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Fall des Monats Juli 2008

Hohe Verluste im Flatdeck - Nicht immer ist es Circo!
Jens Jungbloot, Praxis für tierärztliche Bestandsbetreuung und Qualitätssicherung im Erzeugerbetrieb Schwein Dr.Reinhold Heggemann, 25782 Tellingstedt

Der Bestand   
Diesen Monat geht es um einen Ferkelerzeuger mit 430 Sauen und angegliedertem Flatdeck. Die Sauenherde ist PRRS positiv und geimpft. Weitere Impfungen erfolgen gegen Parvo/ Rotlauf und Influenza, die Ferkel erhalten in der ersten Lebenswoche eine Mykoplasmen one shot Impfung. Seit langem bestehen im Flatdeck Probleme mit der Ödemkrankheit; deshalb wird dort metaphylaktisch ein Colistin/Zinkoxyd Präparat eingesetzt. 

  
Der Fall  
Im Frühjahr 2008 traten vermehrt Gelenkentzündungen, Hustensymptome und Kümmern auf. Die Verluste im Flatdeck stiegen auf ca. 8% an.
  

Diagnostik und Ergebnisse  
Es wurde ein Läuferschwein zur Untersuchung in ein Labor geschickt. Folgende Erreger wurden gefunden: 

Organ

Befund

Organ

Befund

 
Lunge

 

Pasteurella multocida +++

Hämophilus parasuis +

 

Lunge – PCR

PRRS US positiv

PRRS EU negativ

Hämophilus parasuis neg.

APP neg.

PCV 2 neg.

Mycoplasma hyorhinis pos.

Mycoplasma hyopneumoniae pos.

Darm

E. coli (nicht. typisierbar) +

Hefen ++

 

 

Gelenke

 

steril

Gelenk – PCR

Hämophilus parasuis neg.

Mycoplasma hyosynoviae neg.

Gehirn

E.coli +

Listeria monocytogenes +

 

 

   
Aufgrund des Verdachtes einer Pasteurellen- und Hämophilusinfektion wurde vom Hoftierarzt unter Berücksichtigung der Resistenzlage eine orale Therapie mit Tetracyclin eingeleitet. Versuchsweise wurde bei den Ferkeln mit der PCV 2 – Impfung begonnen, da in der Vergangenheit einzelne PDNS – Fälle in einem nachgelagertem Mastbetrieb auftraten. Weitergehende Diagnostik erfolgte nicht.  

   
Weiterer Verlauf   
Plötzlich traten im Flatdeck vermehrt perakute Todesfälle auf und eine große Zahl von Ferkeln kam zum Festliegen. Ca. 100 Tiere waren davon betroffen. Bei sofortiger Behandlung mit Enrofloxacin gesundeten die Tiere wieder. 
  
Zu diesem Zeitpunkt wurde unsere Praxis vom Landwirt um Unterstützung gebeten. 
Beim ersten Stalldurchgang waren in der Abferklung bis auf eine etwas erhöhte Zahl von Ferkeln mit Gelenkentzündungen keine Auffälligkeiten festzustellen. Im Flatdeck traten in einzelnen Gruppen vermehrt Kümmerer auf. 6 Ferkel waren festliegend in gestreckter Seitenlage mit getrübtem Sensorium. Sie gehörten unterschiedlichen Altersgruppen an, der Ernährungszustand war uneinheitlich. 
  











Ferkel mit akuter Streptokokken-Infektion




Weitere Diagnostik   
Es wurden 2 Läufer zur Sektion gebracht und 5 Blutproben zur Feststellung des Infektionszeitpunktes einer eventuellen Circovirusinfektion bei Tieren Ende des Flatdecks entnommen (IgM/IgG-Differenzierung). 
  
Pathologisch wurden bei beiden Tieren hochgradige Unterhautödeme im Kopfbereich festgestellt, histologisch eine hochgradige serofibrinöse Leptomeningitis (Gehirnhaut-entzündung). Ein Erregernachweis der PCV2 (Circovirus) konnte nicht geführt werden. 
  
Bei der bakteriologischen Untersuchung wurden nur im Gehirn sowohl Streptococcus suis als auch alpha-hämolysierende Streptokokken in hohem Maße gefunden. 
  
In allen Organen war eine geringe Besiedlung mit nicht typisierbaren E.coli – Keimen und Staphylokokken zu finden, in der Lunge zusätzlich noch Hämophilus ssp. 
Die Listerienanreicherung war negativ. 
Die IgG und IgM – Untersuchung auf  PCV 2 war  in allen 5 Proben komplett negativ. 
  

Diagnose  
Streptococcus suis – Infektion mit Begleitflora ohne Beteiligung von PCV 2. 
  

