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Fall des Monats Dezember 2007

Neuer Stall und Umrauscher ohne Ende 
Jens Jungbloot, Praxis für tierärztliche Bestandsbetreuung und Qualitätssicherung im Erzeugerbetrieb Schwein 
Dr. Reinhold Heggemann, 25782 Tellingstedt 

Der Bestand  
Heute berichten wir von einem neu gebautem  600-er Sauenstall. Vorher wurde die Sauenherde erfolgreich als Outdoor – Betrieb mit 300 Sauen geführt. Für eine Bestandsvergrösserung entschloss sich der Landwirt zum Bau eines Stalles für 600 Sauen. Der Stall sollte mit einer neuen Herde anderer Genetik belegt werden. Bei der Wahl des Jungsauenlieferanten  wurde auf einen hohen Gesundheitsstatus geachtet. Die Sauen waren frei von Infektionen mit PRRS, Mycoplasmen, App und Lawsonia intracelluaris. Der Lieferant war außerdem klinisch frei von PCV2-Infektionen. Der Aufbau der neuen Herde verlief recht problemlos. Die Jungsauen wurden bei Aufstallung zweimal im Abstand von vier Wochen mit einem Kombinationsimpfstoff gegen Parvovirose und Rotlauf geimpft. Die Belegung erfolgte zunächst noch in Gruppen mit Ebern im Natursprung. Auch diese Phase verlief ohne größere Probleme. Die Gruppen wurden so belegt, dass eine 14-tägige Abferkelung mit dreiwöchiger Säugezeit möglich war. Die ersten Abferkelungen erbrachten gute Ergebnisse und keine nennenswerten gesundheitlichen Probleme. Ab jetzt wurden die Sauen durch KB belegt. Der Landwirt hospitierte vorher in anderen Betrieben, machte den Besamungsschein und holte sich für den Anfang einen Berater dazu. Die ersten Gruppen konnten gut besamt werden und die Umrauschrate (einschließlich negativ gescannter Sauen) lag im Normbereich. Die Sauen wurden vom Absetzen bis zum 42. Trächtigkeitstag in Einzelständen gehalten und kamen dann in Gruppen mit Transponderfütterung. 
  

Der Fall   
Ab der vierten Besamungsgruppe stieg die Umrauschrate an. Anfänglich machte der Landwirt seine Unerfahrenheit dafür verantwortlich. Als diese Gruppe aber zum Scannen kam, stieg die Rate der nicht erfolgreich belegten Sauen auf über 35 Prozent an. Daraufhin bat er um tierärztliche Beratung. Bei der ersten Bestandsbesichtigung fiel eine große Unruhe in der Gruppenhaltung auf.  
  

Die Untersuchung   
Gemeinsam mit dem Landwirt wurde das Verhalten der Sauen in der Gruppe genauer beobachtet. Diese waren für 60 Sauen ausgelegt. Dabei war zu beobachten, dass  bei Gruppengrößen von 40 Sauen Ruhe in den Buchten herrschte, aber bei normalen Größen von 60 Sauen Unruhe aufkam. Zwei bauliche Mängel konnten bei den Beobachtungen festgestellt werden: Erstens waren die Transponder seitlich in die Buchtenwände integriert, wodurch die Zugänge zu den Fressstationen baulich verengt waren; 














Der Eingangsbereich einer Futterstation sollte 
immer frei zur Buchtenmitte liegen.




außerdem lagen ranghohe Sauen in den Eingangsbereichen und verengten zusätzlich den Zugangsbereich . 

  








Ruhende Sauen blockieren die an einer 
falschen Stelle eingebauten Futterstation.



Zweitens gab es in den Buchten zu wenige Ausweichmöglichkeiten für rangniedere Sauen; nur durch einige wenige kleine Trennwände abgeteilte Liegeflächen boten keine ausreichende Anonymität und Rückzugsmöglichkeiten. Diese Mängel konnten die Ursache für erhöhten Stress und damit für erhöhte Umrauscher, aber auch Aborte sein. 
Nach Auswertung aller Daten wurde offensichtlich, dass ein Großteil der belegten Sauen schon in der Phase der Einzelhaltung die Frucht verloren oder erst gar nicht tragend wurden. Es stellte sich die Frage nach der Ursache, die nicht sofort eindeutig klar war. 
MMA und Ausfluss traten nur selten auf. Inzwischen wurden jedoch auch vermehrt lebensschwache Ferkel geboren. 
In der alten Outdoor- Herde wurden häufiger Leptospireninfektionen (pomona und bratislava) diagnostiziert und wegen deutlicher Klinik auch therapiert. Es musste geklärt werden, ob die Leptospiren in die neue Herde übertragen worden ist oder andere Erreger eine Rolle spielten. 
  

