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Fall des Monats April 2011

Husten – Husten – Husten – ein alter Erreger kehrt zurück
Jens Jungbloot, Praxis für tierärztliche Bestandsbetreuung und Qualitätssicherung im Erzeugerbetrieb Schwein
Dr. Reinhold Heggemann, 25782 Tellingstedt

Der Betrieb
Der heutige Fall befasst sich mit einem Mastbetrieb, der von einem externen Ferkelerzeuger Mastläufer zukaufte. Die Läufer durchliefen eine Vormast und wurden in Endmastställen auf verschiedenen Standorten ausgemästet. Die Tiere erhielten im Sauenbetrieb Impfungen gegen PRRS, Circovirose und Enzootische Pneumonie.


Der Fall

Im Mastbetrieb traten im Herbst 2010 vermehrt Probleme mit Circovirus auf. Die Tiere zeigten Wachstumsdepressionen, vermehrt Lungenentzündungen, PDNS und auch PMWS. Die Tierverluste stiegen auf 8 Prozent an. Die Circoviruserkrankung wurde in der Sektion und durch PCR bestätigt. Auffällig waren deutliche Unterschiede zwischen einzelnen Ferkelpartien hinsichtlich Erkrankungsrate, Todesfälle und Behandlungshäufigkeit. Daraufhin hatte der Lieferbetrieb zusammen mit dem dortigen Bestandstierarzt die Circo-Impfung überprüft Ohne eindeutige Auffälligkeiten gefunden zu haben, zeigten die danach ausgelieferten Läufer keine Klinik mehr und erreichten gute Zunahmen. 
Anfang 2011 meldete sich der Mäster und berichtete von vermehrten Todesfällen und neu beginnender Klinik bei den bisher „gesunden Mastpartien“. Es fand ein Betriebsbesuch statt. Im Endmastbereich eines Standortes (hier ist auch die Vormast) lagen die Schweine apathisch in den Buchten, verweigerten das Fressen und hatten tiefen, trockenen, teilweise bellenden Husten. Die Körpertemperaturen lagen zwischen 40,5°C und 41,0°C. 

Bei der Inspektion der verendeten Schweine waren ältere, abgemagerte Tiere mit gelber Haut zu sehen, aber auch gut entwickelte, jüngere Tiere, die Nasenbluten aufwiesen. 

Die abgemagerten Tiere stammten aus den Circo-erkrankten Partien.

Offensichtlich lag keine erneute Circoerkrankung vor. 
Die Verdachtsdiagnose lautete Influenza oder APP.





An APP verendeter Läufer mit schaumigem, blutigen Nasenausfluss


Diagnostik

Von den frisch erkrankten Schweinen wurden vier Tiere zur Sektion gebracht. Bei der inneren Besichtigung erschienen die Lungen schwarz-rot mit abgegrenzten Nekroseherden und ödematös verbreitertem Interstitium (= Schwellung zwischen den Lungenläppchen). Die Lungenoberflächen wiesen massive Verwachsungen mit dem Brustfell auf. Dieses Sektionsbild ist sehr typisch für eine APP-Infektion, verursacht durch das Bakterium Actinobacillus pleuropneumoniae. 









Rechts: Lunge mit massivsten,
typischen Veränderungen durch APP


Links: Schlachtlunge mit milchigen Verwachsungen



Auch in der mikrobiologischen Untersuchung war dieser Erreger hochgradig nachweisbar. Mittels einer Multiplex-PCR wurde eine Typisierung des APP-Stammes vorgenommen. Der nachgewiesene, sogenannte APX-Toxin-Typ kommt bei den Serotypen 2,6 und 8 vor. Um den Serotyp noch genauer einzugrenzen, wurden die Blutproben zusätzlich noch mit einem App-ELISA full Screeening untersucht, welches den Serotyp 2 bestätigte. Weiterhin wurde von dem APP-Isolat ein Resistenztest angefertigt. Lediglich Enrofloxacin, Marbofloxacin und Florfenicol erwiesen sich als wirksam!
Untersuchungen im vorgelagerten Sauenbetrieb durch den dort betreuenden Tierarzt unterstützten ebenfalls die Diagnose App Serotyp 2.


