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Fall des Monats Dezember 2009

Leistungsexplosion durch Sanierung der Tiergesundheit im laufenden Mastbetrieb
Dr. Reinhold Heggemann, Praxis für tierärztliche Bestandsbetreuung und Qualitätssicherung im Erzeugerbetrieb Schwein, 25782 Tellingstedt 

Der Bestand 
Letzten Monat haben wir Ihnen einen Sauenbetrieb vorgestellt, in dem wir eine PRRS- und Mycoplasmensanierung im laufenden Verfahren durchgeführt haben. Diesen Monat wollen wir in Ergänzung und Fortführung dazu über die Sanierung des angeschlossenen Mastbetriebes mit 2000 Plätzen berichten. 


Der Fall
 
Der Maststall ist 2006 als moderner Kammstall komplett neu gebaut worden. Er wird Abteilweise im Rein/Raus-Verfahren betrieben. Ferkel wurden über einen Händler zugekauft. Mittelfristig war der Ferkelbezug aus nur einer Herkunft geplant; damit der Stall aber schneller voll belegt werden konnte, wurden kurzfristig Ferkel aus sieben verschiedenen Herkünften eingestallt! Gravierende gesundheitliche Probleme waren somit vorprogrammiert, zumal zu dieser Zeit eine Impfung, z.B. gegen Circovirus, noch nicht verfügbar war. 


Die Untersuchung

Bei dem im Jahre 2007 durchgeführten Erstbesuch präsentierte sich die Tiergesundheit in einem schlechten Zustand. Husten, Durchfall, Augenentzündungen, Auseinanderwachsen, zu geringeres Wachstum, blasse Tiere, Schweine mit Hautflecken, etc. waren augenscheinlich feststellbar. 
Für weiterführende Untersuchungen wurden zwei Tiere ausgewählt und 10 Blutproben aus verschiedenen Altersgruppen und Lieferbetrieben entnommen. Zusätzlich kamen noch Kotproben zur Untersuchung. 



Schwein mit deutlicher Lidbindehautentzündung


Die Ergebnisse 
Die Vielzahl der Ergebnisse lassen sich wie folgt zusammenfassen: Nachweis von Circovirus, PRRS, Mycoplasmen, APP, Glässer, PIA, Dysenterie und Influenza H1N2. Die detaillierte Auswertung der Untersuchungsergebnisse zeigte zudem sehr deutlich, dass die verschiedenen Herkünfte mit ganz unterschiedlichem Gesundheitsstatus angeliefert worden waren. Alte und neue Infektionen liefen so fortwährend nebeneinander ab und ließen keine stabile Gesundheitslage im Bestand zu. 


Weiteres Vorgehen 
Als Notfallmaßnahme war zunächst eine sofortige Medikation des gesamten Bestandes unumgänglich. Als zweiter Schritt wurden die Ferkellieferungen sofort auf nur einen Lieferbetrieb umgestellt. Ein Auslaufen des Bestandes und Kompletträumung des Betriebes mit Reinigung und Desinfektion vor Neueinstallung der neuen, einzigen Ferkelherkunft wurde aus Kostengründen abgelehnt. 


Weiterer Verlauf 
Die neue Ferkelherkunft wies zwar einen besseren und einheitlichen Gesundheitsstatus auf, musste sich aber dennoch mit den „Altlastkeimen“ auseinandersetzen. Im Verlaufe der Mast kam es immer wieder zu akuten Gesundheitseinbrüchen; eine Einstallmetaphylaxe war unumgänglich und im Jahre 2008 trug dann die Circoimpfung zu einer deutlichen Stabilisierung bei. 
Die Ferkel erhielten beim Ferkelerzeuger mit PRRS, Circo und Mycoplasmen drei Impfungen, die zwar eine deutliche, gesundheitliche Stabilisierung brachten, aber auch relativ hohe Kosten verursachte. Trotz dieser Kosten und zusätzlicher Kosten für die Einstallmetaphylaxe, sowie Akutbehandlungen konnte das Mastergebnis letztendlich nicht befriedigen. 

Nach fast zwei Jahren mit diesen Gegebenheiten reifte dann doch der Entschluss zur Sanierung. Dabei wollten wir ein Verfahren nutzen, dass in dieser Form bisher nur selten zum Einsatz gekommen ist: Die Sanierung eines Bestandes bei laufendem Betrieb. 

