte Wirken der Medikation hingewiesen. Die Infektion mit Streptokokkus suis, dem Erreger der Hirnhautentzündung war sehr schnell verlaufen, so dass es bei vielen Tieren zu einer Septikämie kam. D.h. der Erreger verbreitete sich rasch im ganzen Tier, eine Ausbildung von klassischen Symptomen fehlt hierbei oft. Die Reaktion auf dieses Geschehen ist das hohe Fieber, das Muskelzittern und der steife Gang, der von Schmerzen in den Gelenken herrührt. Bei diesem schnellen Verlauf der Infektion werden die typischen Symptome wie eine gestreckte Kopfhaltung oder eine zwanghafte Seitenlage mit Ruderbewegungen oft nicht beobachtet. Durch die Ausbreitung der Keime im gesamten Organismus stehen häufig Lahmheiten oder Lungenentzündungen im Vordergrund.

Die Untersuchung von nicht behandelten Tieren bzw. Proben war gerade in diesem Fall von großer Bedeutung. Der Verlauf wäre mit Sicherheit wesentlich schwerer gewesen, wenn die Medikation nicht bereits nach 4 Tagen umgestellt worden wäre, auch die finanziellen Verluste wären ungleich höher gewesen. Es ist einerseits sehr wichtig, mit den therapeutischen Maßnahmen sehr schnell zu beginnen und auch alle Tiere der betroffenen Abteile zu behandeln. Werden vor dem Einsatz von Antibiotika keine Proben entnommen, verschenkt man aber die Option, einem untypischen Krankheitsgeschehen auf die Spur zu kommen, und damit auch die Möglichkeit einer sehr gezielten Behandlung. In diesem Fall wurde die Erstmedikation von einer naheliegenden Verdachtsdiagnose bestimmt, konnte jedoch bereits nach wenigen Tagen durch das Laborergebnis berichtigt werden.
 

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