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Fall des Monats Dezember 2006

Erhöhte Umrauschraten 
Praxis Dr. Reinhold Heggemann, 25782 Tellingstedt 

Der Bestand 

Genau genommen handelt es sich diesen Monat um zwei Betriebe, die aber vergleichbare Probleme haben. Die Betriebsgrößen sind mit ca. 200 Sauen ganz ähnlich. Ein Betrieb ist PRRS frei, der zweite Bestand PRRS positiv und PRRS-Impfbetrieb. Ansonsten wird das übliche Impfprogramm (Rotlauf/Parvo) gefahren. Beide Betriebe haben dänische Genetik als Sauengrundlage.

 

Der Fall 

Bei dem letzten Bestandsbesuch wurden die Leistungsdaten der Betriebe eingesehen und kritisch diskutiert. Unbefriedigend war unter anderem die zu hohe Umrauschquote. Im ersten Betrieb liegt diese schon seit längerer Zeit bei 25%, im zweiten Betrieb bei ca. 30%. Hinsichtlich der Verteilung zwischen Jungsauen- und Altsauen gab es betriebliche Unterschiede. Während im Betrieb 1 der Anteil an umrauschenden Sauen bei den Jung- und Altsauen in etwa gleich hoch war, unterschieden sich diese Werte im Betrieb 2 deutlich. Die Jungsauen hatten hier einen Anteil von bis zu 50% Umrauscher; die Altsauen lagen mit ca. 20% deutlich niedriger. 

 

Die Untersuchung 

Die Untersuchung eines Bestandes hinsichtlich der Ursachen für eine erhöhte Umrauscherrate ist sehr komplex und verlangt häufig geradezu detektivischen Spürsinn. So müssen unter anderem Fragen der Fütterung und des Futters, das Management allgemein und das Besamungsmanagement im Besonderen, Eingliederung der Jungsauen, Infektionen des Genitaltraktes, Impfmaßnahmen, klimatische Bedingungen, Hygiene, etc., detailliert beleuchtet werden. Für eine sinnvolle Vorselektion der möglichen Ursachen sind Sauenplanerdaten oder sogar Sonderauswertungen aus diesen Daten von unschätzbarem Vorteil. Aus Gründen der Übersichtlichkeit sollen hier nur die Untersuchungen zur Sprache kommen, bei denen Abweichungen gefunden werden konnten.

 

Auffällig in beiden Betrieben war bei dem Betriebsdurchgang ein vermehrtes Auftreten von säugenden Sauen mit Ausfluss. Der Anteil lag bei ca. 15% aller Sauen im Abferkelstall, wobei dem jeweiligen Betriebsleiter nur ein Teil dieser Ausflusssauen bekannt war.














Die Untersuchungen im Betrieb 1 ergaben letztlich, dass der pH-Wert des Sauenurins mit 8 deutlich erhöht war. Optimalerweise sollte dieser im leicht sauren Bereich bei 6 liegen.

Als suboptimal wurde ebenfalls das Verfüttern von Laktationsschrot bereits eine Woche vor dem Abferkeltermin bewertet.

Bei der Überprüfung der Umweltbedingungen in den Abferkelabteilen konnte im Betrieb 2massive Zugluft im Bodenbereich festgestellt werden. Dies war zunächst überraschend, da die komplette Lüftung in den Abferkelabteilen erst vor kurzem erneuert wurde. Als Grund für diesen Falschlufteintrag konnten bauliche Gegebenheiten verantwortlich gemacht werden. Die Güllekanäle aller Abferkelabteile waren miteinander verbunden und setzten sich noch bis in einen Vorraum hinein weiter fort. Dieser Raum war nicht beheizt, sodass hier kalte Zugluft, insbesondere wenn die Eingangstür geöffnet war, unter den Spaltenbereich eintreten konnte. 

Bei einer zufällig an dem Besuchstag durchgeführten Geburtshilfe durch den Tierbesitzer konnten ebenfalls hygienische Mängel festgestellt werden. So wurde der Genitalbereich feucht gereinigt, was einem Eintrag von Keimen in die Gebärmutter Vorschub leistet. Außerdem wurde keine Gleitcreme verwendet.

Dies erklärte aber noch nicht die doppelt so hohe Umrauschrate der Jungsauen im Vergleich zu den Altsauen. Letztendlich konnte durch intensive Gespräche eine suboptimale Eingliederungs- und Akklimatisierungsphase, sowie Defizite in der Belegung der Jungsauen vermutet werden.

Um zunächst möglichst schnell eine wirksame Therapie bei den Sauen mit Ausfluss einleiten zu können, wurden in jedem Betrieb von 2 Sauen Tupfer aus dem Vaginalbereich entnommen.