Für so ein Sanierungsverfahren sind verschiedene Voraussetzungen zu erfüllen: 

1. Alle Beteiligten müssen dieser Verfahren wollen und verstehen. 
2. Eine eventuell vorhandene Erzeugervorstufe ist zuerst zu sanieren. 
3. Der Bestand ist zeitlich befristet und im Vorwege zu reduzieren. 
4. Das Konzept ist betriebsspezifisch unter Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten zu entwickeln und umzusetzen. 
5. Definition der Erreger, die vorhanden sind und eliminiert werden sollen oder können. 
6. Kritische Bewertung der Reinfektionsgefahr. 

Aufgrund der Tatsache, dass die örtlichen Gegebenheiten für so ein Sanierungsverfahren von entscheidender Bedeutung sind, sollen hier nur die wichtigsten Prinzipien eines solchen Verfahrens erläutert werden: 
Um im laufenden Betrieb eine Trennung zwischen altem (krankem) und neuem (gesundem) Bestand zu realisieren, ist die Tierzahl im Betrieb zu reduzieren. Dies erreicht man in aller Regel dadurch, dass zeitlich befristet keine weiteren Ferkel mehr eingestallt werden und somit Abteile oder Gebäudeteile nach und nach leer laufen, um dann umgehend gereinigt und desinfiziert zu werden. Dadurch wird im Betrieb eine sogenannte (Luft)-Blase geschaffen, die sich dann im Laufe des Sanierungsverfahrens durch den Betrieb schiebt und die Trennung zwischen Alt- und Neubestand darstellt. 
Eine weitere, im Vorfeld abzuklärende Frage ist der Immunstatus/Ausscheidungsstatusder Tiere in verschiedenen Altersgruppen. Unter Umständen kann eine einmalige Bestandsmedikation oder eine einmalige Impfmaßnahme sinnvoll sein, um die Erregerausscheidung und somit den Infektionsdruck zu senken. Dazu gehört auch die parallel durchzuführende, intensive Bekämpfung von Schadnagern. 

In unserem Falle waren die örtlichen Gegebenheiten insofern optimal, da der Betrieb klar strukturiert ist, über mehrere Eingänge verfügt und eine gute Einzellage aufweist. Verschiedene Eingänge benötigt man in der Phase, wenn auf dem Betrieb noch Reste des Altbestandes und schon Tiere aus der neuen Herkunft bzw. mit neuem Gesundheitsstatus auf dem Betrieb sind. Zwischen diesen beiden Teilbeständen ist in der Übergangszeit eine konsequente Trennung sicherzustellen!! 

Wie lief die Sanierung jetzt konkret ab? 
Als erste Maßnahme wurden keine Ferkel mehr eingestallt, sodass nach und nach Abteile geräumt werden konnten (sog. Blase). Die einzelnen Abteile verfügen alle über einen eigenen Güllekeller und wurden nach Räumung sofort gereinigt und desinfiziert. Dabei kamen abschließend auch Spezialmittel zum Einsatz, die zuverlässig den Erreger der Dysenterie abtöten. 

Diese so entstehende „Blase“ aus leeren Abteilen muss zwingend an einem Ende des Betriebesinstalliert werden! Dies ist möglicherweise durch Umstallung von Resttieren in andere Abteile zu realisieren. So wurden insgesamt 6 Abteile (3 auf jeder Seite des Zentralganges) geräumt. Eine in der Mitte auf dem Zentralgang installierte provisorische Trennwand gewährleistete eine räumliche Trennung zwischen Alt- und Neubestand. Diese Trennwand wanderte in der Folge mit dem „leer werden“ der Abteile weiter mit durch den Bestand, der jetzt über zwei verschiedene Eingänge, auch personell getrennt voneinander, versorgt wurde. 

Klar strukturierter Maststall, an dessen einem Ende mit der Sanierung begonnen wurde.


Die Neubelegung der sauberen Abteile geschah nun in der Weise, dass zwischen alter und neuer Herkunft zu jeder Zeit mindestens ein leeres Abteil als Sicherheitspuffer lag. 
So wurden nach und nach die Abteile frei, gereinigt und desinfiziert, sowie nach frühestens 4 Wochen wieder neu belegt.
Sehr hilfreich hat sich in dieser Zeit die Vorstellung erwiesen, dass man sich bewusst macht, vorrübergehend zwei verschiedene Bestände auf einem Standort zu haben, die in allen Bereichen zu trennen sind! Dazu gehören dann logischerweise auch die entsprechenden Hilfs- und Bedarfsgegenstände wie Treibebretter, Schutzkleidung, Kennzeichnungsspray, Instrumente, Hochdruckreiniger , etc, etc,.., die jeweils nur in dem einen oder anderem Teil eingesetzt werden dürfen. 



Zentralgang, der bei der Sanierung durch eine provisorische Trennwand getrennt und verschlossen wird. 


