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Fall des Monats April 2009

Neuer Influenzastamm mit neuer Klinik 
Jens Jungbloot, Praxis für tierärztliche Bestandsbetreuung und Qualitätssicherung im Erzeugerbetrieb Schwein
Dr. Reinhold Heggemann, 25782 Tellingstedt 

Der Bestand 
Diesen Monat stellen wir Ihnen einen Kombibetrieb mit 450 Sauen vor, wobei der Sauenstandort mit Abferkelung im 2- wöchigem Rhythmus, sowie das Flatdeck und die Mast in jeweils separaten Gebäuden untergebracht waren. Sauenstall und Abferkelung waren dabei auf einem Standort, Flatdeck und Mast auf einem zweiten angesiedelt. 

Jungsauen wurden kontinuierlich zugekauft und über die Mast eingegliedert. Der Betrieb lief mit 28,4 Ferkel pro Sau/Jahr und 826 Gramm tägliche Zuname in der Mast stabil und auf hohem Niveau. 

Die Sauen wurden gegen Parvo/Rotlauf und Influenza geimpft, die Ferkel gegen Circo und Mycoplasma hypneumoniae (Enzootische Pneumonie). Der Bestand war frei von PRRS. 


Der Fall 
Im Mastbereich trat unvermittelt Husten auf, der aber nie alle Tiere in einem Abteil gleichzeitig betraf; war morgens stärker und verschwand bei Aktivität fast vollständig. In dieser Phase musste Futter reduziert werden. Bei zwei jüngeren Tieren war eine deutliche Lungenentzündung zu sehen. 
Die Injektionsbehandlung dieser Läufer mit Tetracyclin brachte eine deutliche Besserung. 

Nach zwei bis drei Wochen wurde der Husten in dem betroffenem Abteil insgesamt schwächer; allerdings sprang er von Abteil zu Abteil, so dass er immer irgendwo präsent war. Manche Abteile wurden auch mehrmals von der Hustenwelle betroffen. Die Tiere zeigten, wenn überhaupt, nur leicht erhöhte Körpertemperaturen. Das Allgemeinbefinden der Tiere war relativ ungestört. 


Diagnostik 
Zuerst wurden zehn Schlachtschweine ausgesucht, die bei einem lokalen Schlachter zwecks Lungencheck geschlachtet wurden. 

Von den zehn untresuchten Lungen wiesen drei Lungen nur leichte, sechs Lungen mittelgradige Spitzenlappenveränderungen auf. Eine Lunge war ohne besonderen Befund. 
Bei der weiteren bakteriologischen und virologischen Untersuchung dieser Lungen war lediglich in einer Lunge Mycoplasma hypneumoniae nachweisbar. Ansonsten gab es keine relevanten Nachweise von Krankheitserregern. 

Daraufhin wurden des weiteren zwanzig Blutproben in einem betroffenem Abteil gezogen und diese auf PRRS, PCV II, Influenza und App serologisch untersucht. Die Ergebnisse sind in der folgenden Tabelle dargestellt: 


Erreger
Ergebnis
PCV II (Circo)
19 x negativ , 1 x positiv
PRRS
20 x negativ
Influenza
(H1N1 / H1N2 / H3N2)
20 x negativ
App
20 x negativ



Ein Diagnoseversuch 
Eine eindeutige Diagnose war auf Basis der bisherigen Befunde somit nicht möglich. Der Verdacht bestand, dass die Impfung gegen die Enzootische Pneumonie nicht ausreichend war und doch noch eine Infektion in der Mast stattfand. Ein wager Hinweis für diese Annahme waren die Spitzenlappenveränderungen, der Nachweis von Mycoplasmen in einer Lunge und der vermeintliche therapeutische Erfolg mit der Tetracyclininjektion bei den erwähnten zwei Läufern. 


Weiterer Verlauf 
Nach Umstallung von Jungsauen aus der Mast in den Belegebereich verweigerten diese das Futter. Bei der klinischen Untersuchung waren Körpertemperaturen bis 40°C gemessen worden. Ansonsten war für den Landwirt nichts auffällig. 

