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Fall des Monats Januar 2004

Therapieversagen im Flatdeck?! 
Dr. Reinhold Heggemann, 25782 Tellingstedt 

Der Bestand
Diesen Monat stellen wir Ihnen einen Betrieb vor mit ca. 600 Sauen, der die abgesetzten Ferkel in einem separaten Flatdeck in ca. 400 m Entfernung zum Sauenstall aufzieht (sog. two site production oder SEW). Der Bestand ist seit Jahren PRRS- und Circovirus- positiv. Die Sauen werden regelmäßig gegen PRRS mit einem Lebendimpfstoff geimpft. Das Absetzalter der Ferkel beträgt 3 Wochen und die Bestückung des Flatdecks erfolgt wöchentlich Abteilweise Rein/Raus. Da in der Vergangenheit immer wieder Probleme mit Coli- und/oder Streptokokken- Infektionen bei den abgesetzten Ferkeln auftraten, wurde in das Gebäude eine zweite, separate Wasserleitung installiert, um gezielt und schnell bei Bedarf Medikamente Abteilweise über das Trinkwasser zu verabreichen. Aufgrund mehrfacher Untersuchungen von verendeten Ferkeln wurde entsprechend verschiedener Resistenzteste Colistin gegen die Coli- Infektionen und bei Bedarf Amoxicillin gegen die Streptokokken eingesetzt. 


Der Fall

Der Besitzer schilderte am Telefon, dass seit drei Tagen dramatische Verluste im Flatdeck auftreten. Jeden Tag würden 5-7 Ferkel perakut verenden. Husten sei nicht zu hören; Einzeltiere hätten Durchfall, ansonsten sei der Bestand klinisch unauffällig. Hauptsächlich seien Ferkel betroffen, die vor ca. 5-6 Wochen abgesetzt worden seien. Das Geschehen sei insofern unverständlich, als das ja Colistin über das Trinkwasser verabreicht würde. Es müsse sich wohl um ein neues Krankheitsgeschehen handeln mit Erregern, die gegenüber Colistin resistent seien.
 


Die Untersuchung
Bei dem am gleichen Tag durchgeführten Bestandsbesuch präsentierten sich die abgesetzten Ferkel in den verschiedenen Altersgruppen extrem unterschiedlich. Die Gruppen bis 4 Wochen nach dem Absetzen zeigten eine normale Gewichtsentwicklung ohne vermehrte Verluste. In den Gruppen 5-6 Wochen nach dem Absetzen dann ein völlig anderes Bild: In beiden Abteilen (10 x 25 Tiere/Abteil) fielen Einzeltiere mit wässrigem, grünlichem Durchfall auf, des weiteren Freßunlust und Mattigkeit der Tiere. In beiden Abteilen waren in den letzten 24 Stunden 5 bzw. 6 Ferkel verendet. Diese wiesen tief liegende Augen, teilweise bläuliche Verfärbungen an den Ohren und feuchte, verschmierte Analbereiche auf. Die Person, die normalerweise das Flatdeck betreut, war wegen Urlaub nicht anwesend. Dieser Bereich wurde derzeit von der Person, die ansonsten in der Abferkelung arbeitet, mit abgedeckt. Die Kontrolle der Tränkenippel ergab, dass diese alle Wasser führten. 


Weiteres Vorgehen
Nach dem Bestandsdurchgang und der Kontrolle der Tiere wurde das Gerät für die Trinkwassermedikation und die Dosierung des eingesetzten Mittels überprüft. Dabei ergaben sich zunächst keine Auffälligkeiten; das Gerät arbeitete einwandfrei, der Verbrauch pro Tag erschien gemäß den Tierzahlen schlüssig und die Dosierung des Medikamentes entsprach ebenfalls den Tierzahlen und den Gewichten. Bei der weiteren Inspektion der Wasserleitung hin zu den einzelnen Abteilen wurde festgestellt, dass die Abteile, wo die Verluste auftraten, nicht mit mediziniertem Wasser versorgt wurden, sondern mit normalem Trinkwasser. Es wurde vergessen, die entsprechenden Absperrhähne zu öffnen bzw. zu schließen. Der Grund für dieses Versäumnis ist wahrscheinlich in der Urlaubsvertretung zu suchen, da diese sich nicht routinemäßig mit der Applikationstechnik beschäftigt. 


Verlauf
Als sofortige Maßnahme wurden die Ferkel in den beiden auffälligen Abteilen mit einem gegen E.coli wirksamem Injektionspräparat behandelt. Dadurch wurde ein schneller, therapeutischer Wirkspiegel in den Tieren erreicht. Gleichzeitig wurden die entsprechenden Absperrhähne im Trinkwassersystem so geschlossen bzw. geöffnet, dass mediziniertes Wasser zur Verfügung stand. Am gleichen Tag verendeten noch zwei Ferkel, bei denen die Infektion schon so weit fortgeschritten war, dass jede Hilfe zu spät kam. In den folgenden Tagen traten keine Verluste mehr auf; die Ferkel fraßen wieder normal und Tiere mit Durchfall wurden nicht mehr beobachtet. 
  

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