Therapie   
Auf Grund der ersten Verdachtsdiagnose nach dem Stalldurchgang wurde sofort eine orale Therapie mit Trimethoprim/Sulfadiazin (TMS) eingeleitet. Das Antibiotikum überwindet sehr gut die Blut – Hirnschranke und ist erfahrungsgemäß gegen Streptokokken, Listerien und Pasteurellen wirksam. Es trat auch eine sofortige Besserung ein. 
  
Nach Erstellung des Resistenztestes zeigte sich, dass die ebenfalls beteiligten Staphylokokken und Hämophilus ssp. gegen TMS resistent waren; deshalb erfolgte eine Therapieumstellung auf Amoxicillin oral. 
Die PCV 2 Impfung der Ferkel wurde eingestellt, da eine Circoinfektion der Ferkel sicher ausgeschlossen werden konnte. 
Um den Erregerdruck zu senken und die Fälle von Gelenkentzündungen zu verringern, wurden die Ferkel am ersten Lebenstag mit einem Langzeit-Ceftiofur-Präparat behandelt. 
Nach dem Absetzen erfolgt für die Dauer von 10 Tagen eine Medizinierung mit Amoxicillin. 
Weitere, allgemeine hygienische Maßnahmen zum Zeitpunkt des Abferkelns, sowie speziell Spritzenhygiene, Schwanzkupiertechnik, Zähne schleifen, Nabelhygiene, Gesäugekontrolle, Bodenoberfläche, wurden besprochen und verbessert. 
  
Um die Coli- Belastung insgesamt zu verringern, erfolgte eine Futteranpassung auf rohfaserreicheres, energieärmeres und mit Benzoesäure angereichertes Futter. Daraufhin konnte auf den Einsatz von Colistin gänzlich verzichtet werden. 
  
  
Diskussion  
Die Infektion der Ferkel mit Streptokokken erfolgt über die Muttersau. Auf deren Schleimhäuten sind hervorragende Bedingungen für die Vermehrung der Bakterien gegeben. Die ersten Lebenstage sind für die Ferkel besonders kritisch; vor allem Wunden bieten Eintrittspforten für die Streptokokken (Nabel, Kampf- und Schürfwunden). Bei allen zootechnischen Maßnahmen ist somit auf höchste Hygiene zu achten. 
  
Abferkelabteile sollten im Rein – Raus – Verfahren belegt werden, die Abteile müssen gründlich gereinigt, desinfiziert und vor allem getrocknet werden. Die Sauen sollten mit einem geeigneten Waschpräparat in den Abferkelstall eingewaschen werden, der Wurfausgleich muss nach der Kolostrumaufnahme innerhalb der ersten 24 Stunden erfolgen. Es empfiehlt sich, die Nabelschnur direkt nach der Geburt zu kürzen und zu desinfizieren, Zähne sollten abgeschliffen und auf keinen Fall abgekniffen werden! Der Schwanz kann mit einem Heißschneider kupiert werden, um auch hier Wundinfektionen zu vermeiden. Die Kastration muss so früh als möglich erfolgen, zwischen den Würfen sollten die Instrumente gewechselt und desinfiziert werden. 













Kratz- und Bisswunden können Eintrittspforten für Streptokokken sein.

  

Im Flatdeck ist Überbelegung zu vermeiden; je 10 Ferkel sollte eine Tränke vorhanden sein, gerade beim Anfüttern müssen genügend Fressplätze zur Verfügung stehen (evtl. zusätzlicher Längsttrog). Um Rangkämpfe zu minimieren sind Umstallungen weitestgehend zu vermeiden. Zurücksetzungen von abfallenden Tieren sind unbedingt zu unterlassen, moribunde Tiere sollten frühzeitig unter tierschützerischen Aspekten euthanasiert werden. Auch hier sind die Abteile im Rein – Raus – Verfahren zu belegen. 
  
In diesem Fall wurde die Pasteurellen- und Hämophilusinfektion am Anfang mit Tetracyclin behandelt. Es ist sehr wahrscheinlich, dass dadurch für die dagegen resistenten Streptokokken eine ökologische Nische ohne Konkurrenzkeime geschaffen wurde. 
  
Es ist dies auch wieder einmal ein Fall, der zeigt, dass es nicht genügt, nur ein Tier zur Diagnostik zu bringen. Häufig erhält man so keine aussagekräftige Diagnose für den Bestand, sondern nur eine Momentaufnahme eines Einzeltieres. Trotz relativ hoher Kosten für Diagnostik möchten wir an dieser Stelle ausdrücklich für eine systematische, zielgerichtete Bestandsdiagnostik appellieren! 

An den Mäster erging die Empfehlung, im eigenen Bestand Blutproben zu ziehen, um eine mögliche PCV 2 Infektion und den Infektionszeitpunkt bzw. Impfzeitpunkt zu bestimmen. 

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