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Fall des Monats August 2006

Gewöhnlicher Husten bei Absatzferkeln mit ungewöhnlicher Diagnose?
Jens Jungbloot und Dr. Reinhold Heggemann, 25782 Tellingstedt 

Der Bestand   
Der heute vorzustellende Betrieb ist ein Ferkelerzeuger, der auf drei Standorten produziert: Warte- und Belegestall, separater Abferkelstall mit ausgelagertem Flatdeck. Insgesamt befinden sich 700 Sauen im System und der Betrieb wird im 4 Wochenrhythmus mit 21 Tagen Säugezeit bewirtschaftet. Die produzierten Ferkel gehen komplett an einen Mäster. 
Der Betrieb ist PRRS positiv; die Sauen werden nach der sogenannten 6/60-Methode während der Trächtigkeit mit einem Lebendimpfstoff geimpft. Des weiteren bekommen die Sauen ca. eine Woche nach der Abferkelung eine Parvo-/Rotlaufimpfung. 
Die Ferkel erhalten am Absetztag eine sogenannte One-shot Impfung gegen Mycoplasma hyopneumoniae. Wegen permanenter Probleme mit Gelenkentzündungen durch Streptokokken erhalten die Ferkel bei Aufstallung ins Flatdeck oral metaphylaktisch Amoxillin für den Zeitraum von einer Woche. 
  

Der Fall   
Ende Mai traten im Flatdeck massiver Husten und Lungenentzündungen auf. Dabei waren die Körpertemperaturen der erkrankten Ferkel um die 40°C. Die oben beschriebene Einstallungsmetaphylaxe schien bei den bis zu 14 Tage abgesetzten Ferkeln das Krankheitsgeschehen zu unterdrücken, so dass in erster Linie die Ferkel ab der dritten Woche im Flatdeck erkrankten. Deshalb erfolgte zunächst die Medizinierung für einen Zeitraum von 7 Tagen oral mit Amoxicillin in einer täglichen Dosierung von 2x10 mg/kg KGW für das gesamte Flatdeck. Die Behandlung zeigte leider nur mäßigen Erfolg. Die schweren Lungenentzündungen traten zwar nicht mehr auf; hustende Ferkel waren aber nach wie vor existent. 
  

Die Untersuchung   
Vor Beginn der antibiotischen Behandlung wurden drei Ferkel zur Sektion verbracht. Die Ergebnisse sehen Sie in der nachfolgenden Tabelle im Überblick: 

 

 

 

Ferkel 1

 

 

Bakteriologie

Lunge

Streptococcus suis  +

Haemophilus parasuis  +

Organe

Streptococcus suis  +

Pasteurella aerogenes  +

Darm

E. coli var. haem. O141:K85abc +++

 

Virologie                     

PCR-Lunge

Influenza A +, PRRS u. PCV2 negativ

 

Pathologie              

 

mittelgradige interstitielle Pneumonie

 

 

 

Ferkel 2

 

Bakteriologie

Lunge

Haemophilus spec. +

 

Organe

Staphylococcus aureus  +

 

Darm

E. coli, nicht näher typisierbar   +++

 

Virologie

PCR-Lunge

Influenza A +, PRRS u. PCV2 negativ

Cytomegalievirus

Pathologie

 

mittelgradige interstitielle Pneumonie

 

 

Ferkel 3

 

Bakteriologie

Lunge

Haemophilus parasuis   +

 

Organe

kein Keimwachstum

 

Darm

E. coli, nicht näher typisierbar   ++

Clostridium perfringens   +

Virologie

PCR-Lunge     

Influenza A +, PRRS u. PCV2 negativ

 

Pathologie

 

mittelgradige interstitielle Pneumonie

 

 

  
Die Untersuchungsergebnisse waren relativ einheitlich und eindeutig. Als Diagnose konnte eine Infektion mit Influenza A-Virus, kombiniert mit bakterieller Sekundärinfektion gestellt werden. Alle 3 Tiere waren frei von PRRS und PCV2 (Circovirus). Trotz der Coli-Befunde im Darm wurde keine diesbezügliche Klinik gesehen (Durchfall, Ödemkrankheit) und muss daher als Nebenbefund gewertet werden. 
 
