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Fall des Monats August 2008

Aborte im Sauenbestand
Dr. Reinhold Heggemann, 25782 Tellingstedt, Praxis für tierärztliche Bestandsbetreuung und Qualitätssicherung im Erzeugerbetrieb Schwein

Aborte im Sauenbestand
Dr. Reinhold Heggemann, 25782 Tellingstedt, Praxis für tierärztliche Bestandsbetreuung und Qualitätssicherung im Erzeugerbetrieb Schwein
 
 
Der Bestand
 
Diesen Monat stellen wir Ihnen einen größeren Betrieb mit 750 Sauen vor. Diese sind in zwei verschiedenen Gebäudekomplexen, die ca. 300 m entfernt voneinander liegen, untergebracht. Auf dem Standort A sind die tragenden Sauen auf Stroh in Gruppenhaltung und auf dem Standort B befindet sich die Abferkelung und das Flatdeck. Der Bestand ist PRRS frei und produziert seit Jahren auf hohem Niveau. Die Sauen erhalten eine regelmäßige Impfung gegen Rotlauf und Parvo, die Ferkel Impfungen gegen Mycoplasmen, PIA und neuerdings auch gegen PCV 2 (Circo).

 
Der Fall
 
Der Betriebsleiter meldete telefonisch in einer Abferkelgruppe (40 Sauen) auffallend viele Aborte. Bis dato hätten 9 Sauen verferkelt, die Beobachtung in der Strohaufstallung und Gruppenhaltung sei allerdings schwierig. Die Sauen zeigten keine erhöhte Temperatur und wären ansonsten unauffällig. Die gefundenen abortierten Früchte seien gleichmäßig entwickelt, also zum gleichen Zeitpunkt abgestorben. Die Sauen befänden sich ca. 3-4 Wochen vor dem Abferkeltermin, also um den 90. Trächtigkeitstag. Sauberes Abortmaterial- Ferkel und Eihautanteile- habe er sichergestellt und gekühlt. 
  
Leptospiren können neben Fruchtbarkeitsstörungen auch Aborte in der 2. Trächtigkeitshälfte verursachen
 
Die Ergebnisse

Das sichergestellte Abortmaterial (3 Ferkel und Eihaut), sowie Blutproben von 5 Abortsauen wurden zur Untersuchung gegeben. Die ersten Untersuchungsergebnisse waren wie folgt:
 
1- Abortmaterial (alle Untersuchungen mit PCR): 

 

Leptospiren

Chlamydien

PCV 2

Parvovirus

PRRS EU/US

Abortferkel 1

-

-

-

-

-

Abortferkel 2

-

-

-

-

-

Abortferkel 3

-

-

-

-

-

Eihaut

-

-

-

-

+ (EU-Typ)


2- Sauenblutproben:

 

Parvo- ELISA

PRRS-PCR

PRRS-ELISA

Rotlauf-ELISA

Sau 1

88

-

1,36

9

Sau 2

93

-

0,00

16

Sau 3

93

-

0,07

14

Sau 4

89

-

0,00

13

Sau 5

94

-

0,00

8

 

Werte > 80 stark pos.

 

Werte über 0,4 positiv

Werte < 30 = neg.

Die Ergebnisse des MAT auf Leptospiren lag zunächst noch nicht vor.
 
Bis zu diesem Zeitpunkt war die Ursache für die Aborte nicht eindeutig. Nur die Sau 1 zeigte eine Reaktion auf PRRS. Die hohen Titer auf Parvovirose waren in diesem Zusammenhang ohne Relevanz (nähere Erläuterungen dazu in der Diskussion). Bis jetzt konnte die (sehr vorsichtige!) Verdachtsdiagnose nur PRRS lauten. Dazu passte allerdings auch nicht so recht die Klinik, verursacht doch PRRS-Virus einen klassischen Spätabort und der findet max. 5 Tage vor dem Abferkeltermin statt und nicht früher.
 
