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Fall des Monats Juni 2007

Verluste im Flatdeck
Dr. Reinhold Heggemann, Tierärztliche Bestandsbetreuung und Qualitätssicherung im Erzeugerbetrieb Schwein, 25782 Tellingstedt 

Der Bestand   
Der heutige Fall ist ein Ferkelerzeugerbetrieb mit ca. 250 Sauen. Der Betrieb ist PRRS frei; die Sauen werden lediglich gegen Rotlauf/Parvo und Coli/Clostridien, sowie die Ferkel gegen Mycoplasmen mit einem One-shot Impfstoff immunisiert. Durch eine Umstellung der Sauenfütterung, der Fütterungstechnik und der Genetik wurde im letzten Jahr eine Leistungs-steigerung von ca. 20 % realisiert. Die Ferkel werden mit ca. 30 kg an einen Mäster verkauft.   
 

Der Fall   
In dem Betrieb waren in der Vergangenheit immer wieder, z.T. massive Verluste ca. 10-14 Tage nach dem Absetzen aufgetreten. Die Tiere verendeten akut bis perakut und zeigten teilweise rudernde Bewegungen in Seitenlage, bläuliche Verfärbungen, geschwollene Augenlider etc. Aufgrund der durchgeführten Diagnostik konnte eine ursächliche Beteiligung sowohl von Streptokokken als auch von E.coli- Bakterien nachgewiesen werden. Eine Metaphylaxe im entsprechenden Zeitfenster mit Amoxicillin und Colistin war geboten. Dabei wird das Amoxicillin über das Wasser und das Colistin ab Futtermittelwerk über das Ferkelfutter verabreicht. Außerdem wurde das Futter und die Fütterungstechnik bei den abgesetzten Ferkeln geändert. Das Verlustgeschehen hatte sich durch diese Maßnahmen um 2/3 reduziert. Bei der letzten Absetzgruppe traten jedoch plötzlich wieder massiv Verluste von ca. 15% im Flatdeck auf. 
Dieses war zunächst insofern unerklärlich, als dass sich an der Metaphylaxe oder ansonsten nichts geändert hatte. Die Tiere verendeten wie früher sehr schnell unter den oben beschriebenen Symptomen.

  
Die Untersuchung   
Beim Stalldurchgang zeigten sich die übrigen Ferkel relativ unauffällig. Zwei frisch verendete und ein moribundes Ferkel wurden sofort zur weiteren und eingehenden Untersuchung in ein Untersuchungsinstitut verbracht. Aufgrund des massiven Verlustgeschehens war letztlich auch der Ausschluss einer Tierseuche notwendig. Um die laufende Metaphylaxe über das Futter mit Colistin zu überprüfen, wurde zusätzlich auch eine Futterprobe entnommen und zur Untersuchung auf den Colistingehalt gegeben. 
    

Das Ergebnis   
Bei zwei von den drei untersuchten Ferkeln lag eine Entzündung des Darmes vor. Alle anderen Organe, insbesondere auch das Gehirn war bei allen drei Tieren ohne besonderen Befund. 
  
Bakteriologisch wurde der Sektionsbefund ergänzt und bestätigt, indem bei allen drei Ferkeln aus dem Darm verschiedene, krankmachende E.coli Erreger isoliert werden konnten (Stämme: O8:K87, O141:K85 ac, O?:K88). Alle Ferkel waren frei von PRRS, Circovirus, Schweinepest und Aujeszkysche Krankheit. 
  
Die Untersuchung der Futterprobe lag nach etwa 14 Tagen vor. Der Gehalt an Colistinsulfat konnte mit 22 mg Colistinsulfat/ kg Futter ermittelt werden. 
  
  
Diagnose und Therapie   
Die Untersuchung der Ferkel ergab ein in sich schlüssiges Bild und konnte als Diagnose nur eine „Infektion mit E.coli“ zur Folge haben. Sicher ausgeschlossen werden konnte eine Beteiligung von Streptokokken und/oder Hämophilus parasuis (Glässersche Krankheit). 
  
Die Untersuchung der Futterprobe  ergab einen viel zu niedrigen Gehalt an Colistinsulfat. Dieser hätte rechnerisch bei ca. 125 mg/ kg Futter, also der fünffachen Menge, liegen müssen.   
  

Der Verlauf 
Durch die Lieferung einer neuen Futtercharge beschränkte sich das erhöhte Verlustgeschehen nur auf eine Absetzgruppe mit allerdings insgesamt 15 toten Ferkeln. Obwohl unter dem neuen Futter bisher keine Klinik auftrat, ist von der neuen Futterlieferung vorsorglich eine Rückstellprobe gezogen worden. 
    

Diskussion und Bewertung   
Offensichtliches Therapieversagen kann verschiedene Gründe haben: Das Erregerspektrum hat sich möglicherweise geändert, beteiligte Erreger haben Resistenzen gegen den eingesetzten Wirkstoff ausgebildet oder der Wirkstoff ist - wie in diesem Fall - nicht oder nur in unzureichender Dosierung vorhanden. 
  
Die Wiederkehr von „alten“ Problemen unter strategisch und diagnostisch abgesicherter Medikation sollte immer eine Überprüfung der Ist-Situation (Untersuchung) und eine Kontrolle der Maßnahmen (Medikation, Futter, Fütterung) beinhalten. Bei der Überprüfung der verschieden möglichen Fehlerquellen bzw. Ursachen stellt sich automatisch auch die Frage, ob oder was möglicherweise verändert worden ist. Auf entsprechende Befragung werden Veränderungen dabei in aller Regel verneint. Hierbei wird dann häufig übersehen, dass auch eine neue Futterlieferung eine Änderung der Verhältnisse darstellt. 
  
Die in diesem Falle nachgewiesene Unterdosierung des Medikamentes im Futter konnte im Nachhinein durch die Tatsache erklärt werden, dass anstatt der verordneten 5 kg des Präparates lediglich 1 kg eingemischt worden ist. 

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