  
Weiteres Vorgehen   
Das weitere Vorgehen musste als Ziel einerseits die kurzfristige Genesung der Ferkel, als auch die mittel- bis langfristige Kontrolle des Influenzageschehens haben. Die bakteriellen Erreger wurden weiterhin oral mit Amoxicillin bekämpft. Die generelle Metaphylaxe bei den Ferkeln in der ersten Flatdeckwoche wurde beibehalten. 
  
Parallel dazu wurde die Sauenherde zweimal im Abstand von 28 Tagen gegen Influenza geimpft. Ziel war es, Ferkel unter maternalem Schutz, welcher etwa 35 Tage anhält, ins Flatdeck zu verbringen. Damit sollten chronische Ausscheider und Influenza-Infektketten vermieden werden. Diese so über die Biestmilch geschützten Ferkel kamen in ein völlig geräumtes, gereinigtes und desinfiziertes Abteil. 
  

Weiterer Verlauf   
Das Flatdeck läuft seit vier Wochen problemlos. Die oben geschilderten Symptome sind gänzlich abgeklungen. Der bei den Untersuchungen gefundene Erreger der Glässerschen Krankheit (Haemophilus parasuis) wird durch die antibiotische Behandlung ebenso wie die Streptokokken erfasst. Die Sauenherde erhält jetzt alle 6 Monate eine Wiederholungsimpfung gegen Influenza. Jungsauen erhalten in der Quarantäne eine zweimalige Grundimmunisierung und werden dann in die Bestandsimpfung eingebunden. 
  

Diskussion   
An diesem Fall sind zwei Aspekte ungewöhnlich: Sowohl die Jahreszeit, als auch die betroffene Altersgruppe ist für eine klinische Influenza relativ untypisch. Influenzainfektionen finden gehäuft im Winter statt und betrifft vor allem ältere Mastschweine und Sauen. Diese erkranken in aller Regel hoch fieberhaft (40-42°C) mit Fressunlust, hundesitziger Stellung, schmerzhaftem Husten und Atemnot bis hin zuAborten bei tragenden Sauen. Zwar können auch jüngere Tiere erkranken, jedoch ist der klinische Verlauf der Infektion umso milder, je jünger die Tiere sind. Influenzaviren breiten sich innerhalb eines Bestandes sehr schnell aus und sind bereits 2 Stunden nach der Infektion im Tier nachweisbar. Bei der Untersuchung von Nasentupfern mittels der PCR-Methode kann bereits einen Tag nach der Infektion Virus nachgewiesen werden. 
Bereits nach ca. 24 Stunden erreicht die Viruskonzentration im Tier ihren Höhepunkt und nach dem Schneeballprinzip wird der Bestand oder sogar eine ganze (schweinedichte) Region sehr schnell komplett infiziert. 
Infektionen zwischen Schwein und Mensch sind generell möglich und auch unter verschiedenen Tierarten wie Schwein und Geflügel ist ein Austausch nachgewiesen. 
In den letzten Jahren ist allerdings eine Veränderung der klinischen Ausprägung der Influenza in den Betrieben zu beobachten. Neben der beschriebenen klassischen Form kommen immer häufiger auch so genannte endemische Verlaufsformen insbesondere auch bei jüngeren Tieren vor. Gerade bei Atemwegserkrankungen in den ersten drei Wochen nach dem Absetzen wird nicht zwangsläufig auch an eine Influenzainfektion gedacht, sondern vielmehr bakterielle Erreger vermutet. Daher sollte bei einer andauernden oder wiederkehrenden Atemwegsproblematik die Influenza immer diagnostisch mit einbezogen werden!   

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