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Fall des Monats August 2007

Massiver Husteneinbruch im Aufzuchtbetrieb 
Jens Jungbloot, Praxis für tierärztliche Bestandsbetreuung und Qualitätssicherung im Erzeugerbetrieb Schwein
Dr. Heggemann, 25782 Tellingstedt 

Der Bestand   
Heute stellen wir ihnen einen Jungsauenaufzüchter vor. Dieser Betrieb ist im Laufe der Jahre in drei Bauphasen gewachsen. Der erste Bauabschnitt bestand aus drei Abteilen, der zweite- getrennt durch einen Selektionsraum vom ersten- aus vier Aufzuchtabteilen und der dritte Bauabschnitt wurde durch den Umbau einer 200 Meter entfernten Halle realisiert. Der Betrieb wird abteilweise im Rein-Raus-Verfahren bewirtschaftet. Der Gesundheitsstatus ist sehr hoch und war als PRRS-, APP-, EP-, PIA- und Dysenterie- frei eingestuft. Es wurden keinerlei Medizinierungen durchgeführt. Die Jungsauen wurden vor Auslieferung gegen EP und Rotlauf geimpft, sowie entwurmt. 
  

Der Fall   
Bei einem Routinebesuch am 16.10.2006 fielen Einzeltiere mit leichtem Husten auf. Ansonsten gab es keine Anzeichen einer ernsthaften Erkrankung. Bei Nachkontrollen am 30.10. und 13.11.2006 war der Betrieb wieder klinisch völlig unauffällig. Da der Aufzuchtbetrieb bisher als frei von Mycoplasma hyopneumoniae (M.hyo.) galt, wurde zur Sicherheit am 13.11.2006 noch ein Schlachthofcheck bei 80 Tieren durchgeführt. Dabei waren an den Spitzenlappen bei etwa der Hälfte der Lungen geringe Schäden (weniger als 10% des Lungengewebes) feststellbar. Andere pathologische Veränderungen an den Lungen, dem Brustfell (Pleuritis), den Herzbeuteln (Pericarditis) und den Lebern konnten nicht festgestellt werden. Die Lungenveränderungen wurden als typisch für eine EP-Erkrankung (Enzootische Pneumonie = Ferkelgrippe = Infektion mit M.hyo.) eingestuft und waren im Stadium der Abheilung oder Frischinfektion. Daraufhin wurden zusätzlich drei Jungsauen aus dieser Partie zur Sektion gebracht und 20 Blutproben von Tieren dieser Gruppe für eine PRRS- und EP-Serologie entnommen. 
Am 27.11.2006, noch bevor die Ergebnisse der Sektion und der Blutproben vorlagen, brach in diesem Betrieb in einem Abteil ein sehr heftiges Pneumoniegeschehen aus. Es erkrankten alle Tiere, ohne das es auch Todesfälle gegeben hätte. 

  











  mittelgradig geschädigte Lunge                                                                                           hochgradig geschädigte Lunge
  (Spitzenlappenpneumonie)                                                                                                  durch M.Hyopneumoniae
 


Die Untersuchung   
Ergebnisse der beiden durchgeführten Schlachthofchecks: 

 

Check vom 13.11.2006

Check vom 10.04.2006

Anzahl der Tiere                                   

80

57

Lungenschäden  

bis10%         

11%-30%   

>31% oder nicht typisch EP                          

 

69 = 86,25%   

11 = 13,75%

0

 

2 = 3,5%

0

0

Pleuritis              

0

0

Pericarditis         

0

0

Leber                  

0 

0

App-typ. Veränderungen                   

0

0

EP-typ. Veränderungen                    

42 = 52,5%                      

0

  
Von den veränderten Spitzenlappen gelangten Proben zur weiteren Diagnostik und wurden  in drei Sammelproben mittels PCR (Erregernachweis) auf M.hyo. untersucht. Alle drei Pools waren positiv, wohingegen die Untersuchung auf Antikörper  gegen M. hyo. und PRRS ein negatives Ergebnis brachte. 
  
Bei der Sektion fanden sich neben Circovirus (PCR) auch Bordetella bronchiseptica (Kultur). 
  

Der Befund   
Die einzelnen Bausteine der Diagnostik wie Klinik, Schlachthofchecks und die Laborbefunde ergeben eine eindeutige Diagnose. 
Es handelt sich um eine relativ frische Infektion mit M. hyo., dem Erreger der Enzootischen Pneumonie (Syn. Ferkelgrippe). Da im Lungengewebe der Erreger nachgewiesen werden konnte, aber im Blut noch keine entsprechenden Antikörper gefunden wurden, ist von einer Infektion vermutlich Anfang - Mitte Oktober  auszugehen. Der leichte Husten Mitte Oktober könnte also der Beginn der Infektion gewesen sein. 
  

