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Fall des Monats Juni 2009

Und plötzlich werden alle schwarz 
Dr. Reinhold Heggemann, Praxis für tierärztliche Bestandsbetreuung und Qualitätssicherung im Erzeugerbetrieb Schwein Dr. Reinhold Heggemann, 25782 Tellingstedt  

Der Bestand   
Diesen Monat stellen wir Ihnen einen Ferkelerzeuger vor, der mit 500 Sauen Ferkel für verschiedene Mäster produziert. Der Betrieb ist im Laufe der letzten Jahre kontinuierlich gewachsen und führt aufgrund der Bestandssituation oder teilweise auf Mästerwunsch zahlreiche Ferkelimpfungen, nämlich gegen PRRS, Circo, Mycoplasmen und APP durch. Die Remontierungsrate liegt mit ca. 50 % relativ hoch.
  
  
Der Fall   
Der Landwirt rief an und berichtete verzweifelt von seiner Lage: Seit bereits einem Jahr habe er massive Probleme mit nässendem Ekzem bei den Absatzferkeln, ca. 1-2 Wochen nach dem Absetzen. Alle bisherigen Maßnahmen wie Zähneschleifen, Desinfektionsmaßnahmen, Waschungen, antibiotische Metaphylaxe etc. seien wirkungslos geblieben. Neben dem erhöhten Arbeitsaufwand, den erhöhten Medizinierungskosten seien insbesondere auch die hohen Verluste von bis zu 15 % deprimierend. 
 
Links:Ursache für gneralisiertes Ekzem sind oft Bissverletzungen bei Saugferkeln im Kopfbereich.






Rechts: Ferkel mit Ferkelruss im nicht mehr therapierbarem Endstadium





Die Untersuchung
 
Bei dem durchgeführten Besuch wurden alle Stallabteile besichtigt, die produktionsbezogenen Daten und Fakten abgefragt, sowie das bei den Jungsauen, Altsauen und Ferkeln etablierte, derzeitige Impf- und Entwurmungsprogramm aufgenommen. Die vom Haustierarzt durchgeführten Untersuchungen von 2 Ferkeln, sowie deren Ergebnis wurden eingesehen. Erwartunsgemäß wurden der Erreger des nässenden Ekzems (Staphylococcus hyicus), sowie weiterhin St.aureus nachgewiesen. Der Resistentest wies gegen St.hyicus die üblicherweise und auch die in diesem Betrieb eingesetzten Medikamente als wirksam aus.
 
Das durchgeführte Impfprogramm und die zootechnischen Maßnahmen im Detail:
 
1- Jungsauen bei Ankunft: CIRCO, Mycopl., 1. PRRS 
         plus nach 3 Wochen: Rotl./Parvo und 2. PRRS
 
3- Altsauen:  Rotl./Parvo Bestandsimpfung alle 5 Monate
                      PRRS Bestandsimpfung alle 5 Monate
                      Coli/Clostridien produktionsbezogen mit bestandsspezifischen Impfstoff
    
                     Entwurmung: Bestand alle 6 Monate
 
4- Ferkel,    1. LT: Kastration und Zähneschleifen
                    2. LT: Eisen + Streptokokken Metaphylaxe
                  10. LT: PRRS + Mycopl. + Circo + Ohrmarke
                  50. LT: APP
 
Die Ergebnisse   
Der beim Stalldurchgang gewonnene Eindruck war durchaus positiv. Der Bestand machte einen gut organisierten, hygienischen Eindruck; bei den Tieren gab es- bis auf das bekannte Problem nach dem Absetzen- keine weiteren Anhaltspunkte. In der nachfolgenden Diskussion und Besprechung der Historie, des derzeitigen Geschehens, der bereits durchgeführten Maßnahmen und des Impfprogrammes etc. stellte sich heraus, dass die Impfungen bei den Jungsauen teilweise (Mycopl. + 1. PRRS) als Mischspritze verabreicht wurden. Auf Nachfrage bestätigte sich der Verdacht, dass dies auch bei den Ferkeln so gehandhabt wurde (Mycopl. + PRRS). Insgesamt wurde die Fülle und die Zeitpunkte der Maßnahmen bei den Ferkeln als kritisch eingestuft.
 

Weiteres Vorgehen  
Das Ziel der Beratung musste zunächst eine grundlegende Optimierung der zootechnischen Maßnahmen sein. Dazu wurde festgelegt, am ersten Lebenstag (LT) der Ferkel keinerlei Maßnahmen durchzuführen, um die für die Immunitätsausbildung so wichtige Kolostrumaufnahme der Ferkel nicht zu stören. Des weiteren wurde die Kastration und Eisengabe auf den zweiten LT zusammengefasst.
Zusätzlich wurde die Sauenherde einmal komplett gegen Circovirus geimpft.
 