 

 

Weiteres Vorgehen 

In beiden Betrieben  wurden die akut erkrankten Sauen entsprechend des Resistenztestes behandelt. Zusätzlich wurde bei den betroffenen Tieren eine (teilweise mehrfache) Gebärmutterspülung und die Rückbildung der Gebärmutter unterstützende Prostaglandin Therapie durchgeführt.

Im Betrieb 1, wo das Futter als mögliche Ursache für die Probleme ausfindig gemacht werden konnte, wurde das gesamte Sauenfutter über den Futtermittelhändler mit einem Säuregemisch angesäuert und die Sauen erhielten vor dem Abferkeln kein Laktationsschrot mehr. Den Sauen wurde  zusätzlich eine Art „Fitnessprogramm“ verordnet: Neben der täglichen Temperaturkontrolle erhielten die Sauen in den ersten zwei Tagen nach dem Abferkeln zusätzlich von Hand Wasser in den Trog und sie wurden zu den Mahlzeiten aufgetrieben, um den Kot- und Harnabsatz zu fördern.

Im Betrieb 2 gab es verschiedene Ansatzpunkte. So wurde die Zuluftöffnung sofort verschlossen und außerdem die Hygienemaßnahmen bei der Geburtshilfe optimiert. Die Jungsauen betreffend wurde neben einer verlängerten Eingliederungs-/Akklimatisierungsphase auch die Futtermenge erhöht (40 ME/Tag). Um Besamungsfehler erst mal weitestgehend ausschließen zu können und auch möglichst sichere, volle Abferkelgruppen zu bekommen, soll für einen befristeten Zeitraum bei den Jungsauen eine terminorientierte Besamung durchgeführt werden. Diese ist allerdings mit ca. 15,- €/Tier sehr kostenintensiv.

 

Weiterer Verlauf 

Die Überprüfung von Urinproben im Betrieb 1 ergab bereits eine Woche nach Änderung des Futters eine deutlich pH-Wert Absenkung in den sauren Bereich. Die Häufigkeit von sog. MMA-Sauen ist deutlich gesunken; Vaginalausfluss konnte in den letzten drei Abferkelgruppen nicht beobachtet werden. Hinsichtlich der Umrauschquoten ist eine abschließende Beurteilung noch nicht möglich.

Im Betrieb 2 traten in den letzten drei Wochen ebenfalls keine Sauen mehr mit Ausfluss nach dem Abferkeln auf. Eine abschließende Beurteilung hinsichtlich der Umrauschrate, insbesondere auch bei den Jungsauen, ist zur Zeit auch hier noch nicht möglich. Wir werden später noch einmal an dieser Stelle dazu kurz berichten.

 

Diskussion und Bewertung 

Die Ursachen für eine erhöhte Umrauschrate zu analysieren, gehört zu den anspruchvollsten Aufgaben der Bestandsbetreuung, verlangt es doch häufig geradezu kriminalistischen Spürsinn. Wie bereits oben angedeutet, können die Ursachen sehr vielfältig sein. Sehr hilfreich sind in solchen Fällen immer detaillierte Sauenplanerdaten, anhand derer man bereits im Vorfeld einige Ursachen ausschließen kann oder der Untersucher in eine bestimmte Richtung gelenkt wird. So bietet bereits die Häufigkeitsverteilung der verschiedenen Umrauschintervalle erste Hinweise auf eine mögliche Ursache. Eher regelmäßige Umrauschintervalle deuten auf ein Managementproblem hin, dass im Übrigen nach der Erfahrung wesentlich häufiger vorliegt, als infektiöse Ursachen. Auch in diesen beiden vorgestellten Fällen liegt die Vermutung nahe, dass hier Managementfehler vorliegen. Dabei kommt es häufig vor, das verschiedene Umstände zum Problem beitragen. Ein sogenannter monokausaler Zusammenhang ist eher selten. Bei infektiösen Ursachen kommen sowohl exogene, als auch endogene Kontaminationen des Geburtskanals vor. Hier spielen z.B. Geburtshygiene und die Fütterung vor dem Abferkeln eine entscheidende Rolle, aber auch generelle Infektionen wie z.B. mit Chlamydien, Leptospiren oder PRRS-Virus können erhöhte Umrauschraten bedingen, sind aber in aller Regel mit anderen Symptomen vergesellschaftet. Nicht unerwähnt bleiben soll an dieser Stelle auch eine mögliche Toxinbelastung des Futters als auslösendes Moment. Wegen der Komplexität der möglichen Ursachen hat sich bei der Bearbeitung des Themas im Stall das Vorgehen anhand von Checklisten bewährt. So läuft man nicht Gefahr, einen wichtigen Punkt möglicherweise zu übersehen. 

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