Weiteres Vorgehen   
Der Vorschlag, das bis dato einzige betroffene, erkrankte Abteil sofort zu schlachten, wurde aus finanziellen Gründen verworfen. Somit wurde dieses Abteil oral mediziniert und der komplette restliche Bestand gegen M. hyo. mit einem sogenannten One-shot-Impfstoff geimpft. Um die Verbreitung innerhalb des restlichen Bestandes festzustellen, wurden in jedem Abteil von zehn Tieren Rachentupfer (Tonsillen) gezogen und diese mittels PCR auf M. hyo. untersucht. Dabei zeigte sich, dass die Infektion sich bereits auf drei Abteile ausgebreitet hatte. Darauf hin wurde der komplette Bestand sofort für drei Wochen oral mediziniert und das abteilweise Rein-Raus-Prinzip strikt eingehalten. Des weiteren wurde der Ferkelerzeuger und die anderen ihm angeschlossenen Aufzüchter mittels Schlachthofchecks und Laboruntersuchungen überprüft, diese Betriebe waren aber alle nach wie vor frei von Mycoplasma hyopneumoniae. Da die Ferkel bei dem Ferkelerzeuger nicht gegen EP geimpft werden können, erfolgt dies seit dem Ausbruch bei Ankunft im Aufzuchtbetrieb. 
  

Weiterer Verlauf 
  
Das erkrankte Abteil erholte sich von der Infektion nicht mehr. Es gab immer wieder Lungenentzündungen und Wachstumsdepressionen. Die Tiere waren also nicht mehr zuchttauglich und mussten letztendlich vorzeitig der Schlachtung zugeführt werden. Alle anderen Tiere entwickelten sich gut und konnten normal als Zuchtsauen in EP-positive Bestände vermarktet werden. 
  
Im weiteren Verlauf war der Betrieb klinisch völlig unauffällig und es sollte ein Sanierungsversuch unternommen werden. Nach dem Verkauf der Tiere aus den drei infizierten Abteilen wurden am 15.05.2007 und am 12.06.2007 wieder  aus jedem Abteil zehn Rachentupfer von den Schweinen entnommen und  mittels PCR auf M. hyo. untersucht. Bei diesen beiden Untersuchungen waren alle Proben negativ, also frei von M. hyo.. 
  
Eine erfolgreiche Sanierung mit dem Ziel, wieder einen Mycoplasmen-freien Bestand zu erhalten, schien somit in greifbare Nähe zu rücken Um die Sicherheit dieses Befundes zu erhöhen, wurde  zusätzlich ein Schlachthofcheck bei 109 nachfolgenden Tieren durchgeführt. Bei diesem zeigten 107 Tiere geringste Spitzenlappenveränderungen (bis max. 10%). In der durchgeführten PCR aus Lungengewebe wurde M. hyo. nachgewiesen. 
  
Damit war der Sanierungsversuch gescheitert und alle ergriffenen Maßnahmen wie Medikation, Impfung, Abteilweise Rein/Raus ergaben zwar klinisch völlig unauffällige, gesunde Tiere, aber keine Erregerfreiheit, die es zugelassen hätte, wieder von einem Mycoplasmen- freien Bestand zu sprechen. 
  

Diskussion   
Der Verlauf der Ferkelgrippe, bzw. der enzootischen Pneumonie (EP) ist sehr unterschiedlich und hängt vor allem von der Erregerdosis, von den Stallklimabedingungen und den zusätzlichen Krankheitserregern ab. Selten sind Tiere nur ausschließlich an der EP erkrankt, so dass man auch von Mycoplasma induzierter Lungenerkrankung (MIRD/Mycoplasma induced Respiratory Disease) spricht. In diesem Fall waren Bordetellen und Circoviren am Geschehen mit beteiligt. 
  
Die Infektion erfolgt über die Luft (aerogen) bis zu einer Entfernung von bis zu drei Kilometern oder von Tier zu Tier. Bei Neuausbrüchen sind häufig zugekaufte Ferkel oder Jungsauen beteiligt, in chronisch infizierten Beständen läuft die Infektion horizontal von Ferkel zu Ferkel in aller Regel ca. in der 8.-10. Lebenswoche ab. 
Der Nachweis einer Infektion kann serologisch erfolgen (Achtung: Antikörper durch eine Impfung lassen sich nicht von einer Feldinfektion unterscheiden) oder mittels der PCR. Bei der PCR ist geeignetes Probenmaterial wichtig. Nasentupfer sind völlig ungeeignet, Rachentupfer- wie in diesem Fall- nicht immer aussagekräftig. Am sichersten gelingt der Nachweis direkt aus Lungenmaterial. 
  
Die alleinige Diagnostik auf Grund von pathologischen Spitzenlappenveränderungen ist nicht sicher möglich, da auch andere Erreger, wie Bordetellen oder auch PRRS + PCV 2 diese Veränderungen hervorrufen können. 
Die Ferkelgrippe als Bestandsproblem ist immer ernst zu nehmen. Zwar führt sie nicht zu vermehrten Todesfällen, verursacht aber erhebliche wirtschaftliche Schäden, sodass in solchen Fällen immer zu einer Mycoplasmenimpfung geraten wird oder wenn möglich auch immer eine Sanierung mit dem Ziel der Mycoplasmenfreiheit anzustreben ist. Diese soll in diesem Betrieb jetzt durch eine Totalrepopulierung wieder hergestellt werden. 
  
Der Infektionseintrag konnte in diesem Fall letztlich nicht geklärt werden. Ein Eintrag über infizierte Tiere  war sicher auszuschließen und die Lage des Betriebes ist als sehr gut zu bezeichnen. Spekulativ wäre eine Infektion  zugekaufter Ferkel auf dem Transport denkbar. 

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