Die Behandlung
Die erkrankten Tiere wurden für 5 Tage mit Florfenicol oral mediziniert. Schweine mit Fressunlust erhielten den Wirkstoff per Injektion. 
Weiterhin wurde für die zukünftige Prophylaxe ein Impfprogramm entwickelt. Der Sauenhalter führt bei den Sauen eine Muttertierschutzimpfung 5 Wochen und zwei Wochen vor der Geburt durch und die Läufer erhalten eine Impfung zwei Wochen vor dem Verkauf. Eine Woche nach Ankunft führt der Mäster die Wiederholungsimpfung bei den Läufern durch. Genutzt wird ein Impfstoff, der gegen den APP-Serotyp 2 wirksam ist.


Weiterer Verlauf
Die Behandlung mit Florfenicol zeigte sofortige Wirkung. Allerdings breitete sich das Geschehen auch in der Vormast und dann auch auf den anderen Standorten aus. Hier waren die Verluste aber geringer. Auch diese Tiere wurden mit gutem Erfolg mittels Florfenicol behandelt.

Die ersten geimpften Läufer, die jetzt schon die Mittelmast erreicht haben, zeigten zwar keine völlige Klinikfreiheit, aber wesentlich mildere Krankheitsverläufe. Bei Bedarf werden lediglich einzelne Buchten behandelt. Die Verluste sind wieder im Normalbereich.


Diskussion
Die Infektion mit Actinobacillus pleuropneumoniae ( früher Haemophilus pleuropneumoniae) schien für einige Zeit an Bedeutung zu verlieren. Doch mit der Intensivierung der Schweinproduktion und zunehmenden Bestandsgrößen gewinnt der Erreger wieder an Bedeutung.

Die Verlaufsformen der Erkrankung sind dabei sehr unterschiedlich. Je nach vorhandenem Serotyp ist das gesamte klinische Spektrum von hochdramatisch akuten bis völlig unauffälligen, apathogenen Infektionen möglich. 
Von den bekannten 18 Serotypen ist der Serotyp 2 am häufigsten in Deutschland anzutreffen. Die Einschleppung erfolgt häufig über Tierzukauf, aber auch über die Luft in schweinedichten Regionen, wobei flaches, ebenes Gelände die Ausbreitung von Erregern ganz allgemein deutlich begünstigt. 

Eine Erstinfektion zeigt häufig einen dramatischen Verlauf mit hochgradig erkrankten Tieren und erhöhten Todesfällen. Nach der ersten Durchseuchung flacht das Geschehen in aller Regel ab und geht in ein chronisches Stadium über. 
Die Bedeutung dieser Erkrankung ist je nach der Verlaufsform für die einzelnen Betriebe unterschiedlich. Bei der akuten Form sind immer Todesfälle zu beklagen. Bei der chronischen Form stehen eher die geringeren Zunahmen im Vordergrund. In jedem Fall leidet das wirtschaftliche Ergebnis betroffener Betriebe ganz massiv und kann im Extremfall sogar zur Totalräumung eines Betriebes führen. Deshalb sollte gezielt gegen die Erkrankung vorgegangen werden.

Eine Tilgung der Erkrankung ist allerdings nicht durch therapeutische Maßnahmen, sondern nur durch eine Totalräumung des Betriebes zu erreichen. Alle medikamentellen Versuche erbrachten bisher keine langfristigen Erfolge. 
Ist eine Repopulierung nicht möglich, sollte eine Schutzimpfung gegen APP durchgeführt werden. In Deutschland gibt es zwei zugelassene Impfstoffe, einen speziell gegen den Serotypen 2 und eine Subunit-Vakzine gegen alle pathogenen Serotypen. Eine weitere Möglichkeit ist die Herstellung eines bestandsspezifischen Impfstoffes. Alle diese Impfstoffe konnten bisher nicht vollständig überzeugen, da sie hauptsächlich die humorale Abwehr (Antikörper) stimulieren, aber eben nicht die lokale Abwehr im Zielorgan „Lunge“. Diese spielt aber bei der Immunität gegen APP eine entscheidende Rolle.

Erkrankte Tiere sind einer gezielten antibiotischen Behandlung zu unterziehen. Vor der Behandlung sollte ein Resistogramm erstellt werden. Die Resistenzlage der einzelnen APP-Stämme ist sehr unterschiedlich- und wie in unserem Fall auch- oft sogar kritisch. 

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