Die Diagnostik
   
Um die Ursache zu finden, wurde von fünf leer getesteten Sauen eine Blutprobe entnommen, die auf Leptospiren, Parvoviren, PRRS-Viren und Chlamydien untersucht wurden. 
Die Ergebnisse sind in der nachfolgenden Tabelle zusammengefasst. 

Erreger

Verwendeter Test

Sau 1

Sau 2

Sau 3

Sau 4

Sau 5

Leptospira bratislava

Mikroagglutinationstest / Titer

<1 :100

<1 :100

1 :100

1 :200

1 :200

Parvovirus

ELISA / % der Inhibition

97

96

97

96

96

PRRS-Virus

ELISA / S/P

0,014

0,070

0,310

0,000

0,312

Chlamydien

Komplementbindungsreaktion / Titer

<1 :4

<1 :4

<1 :4

<1 :4

<1 :4


Die zusätzliche Untersuchung auf anzeigepflichtige Tierseuchen, wie z.B. Schweinepest verliefen negativ. 
  

Beurteilung der Ergebnisse   
Die Titer <1 :100 bei der Untersuchung auf Leptospirose sind als negativ zu betrachten. Werte von 1:100 und darüber gelten bei Leptosp. bratislava bereits als positiv. 
Die Ergebnisse des Parvo-Elisa sind positiv, allerdings war dies auf Grund der Impfung auch zu erwarten. Eine Überprüfung des Impfschemas zeigte keine Impflücken, sodass Parvoviren als Ursache ausgeschlossen wurden. 
Die PRRS- und Chlamydienuntersuchung verlief ebenfalls negativ. 
  
Leptospira bratislava galt lange als ein wenig pathogener Keim. Heute jedoch als sicher, dass durch ihn Konzeptionsstörungen verursacht werden können. Auch in diesem Fall ist anzunehmen, dass die Leptospiren die Ursache für die Fruchtbarkeitsstörungen waren. 
  

Weiteres Vorgehen   
Die Therapie der Leptospirose erfolgte in unserem Fall oral mit Oxytetracyclin (1000mg pro kg Futter) über einen Zeitraum von einer Woche. Alternativ kann auch Streptomycin oder Teracyclin per Injektion zweimalig im Abstand von 5 Tagen verwendet werden. Dies ist bei Gruppenhaltung oder großen Herden allerdings recht aufwendig. Die Behandlung führte hier sehr schnell zu besseren Fruchtbarkeitsergebnissen. In unserem Fall trat nach der Behandlung nur noch ein Abort als Spätfolge auf. Die Scannerergebnisse waren wieder im Normalbereich. 
  

Diskussion   
Unser Beispiel zeigt, dass nicht immer die augenscheinlichste Ursache der Hauptgrund für Störungen ist. Trotzdem müssen hier auch die Einrichtungsmängel behoben werden, denn Unruhe und Stress in der Gruppe kann zu erhöhten Umrauschraten oder auch zu Aborten führen. 
Um zu verhindern, dass sich Sauen im Eingangsbereich der Station nierderlegten, wurden hier neuartige, sogenannte „Schweinenavigatoren“ getestet. 








Die installierten "Schweinenavigatoren" beinflussten 
das Liegeverhalten der Sauen nicht.



Hierbei handelt es sich um ca. 12 cm hohe massive Metallkegel, die im Spaltenboden verankert werden. Leider mussten wir feststellen, dass die Sauen sich davon nicht beeindrucken ließen und trotzdem in den Eingangsbereichen lagen und sie damit blockierten. Erst der Standortwechsel der Futterstationen, nämlich frei aufgestellt in den Buchten, brachte breitere Zugänge und damit auch wesentlich mehr Ruhe in die Gruppe. 
  
Bei der Suche nach dem Ursprung der Leptospireninfektion stellte sich heraus, dass der Landwirt doch einige Sauen der alten Outdoorherde mit in den Neubau eingestallt hatte. Damit war die Infektionsquelle gefunden. Gerade L. bratislava kann lange symptomlos in einer Herde vorhanden sein. 
Eine Bestandsbehandlung muss immer verknüpft werden mit der Eliminierung möglicher weiterer  Eintrittsquellen oder Übertragungsvektoren. In der Regel sind dieses Schadnager wie Mäuse und Ratten oder in Outdoorbetrieben auch andere Nager wie z.B. Hasen. 
Des weiteren sollte man den Boden möglichst trocken halten, da Leptospiren mit dem Urin ausgeschieden werden und in feuchter Umgebung bis zu zehn Tage überleben können. 

Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass Leptospiren auch für den Menschen infektiös sind, also als Zoonoseerreger gelten und auch auf Rinder übertragen werden können. Dies ist auch der Grund, warum diese Infektion meldepflichtig ist. 

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