Ca. 6 Stunden nach den obigen Befunden lagen dann auch die Ergebnisse hinsichtlich der Untersuchung auf 10 verschiedene Leptospiren-Serovare vor. Diese ergab ein eindeutiges Bild (Titer von 1:100 oder höher gelten als signifikant): 

 

L.Australis

L.Bratislava

L.Gryppoty.

L.Copenh.

L.Icterohaem.

L.Pomona

Sau 1

< 1 : 100

1 : 1600

1 : 400

1 : 100

< 1 : 100

1 : 3200

Sau 2

1 : 400

1 : 3200

1 : 100

1 : 200

1 : 100

1 : 1600

Sau 3

1 : 400

1 : 1600

< 1 : 100

1 : 200

1 : 100

1 : 800

Sau 4

1 : 100

1 : 3200

< 1 : 100

1 : 1600

1 : 200

1 : 3200

Sau 5

1 : 400

< 1 : 100

1 : 100

1 : 100

< 1 : 100

1 : 1600

Die Untersuchung der Serovare L.Canicola, L.Hardjo, L.Saxkoebing und L.Tarassovi verlief negativ.  
Damit war die Diagnose « Leptospirenabort » abgesichert.
 

Weiteres Vorgehen 
 
Als Sofortmaßnahme wurde die Bestandsmedizinierung mit Chlortetracyclin eingeleitet. Diese wird über einen Zeitraum von 14 Tagen und in einer Dosierung von ca. 50 mg/kg KGW/Tag durchgeführt.
Flankierende Maßnahmen sind eine verstärkte Schadnagerbekämpfung, die allerdings auch vor den Verferkelungen regelmäßig stattfand. Des weiteren wird in der Gruppenhaltung eine Bucht mit unebener Fläche und ungünstigem Gefälle (Pfützenbildung) mit Schnellmörtel saniert.


Diskussion
 
Dieser Fall ist insbesondere im Zusammenhang mit den verschiedenen Befunden interessant und stellt einige Anforderungen an die Interpretation. Bei Vorliegen des PRRS positiven Befundes lag sicherlich auch eine PRRS-Infektion als Abortursache im Bereich des möglichen, wenn auch unwahrscheinlichen. Der Abortzeitpunkt von ca. 3-4 Wochen vor dem Termin passte nicht wirklich zu einer PRRS-Infektion (Spätabort, in aller Regel in der letzten Trächtigkeitswoche!), der Betrieb war bis dato PRRS-frei und so hätte man bei der Vielzahl der Aborte bei den beprobten 5 Sauen irgendwo PRRS-Virus oder Antikörper finden müssen.
 
Nach der Diagnose „Leptospirose“ wurden die 5 Sauen aus der ersten Beprobung ein zweites Mal, sowie 15 andere Sauen aus der gleichen Abferkelgruppe und 20 weitere Sauen aus anderen Stallabteilen auf PRRS untersucht. Alle Tiere- bis auf die bereits positive Sau aus der Erstbeprobung- mit negativen Ergebnis! Der Abstand zwischen den beiden Untersuchungen betrug 8 Tage, so dass hier eine Titerentwicklung oder ein Erregernachweis hätten gelingen müssen. Es handelt sich hier also um einen eindeutig falsch positiven PRRS-Befund, der auch in der PCR-Methodik vorkommen kann!
 
Diese zweimal positiv getestete Sau wird nach dem Absetzen der Ferkel der Schlachtung zugeführt und der Betrieb gilt weiterhin als PRRS frei.
 