Bei aller räumlichen Trennung innerhalb des Stalles bleibt natürlich die Frage der Übertragungsmöglichkeit von Erregern durch die Luft zwischen den verschiedenen Abteilen. Dieses Risiko ist bei den einzelnen Erregern sehr unterschiedlich, bei einigen sogar überhaupt nicht vorhanden, sodass auch hier eine einzelbetriebliche Bewertung erfolgen muss. Auf keinen Fall sollte man sich von diesem Restrisiko entmutigen lassen, da es im Rahmen einer solchen Sanierung häufig nur eine untergeordnete Rolle spielt. 
Bei einem klar gegliedertem Gebäude ist es hilfreich, die „Blase“ zuerst an dem Ende des Stalles zu schaffen, der zur Hauptwindrichtung liegt. Aber auch unter suboptimalen Umständen ist ein Sanierungserfolg realisierbar. In unserem Fall hatten wir die „Blase“ an das Stallende Richtung Südwest gelegt und prompt war die Hauptwindrichtung in den ersten 3 Wochen der Sanierung aus östlichen Richtungen. 


Diskussion 
Eine Sanierung von spezifischen Erregern/Krankheiten ist unter bestimmten Voraussetzungen auch im laufenden Betrieb möglich, sinnvoll und im Vergleich zu einer Totalräumung wesentlich kostengünstiger. 
In unserem Fall stellte sich ein umfassender Sanierungserfolg ein; der Mastbetrieb ist jetzt seit 9 Monaten frei von PRRS, M. hyo, Glässer, APP, Influenza und Dysenterie. 
Nachgewiesene Erreger sind nach wie vor Circovirus und Lawsonien (PIA). Ein Vergleich der Erreger/Krankheiten vor und nach der Sanierung stellt sich in der Übersicht wie folgt dar: 
(+ = vorhanden, - = nicht vorhanden) 

Erreger/Krankheit

Vor Sanierung

Nach Sanierung

APP

+

-

Mycopl. hyo

+

-

Glässer (H.parasuis)

+

-

Circovirus

+

+

PRRS

+

-

Influenza H1N2

+

-

Dysenterie

+

-

PIA

+

+


Eine Impfung gegen Circovirus wird aufgrund des allgemeinen, guten Gesundheitsstatus bis dato nicht durchgeführt. Einzig gegen PIA erfolgt beim Ferkelerzeuger eine orale Impfung. Nach Abschluss der Sanierung kann auf eine Einstallmetaphylaxe verzichtet werden.; in der Vormast erhalten die Tiere lediglich eine systemische Entwurmung. 
Zusammenfassend können folgende Leistungsparameter vor und nach der Sanierung gegenübergestellt werden:


Gleichmäßig wachsende Tiere mit
"klarem Gesicht" nach der Sanierung


Parameter

Vor Sanierung

Nach Sanierung

Differenz

Tageszunahme

718 g

825 g

+ 107 g

Verluste

4,5 %

2,0%

- 2,5%

Impfkosten

3,50 €

1,00 €

- 2,50 €

Medikamente

2,40 €

0,30 €

- 2,10 €

Masttage

124

110

- 14

MfA

56,1 %

56,8 %

+ 0,7 %


Diese Zahlen belegen im Grunde einen Quantensprung in der Tiergesundheit und zeigen gleichzeitig, dass Tiergesundheit der Einflussfaktor schlechthin auf das ökonomische Ergebnis darstellt! 
Auch ein massives Impfprogramm (vor der Sanierung PRRS, Circo, Mycoplasmen), erfährt bei desolaten gesundheitlichen Verhältnissen und hohem Infektionsdruck seine Grenzen. Andererseits wären die Leistungsdaten ohne Impfmaßnahmen sehr wahrscheinlich noch wesentlich schlechter ausgefallen. 
Einzeltierbehandlungen stellen nach der Sanierung die absolute Ausnahme dar. 
Ein Sanierungserfolg hinsichtlich der PIA war uns leider nicht vergönnt, da der neue Ferkellieferant unerkannt mit Lawsonien infiziert war. Gleich die zweite Tiergruppe entwickelte klinisch eine klassische PIA-Erkrankung, gegen die nunmehr bei den Saugferkeln geimpft wird. 
In der Kostenkalkulation der Sanierung ist noch zu berücksichtigen, dass durch die Leerstehphasen der einzelnen Abteile in dem „Sanierungswirtschaftsjahr“ 0,5 Umtriebe weniger als vorher realisiert wurden. Nach überschlägiger Kalkulation gehen wir davon aus, dass sich die Sanierungskosten (in erster Linie durch Leerstand) bereits nach 10 Monaten amortisiert haben!  

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