Um den Einfluss der verschiedenen Impfungen bei den Ferkeln bzw. deren Kombinationen auf das klinische Geschehen zu bewerten, wurden drei verschiedene Gruppen gebildet. Bei der ersten Gruppe wurden keinerlei Impfungen während der Säugezeit durchgeführt. In der zweiten und dritten Gruppe wurde jeweils am 14. LT eine Dreifachimpfung (PRRS+Mycopl.+CIRCO), bzw. eine Zweifachimpfung (Mycopl.+CIRCO) in getrennter (!!) Spritze verabreicht.
Alle weiteren Impfungen (APP und/oder PRRS oder CIRCO oder Mycopl.) wurden in das Flatdeck um den 50.LT verlegt.
 
Zur besseren Übersicht die „Versuchsgruppen“ noch einmal in der folgenden Tabelle:
Maßnahmen
Gruppe 1
Gruppe 2
Gruppe 3
Lebenstag
1
---
---
---
2
Kastration
Eisen
Kastration
Eisen
Kastration
Eisen
14
---
PRRS + Mycopl. + Circo
Getrennte Impfung !
Mycopl. +
Circo Impf.
Getrennte Impfung !
21
---
---
---
Flatdeck
ca. 50. LT
APP + Mycopl.
Circo
APP
APP + PRRS
 
 

















Weiterer Verlauf
   
Leider zeigte sich bei den verschiedenen Absetzgruppen kein einheitliches Bild. In der ersten Gruppe, in der keinerlei Impfungen durchgeführt worden sind, erkrankten ca. 80% der Ferkel an nässendem Ekzem. Diese Gruppe wurde allerdings in ein nicht desinfiziertes Abteil eingestallt.
 
Die zweite Absetzgruppe hatte zeitgleich am 14. Lebenstag eine getrennte Impfung gegen Mycoplasmen-, Circo- und PRRS erhalten. In dieser Gruppe erkrankten ca. 60 % der Ferkel und mussten antibiotisch behandelt werden. Dennoch verendete ein Ferkel. Das Abteil war nicht desinfiziert.
 
Die dritte Gruppe, in der am 14. Lebenstag eine getrennte Mycoplasmen- und Circoimpfung verabreicht wurde, ist dann beim Absetzen noch mal in 2 Untergruppen geteilt worden: 50 % der Ferkel erhielten metaphylaktisch 1 ml eines Antibiotikums, die anderen 50% erhielten keine Antibiose. In beiden Untergruppen erkrankten lediglich insgesamt 5 Ferkel, wobei kein Unterschied zwischen behandelten und unbehandelten zu finden war. Das Abteil dieser Gruppe war desinfiziert.
 
Bei allen Ferkeln waren die Zähne geschliffen.


Diskussion  
Nach derzeitigem Kenntnisstand konnte im vorliegendem Fall bisher keine eindeutige Ursache für das Auslösen des nässenden Ekzems gefunden werden. Völlig unerwartet und zunächst nicht zu erklären ist das massive Auftreten in der Gruppe 1, die keinerlei Impfung erhalten hatte.
Um weitere Einflussfaktoren einzugrenzen, sollen die nächsten Absetzungen nochmals gemäß dem Schema der Gruppe zwei und drei laufen. Beide Gruppen sollen dann in desinfizierte Abteile eingestallt werden. Außerdem stammen jetzt alle geborenen und abgesetzten Ferkel von Circo-geimpften Sauen.
 
Das Auftreten von nässendem Ekzem bei Absatzferkeln in einer solchen Vehemenz und Beständigkeit (über 1 Jahr) ist dem Autor bisher so nicht bekannt. Bislang konnte ein Auftreten dieser Erkrankung immer gut therapiert und durch vorbeugende Maßnahmen wie Zähneschleifen, spez. Desinfektionsmaßnahmen oder Änderungen im Management in der Folge verhindert werden.
 
Kritisch wurde hier zunächst die Vielzahl der Impfungen und die Verabreichung der Impfstoffe gesehen und als mögliche Ursache im Sinne einer Überforderung der Immunsysteme verdächtigt. Gemäß dieser Theorie hätte sich dann aber die Gruppe 1 (ohne jegliche Impfungen) ohne nennenswerte Erkrankungsrate präsentieren müssen. Stattdessen wies sie eine Erkrankungsrate von ca. 80% auf.
 
Insofern bleibt die Ursache für das massive Auftreten der Erkrankung ohne erkennbare Systematik zunächst verborgen. Wir werden weiter an diesem Fall arbeiten und zu gegebener Zeit berichten.
 
Gerne würden wir auch Anregungen und Tipps aus der Praxis und von Kollegen zu diesem Fall hören!  

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