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Fall des Monats Juli 2007

Neuer Mastbestand mit hohen Ausfällen
Jens Jungbloot, Praxis Dr. Reinhold Heggemann, 25782 Tellingstedt 

Der Bestand   
Der heute vorgestellte Bestand ist ein neu gebauter Mastbetrieb mit ca. 3000 Plätzen, unterteilt in 16 Abteile zu 184 Tieren. Die Fütterung ist eine Sensor-Flüssigfütterung mit einem Tier-Fressplatzverhältnis von 2:1. Bereits während der Bauphase begann der Landwirt Tiere aufzustallen. Dabei belegte er die zuerst fertiggestellten Abteile in doppelter Tierzahl, um die noch im Bau befindlichen Abteile später mit schwereren Tieren bestücken zu können. Die Mastläufer wurden aus einer PRRS-negativen Sauenherde bezogen. Das dortige Flatdeck läuft problemlos. Die Ferkel sind mit einem sog. One-shot-Impfstoff gegen Mycoplasma hyopneumoniae geimpft. 
  
  
Der Fall   
Die aufgestallten Läufer zeigten bei der Ankunft einen guten Allgemeinzustand, bekamen aber rasch wässrigen bis breiigen Durchfall, der bräunlich und teilweise gelb war. Dieser Durchfall hielt sich hartnäckig. 3 Wochen nach Aufstallung konnte man ein deutliches Auseinanderwachsen beobachten. Einzelne Tiere kümmerten. Dazu kamen einzelne Tiere mit Lungenentzündungen, andere Tiere mit typischer Circovirusklinik, die sich sowohl in PDNS als auch PMWS- Symptomatik äußerte. Die Verluste in den einzelnen Abteilen variierten zwischen 7 und 10 Prozent! 

      
  Tiere mit PMWS (Circovirus)                                               Schwein mit akuter PDNS (Circovirus)


Die Untersuchung   
Von den frisch erkrankten Läufern wurden zwei Tiere zur Sektion gebracht. Des weiteren wurde Sammelkot aus mehreren Buchten bakteriologisch untersucht. Das Ergebnis der Sektion lautet: 

 

Tier 1          

pathologischer Befund

geringgradige Spitzenlappenpneumonie

 

bakteriologischer Befund 

Lunge

Streptococcus suis ++

Pasteurella multocida ++                      
Haemophilus sp. +

 

Darm

Streptococcus suis ++

E. coli +                             
Salmonella derby +

 

Organe

Streptococcus suis +

 

PCR- Untersuchung

PCV-2   positiv

Haemophilus parasuis positiv

 

parasitologischer Befund    

kein Nachweis

Tier 2      

pathologischer Befund  

mittelgradige Spitzenlappenpneumonie hochgradige katharrhalische Enteritis

 

bakteriologischer Befund 

Lunge

Streptococcus suis +++

E. coli +                                                      Haemophilus sp.   +

 

Darm

E. coli O138 K81 +++                                 Salmonella derby +

 

Organe

E. coli ++

 

PCR-Untersuchung    

PCV-2 positiv

 

parasitologischer Befund   

kein Nachweis

                                                                                                                            
Bei der Sammelkotuntersuchung  wurden ebenfalls E. coli und Salmonella derby gefunden. Die Erreger der PIA und Dysenterie konnten nicht nachgewiesen werden. 
  
  
Diagnose und Therapie  
Bei diesem Fall handelte es sich um eine Circovirusproblematik mit Beteiligung von Streptococcus suis als Leitkeim. Die Durchfallprobleme sind auf E. coli, gefördert durch das ungünstige Tier-Fressplatzverhältnis zurückzuführen. Alle weiteren Erreger sind sicher als Sekundärkeime zu betrachten. Im Resistenztest erwies sich Amoxicillin als wirksam gegen alle nachgewiesenen Erreger ( nur E. coli O138 K81 intermediär). Deshalb wurden die Tiere 10 Tage mit Amoxicillin in einer Dosierung von 20 mg/kg KGW oral mediziniert. Sobald die Platzverhältnisse es zuließen, wurden die Tiere ausgedünnt und normale Platzverhältnisse geschaffen. 
  
  
Weiterer Verlauf   
Bei den erkrankten Gruppen blieb das Mastergebnis trotz der Amoxicillinbehandlung unbefriedigend. Zurückgefallene Tiere holten die Leistung nicht mehr auf und auch die Verluste blieben bis zum Mastende überdurchschnittlich. 
  
Neu zugekaufte Läufer konnten hingegen von Beginn an in normaler Belegdichte aufgestallt werden und verblieben bis Mastende auch in der jeweiligen Gruppe. Metaphylaktisch bekamen sie die ersten 10 Tage nach Einstallung eine Amoxicillinbehandlung.  Diese Tiere zeigten keinerlei Klinik; die Entwicklung war mit durchschnittlich 790 g Tageszunahme sehr gut und die Verluste lagen unter 2 Prozent. 
  
  
Diskussion und Bewertung   
Stressoren, Stresseinwirkungen und Stressbewältigung in der Nutztierhaltung sind immer wieder Gegenstand von Untersuchungen und mehr oder weniger wissenschaftlichen Abhandlungen. Bei dem hier beschriebenen Fall konnten wir ganz konkret die negativen Auswirkungen von Stress beobachten. Der in der Praxis tätige Tierarzt und auch der Landwirt im Stall kennt solche Situationen, die aber selten so konkret greifbar sind, wie in dem geschilderten Betrieb. Stressoren in der Schweinehaltung und die Beschäftigung damit sind insbesondere durch zwei Ereignisse wieder in das Bewusstsein gerückt worden: Die PRRS und das Auftreten von Circovirus (PCV2). In diesem Zusammenhang wurden Checklisten entwickelt, Stressoren benannt, goldene Regeln aufgestellt, von guter landwirtschaftlicher Praxis war die Rede usw. (siehe auch Expertenrunde: “Checkliste zur Kontrolle von Circovirus“). Letztendlich kann man dies alles zusammenfassen in die Volksweisheit, dass weniger manchmal mehr ist und außerdem Tiergesundheit nicht ein Geschenk des Himmels ist, sondern erarbeitet werden muss.  
  
Im vorgestellten Fall wird deutlich, dass einzig und allein die anfängliche Überbelegung ursächlich für die Circoviruserkrankung war. Allein diese Tatsache führte zum Zusammenbruch der Immunität mit den bekannten Folgen und entsprechenden ökonomischen Schäden. PRRS und auch gerade Circovirus verzeihen keine sogenannten Managementfehler.
  
Anstatt die Haltungsbedingungen im eigenen Betrieb kritisch zu analysieren und gegebenenfalls zu korrigieren, scheinen viele nur auf die Einführung eines Impfstoffes zu warten. Dieser setzt aber anerkannte Regeln der Schweineproduktion und der Tierhygiene nicht außer Kraft! 
Die gesetzlich formulierten Haltungsbedingungen wie in der Tierschutz-Nutztierhaltungs-Verordnung sind  Mindestanforderungen. Es bleibt jedem überlassen, z.B. ein Schwein weniger pro Bucht einzustallen, als es die Fläche hergeben würde. 
Wie gesagt..... Weniger ist manchmal mehr. 

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