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Fall des Monats Mai 2003

Unklare Erkrankung mit Todesfällen im Flatdeck  

Der Betrieb
Es handelt sich in diesem Fall um einen ferkelerzeugenden Betrieb mit 700 Sauen und eigenem Flatdeck. Die Herde ist seit 1996 PRRS-positiv (Porzines Reproduktives und Respiratorisches Syndrom). Die Sauenherde wird alle 4 Monate gegen PRRS geimpft, die Ferkel jeweils beim Absetzen. Darüber hinaus werden bestandsweise Impfungen gegen Parvovirose, Rotlauf und Influenza bei den Sauen im halbjährigen Rhythmus durchgeführt. Gegen E. coli - Durchfälle bei den Ferkeln wird eine Muttertierschutzimpfung vorgenommen. Die Ferkel erhalten eine Mykoplasma hyopneumoniea - Prophylaxe als einmalige Impfung mit einem One-Shot-Impfstoff.


Das Problem
Plötzlich traten im Flatdeck unspezifische Krankheitserscheinungen auf. Die Ferkel machten einen "kranken" Eindruck, ohne typische Symptome auszubilden. Sie wuchsen deutlich auseinander, der Anteil an Kümmerern stieg deutlich an. Es kam auch zu vermehrten Todesfällen. 


Die klinische Untersuchung
Dem herbeigerufenen Tierarzt bot sich folgendes Bild: 3 Ferkel waren bereits verendet, einige andere zeigten sogenannte ZNS-Symptomatik (= zentralnervöse Symptome), sie lagen auf der Seite, hielten den Kopf in den Nacken und ruderten mit den Beinen. Andere zeigten Durchfall, viele Tiere sahen sehr mager aus, wieder andere hatten deutliche Schwellungen an den Gelenken der Gliedmaßen.


Verdachtsdiagnose
Es wurde aufgrund der klinischen Untersuchung die Verdachtsdiagnose "Glässersche Krankheit im Zusammenspiel mit Streptokokken-Meningitis gestellt. 


Laborergebnisse
Wegen des unklaren Krankheitsbildes wurden die 3 verendeten Ferkel zur Untersuchung eingeschickt. Folgende Untersuchungsergebnisse wurden erhoben:


  • Porzine - Circo - Virus2 - Infektion bei allen 3 Tieren
  • Porzine Tescho - Virus - Infektion bei 2 Tieren (wobei das Porzine Teschen-Virus Serotyp 1, der Erreger der anzeigepflichtigen Teschen-Talfan-Disease, ausdrücklich ausgeschlossen wurde.)
  • Salmonella typhimurium var. copenhagen - Infektion bei 2 Ferkeln
  • Infektion mit Haemophilus parasuis, dem Erreger der Glässerschen Krankheit bei einem Tier,
  • Infektion mit E. coli, Erreger der Oedemkrankheit bei einem Tier
  • ausgeschlossen wurden eine AK- (Aujeszkysche Krankheit) und ESP- (Europäische Schweinepest) -Infektion.


Therapie
Da eine Therapie gegen Circo- und Teschenvirus nicht möglich ist, wurde die Therapie der betroffenen Tiere anfänglich auf die Erreger wie die Salmonellen, Haemophilus und E. coli ausgerichtet. Nach den vom Labor durchgeführten Resistenztesten bekamen die betroffenen Ferkel die Antibiotika Colistin und Amoxycillin über das Trinkwasser.


Weiterer Verlauf
Bei den behandelten Tieren gingen die Symptome zurück, das Auseinanderwachsen verringerte sich. Jedoch zeigten auch die folgenden Gruppen neuaufgestallter Ferkel ähnliche Krankheitserscheinungen: vor allem traten wieder Tiere mit der "ZNS-Symptomatik" auf. Bei genauerer Beobachtung konnte festgestellt werden, dass die Tiere nur Lähmungserscheinungen zeigten. Im Unterschied zu den Symptomen, die bei einer Hirnhauthautentzündung (verursacht durch Streptokokken) auftreten, war in diesem Fall deutlich, dass die betroffenen Ferkel ihre Umgebung wahrnehmen konnten. Ihr Sensorium war also erhalten, was für die Teschen-Disease spricht. 