Ein kurzer Kommentar noch zu den relativ hohen Parvotitern: Wichtig für die Bewertung, ob hier eine Parvovirose vorliegt oder nicht, ist die Frage nach der Parvoimpfung. Diese wird in dem Bestand seit Jahren regelmäßig (auch zweimal bei den Jungsauen) lege artis durchgeführt. Unter diesen Voraussetzungen kann eine Parvovirose in der Häufigkeit wie in diesem Fall als Abortursache definitiv keine Rolle spielen! Hohe Titer entwickeln sich auch unter Impfschutz durch vorhandene Felderreger, die aber keine Klinik auslösen. Impfung bzw. Impfschutz verhindert keine Infektion, sehr wohl aber die Erkrankung.
 
Generell können einmalige Antikörpernachweise auf Erreger, die mehr oder weniger immer und überall vorkommen, keine Auskunft über äthiologische Zusammenhänge leisten. Dies ist auch gerade bei der Beprobung von Jungsauen bei oder nach Anlieferung und den häufig durchgeführten Untersuchungen auf z.B. Influenza, Parvovirose, Salmonellen, APP, etc. als sehr problematisch anzusehen! Eine Untersuchung auf bestimmte Erreger sollte bereits vorab immer auch eine Interpretationsfähigkeit der Ergebnisse beinhalten.
 
In diesem Fall war die Untersuchung auf Parvo und auch Rotlauf Bestandteil eines sogenannten Screeningblocks, der bei Fruchtbarkeitsstörungen abgetestet wird. Die Zusammensetzung solcher Blocks macht im Einzelfall nicht immer Sinn und verursacht dann nur vermeidbare Kosten.
 
Die Leptospirose ist eine durch Bakterien verursachte Fruchtbarkeitsstörung, die in den Bestand häufig durch Schadnager eingeschleppt wird und sich innerhalb eines Bestandes in erster Linie über den Harn verbreitet. Bei Nachweis von Erregern bzw. hohen Titern, verbunden mit klinischen Erscheinungen wie Aborten, Mumien, lebensschwachen Ferkeln oder erhöhten Umrauschern ist die Leptospirose dem Veterinäramt meldepflichtig.
Zudem ist sie eine Zoonose, an der auch der Mensch erkranken kann.
 
Die Serologie der Leptospiren zeigte in diesem Fall eindeutige, sprich hohe Titer. Die Untersuchung zeigt auch, dass es zwischen den verschiedenen Serovaren Kreuzreaktionen gibt und sich Titer „gegenseitig hochziehen“ können.
Bei der Beprobung von klinisch unauffälligen Tieren, wie z.B. Jungsauen bei Anlieferung werden häufiger Titer von 1:100 oder 1:200, ganz vereinzelt auch mal von 1:400 gefunden, die dann als Diskussionsgrundlage mit dem Lieferanten dienen. Solche Titer sind- zumal wenn sie nur aus einmaligen Untersuchung resultieren- allerdings nicht geeignet, um eine seriöse Leptospirose zu diagnostizieren. Dazu bedarf es eindeutiger Titer von 1: 400 oder höher und von mehreren Tieren, Titeranstiegen aus mindestens zwei Untersuchungen, klinischen Erscheinungen oder eines Erregernachweises aus Abortmaterial oder Harn.
 
Für die Soforttherapie wird eine zweimalige Injektionsbehandlung aller Sauen mit Steptomycin- oder Tetracyclinpräparaten im Abstand von 7 Tagen oder eine Bestandsmedikation mit Tetracyclin über den Zeitraum einer Woche mit 800 bis 1000 mg/kg Futter empfohlen. Verschiedene Hersteller geben dagegen eine Dosierung von 40 bis 85 mg/kg Körpergewicht an. Je nach Berechnungsgrundlage ergibt sich daraus für eine 250 kg Sau eine Tagesdosierung von ca. 3,5 bis 21,25 Gramm! Hier bedarf es nach Auffassung des Verfassers dringend einer Klärung. 

In unserem Fall haben wir eine Medikation von 50 mg/kg pro Sau und Tag gewählt, was einer Dosierung von 12,5 g für eine 250 kg Sau entspricht. Diese Medikation verabreichten wir 14 Tage lang. 

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