Nach und nach erkrankten auch andere Sauen im Belegebereich. Klinisch zeigten diese vereinzelt leichten Husten, aber auch mal leichten Durchfall. Die Umrauschrate stieg von den gewohnten 8 Prozent auf über 20 Prozent an. Vier Sauen abortierten um den vierzigsten Trächtigkeitstag. Diese wurden serologisch auf Influenza, Leptospirose, PRRS und Circovirose mit negativem Ergebnis ( nur eine Sau hatte eine PCV II – Altinfektion) getestet. 

Die Infektion schien sich jetzt auch in der Abferkelung bemerkbar zu machen: Sauen verweigerten zeitweilig das Futter und reagierten in der Folge mit Milchmangel. Etwa sechs Wochen lang waren immer einzelne, wechselnde Sauen betroffen. Im Ergebnis war durch den Milchmangel eine erhöhte Ferkelsterblichkeit festzustellen. 
Abort durch Influenza mit H1N2

Lediglich die Sauen im Wartebereich, bestehend aus separat gelegenen Gruppenbuchten, zeigten keinerlei klinische Symptome. 


Erneute Diagnostik 
Da ein Zusammenhang zwischen der Klinik im Sauenstall und dem Hustengeschehen im Maststall vermutet werden konnte, wurden nochmals zwanzig Masttiere geblutet und erneut serologisch auf PRRS, PCV II, App und Influenza untersucht. Dabei wurden gezielt die zuerst erkrankten Masttiere für die erneute Beprobung ausgesucht. 





Bei dem neuen Infuenza-Typ H1N2 führt häufig erst
wiederholte Diagnostik zum Nachweis!

Die Ergebnisse sind in der folgenden Tabelle dargestellt: 

Erreger
Ergebnis
PRRS
20 x negativ
App
20x negativ
PCV II
20 x negativ
Influenza
(H1N1 / H1N2 / H3N2)
H1N1:   5 x positiv   
H1N2: 20 x positiv   
H3N2: 20 x negativ


Die Diagnose 
Nach dieser erneuten Beprobung war letztendlich eine gesicherte Diagnose mit Nachweis einer Infektion durch Influenza mit Beteiligung des „neuen“ Serotyps H1N2 nachgewiesen. 


Die Behandlung 
Die kausale Behandlung einer Influenzainfektion ist nicht möglich. Eine symptomatische Behandlung mit z.B. fiebersenkenden Mitteln kann sinnvoll sein. 
Wichtig ist das Zufüttern der Ferkel, um den Milchmangel auszugleichen. 

Ein wirksamer, vorbeugender Schutz ist nur durch eine Impfung möglich. Derzeit gibt es aber noch keinen zugelassenen Impfstoff mit diesem neuen Stamm. 

Allerdings ist der Einsatz eines Impfstoffes, der über Ausnahmegenehmigung nach § 17c Tierseuchengesetz genehmigt werden kann, auch schon jetzt möglich. 


Diskussion 
Bisher kannten wir die Influenzainfektion in aller Regel als perakutes bis akutes Krankheitsgeschehen mit z.T. dramatischer Klinik, insbesondere wenn Sauenherden betroffen waren. Dieses klinische Bild hat sich mit dem neuen Stamm H1N2 gänzlich gewandelt, ja fast könnte man von einem gegenteiligem Bild sprechen. 

Im Vordergrund steht jetzt eine chronische, schleichend unauffällige Verlaufsform nicht nur bei den klinischen Symptomen im Stall, sondern auch bei der Diagnostik! So dauerte es auch in diesem Fall mehrere Wochen, bis die Blutproben letztlich den Beweis einer Infektion erbrachten. Es ist also für den Nachweis von entscheidender Bedeutung, dass eine Beprobung von bereits genesenen Tieren oder auch eine wiederholte Beprobung stattfindet. 

Der hauptsächliche Schaden besteht im Sauen-, Abferkelbereich durch Umrauscher, Aborte, lebensschwache Ferkel und Milchmangel. 

Die Frage, ob man seinen Sauenbestand gegen eine Influenzainfektion schützen kann oder muss, sollte man jetzt neu überdenken. Nach Zulassung des Impfstoffes mit dem neuen Serotyp H1N2, die noch für dieses Jahr erwartet wird, ist die Impfung aus unserer Sicht dringend anzuraten. Der wirtschaftliche Schaden durch eine Infektion ist trotz der schleichenden Verlaufsform enorm, da sich die Infektion mehrere Monate oder sogar permanent im Bestand hält. 

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