Darüber hinaus waren jetzt auch Ferkel zu beobachten, die eine deutliche Entzündung der Haut (Dermatitis) und eine Gelbfärbung der Haut (Ikterus) zeigten. Es handelt sich hierbei um die Ausprägung des Porzinen Dermatitis-Nephropathie-Syndroms (PDNS), eine Variante der Circovirus-Infektion.





















Typisch hierfür sind: Futterverweigerung, Störung des Allgemeinbefindens, Körpertemperatur bis 41°C, besonders umschriebene, teilweise ineinander übergehende Blutungen in der Haut und in der Unterhaut, die später als hämorrhagisch-nekrotisierende Hautläsionen erscheinen sowie Unterhautödeme, verbunden mit Lymphknotenschwellungen in der Leistengegend.


Therapiemaßnahmen
In der Praxis haben sich bei der Bekämpfung des PMWS und des PDNS folgende Maßnahmen bewährt: 

1. Stress vermeiden

2. Hygiene verbessern

3. Tierverkehr und -kontakte reduzieren

4. Andere Erreger kontrollieren



Im Einzelnen sollte man auf folgende Punkte besonderes Augenmerk legen:

"Stress vermeiden":
  • Keine Neugruppierungen
  • Belegdichte optimieren (ein Schwein weniger ist oft mehr)
  • Futter- und Wasserverfügbarkeit zu jeder Zeit sichern 
  • Temperaturen optimieren 
  • Beschränkte Buchtengröße (max. 13 Tiere)
  • Impfprogramm und -zeitpunkt (z.B. NICHT beim Absetzen impfen) 
  • Schadgase minimieren 
  • Luftführung kontrollieren (Zugluft)
  • Parasitenkontrolle 
  • Wasserqualität


Der Punkt "Hygiene verbessern" erfordert folgende Maßnahmen, wenn noch nicht durchgeführt: 
  • Rein/Raus (konsequent!) 
  • Reinigung / Desinfektion konsequent und richtig durchführen 
  • Hygiene der Instrumente (Spritzen reinigen, Skalpellklingen wechseln) 
  • Kanülenwechsel (nach jeder Bucht, mindestens jedoch nach jedem Abteil) 
  • Kein Zähnekneifen 
  • Jungsauen- und Ebereingliederung mit ausreichender Quarantäne 
  • Krankenabteil 
  • Personenschleuse mit Schutzkleidung (keine Schmutzkleidung!!!!) 
  • Kadaverlagerung und -abholung ohne Kontaminationsgefahr für den Bestand 
  • Schadnagerkontrolle und Bekämpfung (nicht erst bei Befall)

"Tierverkehr und -kontakte reduzieren"
  • Konsequentes Rein/Raus 
  • Keine Rücksetzungen von Kümmerern in jüngere Gruppen 
  • Keine Neugruppierungen 
  • Kein Wurfausgleich nach 24 Stunden 
  • Geschlossene Buchtentrennwände 
  • Beschränkte Buchtengröße 
  • Frühe Trennung von kranken Tieren (Krankenabteil) 
  • Frühe Merzung von Kümmerern

"Erregerkontrolle" 
  • Diagnostik konsequent durchführen 
  • eventuell Impfungen 
  • bestehende Impfprogramme straffen (besteht noch in jedem Fall eine Notwendigkeit?) 
  • Behandlungen konsequent durchführen, keine zu kurze Behandlungsdauer 
  • Behandlungen nur nach Resistenztest (keine Schrotschüsse) 
  • Erregerübertragung durch Zukauf, Besucher und Vektoren vermeiden

Dieser Maßnahmenkatalog wurde dem Betrieb an die Hand gegeben. Einige der Maßnahmen wurden natürlich bereits routinemäßig durchgeführt, es gab jedoch noch einiges, was zu verbessern war. Die antibiotische Therapie wurde noch weiter durchgeführt, da Prophylaxemaßnahmen nicht sofort greifen.

Es dauerte einige Zeit, bis die Krankheitsfälle, wie sie oben beschrieben sind, aufhörten. Die Verbesserung der Hygienemaßnahmen etablierte sich in den Arbeitsablauf und wird nun nicht mehr als störend empfunden.

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