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Fall des Monats April 2008

Perakute Todesfälle und Lungenentzündung in der Mast 
Jens Jungbloot, Praxis für tierärztliche Bestandsbetreuung und Qualitätssicherung im Erzeugerbetrieb Schwein 
Dr. Reinhold Heggemann, 25782 Tellingstedt 

Der Bestand   
Diesmal geht es um einen Ferkelerzeuger, bei dessen Mäster plötzlich gravierende Gesundheitsprobleme kurz nach Anlieferung auftraten. Im Erzeugerbetrieb sind 450 Sauen und das Flatdeck. Der Mäster ist mehrere Kilometer entfernt und wird nach dem Rein – Raus – Prinzip abteilweise beliefert. Der Sauenhalter ist PRRS positiv und impft dagegen im 6 / 60er Rhythmus. Die Ferkel erhalten in der ersten Lebenswoche eine einmalige Mykoplasmen – Impfung. Der Betrieb war in den Routinekontrollen  beim Mäster PCV 2 und APP frei. 
Vor 2 Jahren wurde die Jungsauenherkunft gewechselt, die Umstellung verlief weitestgehend problemlos. 
  
  
Der Fall   
5 Tage nach Anlieferung verendeten von 120 eingestallten Mastläufern 8 Tiere, ohne dass vorher irgendwelche Symptome sichtbar wurden. 2 der frisch verendeten Tiere wurden zur weiteren Diagnostik in ein Untersuchungslabor geschickt. Beim Bestandsbesuch fielen einige Tiere mit Lungensymptomen auf, einige Ferkel lagen apathisch in der Bucht. Bei den auffälligen Tieren lag die Körpertemperatur bei 40°C. 
Im Sauenbetrieb waren keinerlei Auffälligkeiten erkennbar. 
  
  
Die ersten Ergebnisse  
Bei der Sektion wurden an der Lunge Veränderungen festgestellt, wie sie bei einer APP – Infektion auftreten. (APP = Actinobacillus pleuropneumoniae). Kulturell konnten auch APP – Erreger nachgewiesen werden, die Serotypisierung gelang jedoch nicht. 
  
  












Schweinelunge mit typischen APP-Veränderungen                                                                 Eine APP-Infektion mit hämorrhagischer,
in Form von kreisförmigen Entzündungsherden                                                                        diffuser Ausprägung
(sog. Buttons)



Weiteres Vorgehen   
Da der Sauenbestand und die Flatdeckferkel  klinisch völlig gesund erschienen, wurde von einer akuten Infektion im Mastbetrieb ausgegangen. Die Inkubationszeit für APP liegt bei 1-5 Tagen, so dass dies im Rahmen des Möglichen erschien. 
Die betroffene Altersgruppe im Mastbestand wurde 10 Tage oral mit Amoxicillin behandelt, schon nach 3 Tagen  verschwand die Klinik. Nach dem Absetzen des Medikaments erkrankten die Tiere erneut und es traten auch wieder Verluste auf. 
In der Zwischenzeit wurden zwecks Abklärung der Infektionsquelle 2 ältere, klinisch gesunde Flatdeckferkel aus dem Ferkelerzeugerbetrieb in ein Labor geschickt. 
  
  
Ergebnisse   
Bei dem ersten Tier wurde pathologisch eine Polyserositis festgestellt, verschiedene Bakterien wurden isoliert (Proteus, Coli, Neisseria, Mannheimia), die PCR auf PRRS, PCV 2 und Hämophilus blieb negativ. Das 2. Tier wies eine fibrinöse Pleuropneumonie auf und neben Streptokokken und Coli – Keimen wurde auch APP nachgewiesen. Die PCR war hier ebenfalls negativ. 
  
  
Weiterer Verlauf   
Mit dem Vorliegen der Untersuchungsergebnisse der Flatdeckferkel wurde deutlich, dass die Infektionsquelle aus dem Ferkelerzeugerbetrieb kam. Warum traten jedoch in dem Bestand keinerlei Symptome auf? 
Zur weiteren Abklärung wurde ein Blutprobenscreening sowohl bei den Jungsauen, als auch bei den etwas älteren Sauen durchgeführt. Hier konnten Antikörper gegen APP gefunden werden. Die Titer waren relativ niedrig und traten gegen verschiedene Serotypen auf (Serotyp 1 / 2 / 7 / 9). 
  
Nach Rücksprache mit dem Jungsauenlieferant wurde bekannt, dass der Betrieb die Jungsauen gegen APP impft, da sein Betrieb nicht AAP – frei sei. Dies war dem Ferkelerzeuger bis dato nicht bekannt! 
Etwa 3 Wochen nach der ersten Klinik im Mastbetrieb traten jetzt auch im Erzeugerbetrieb im Flatdeck Symptome auf, die Saugferkel erkrankten auch weiterhin nicht. Eine Medizinierung mit Amoxicillin im Flatdeck  bewirkte eine sofortige Besserung, Verluste gab es keine. 
  
  
Bekämpfung   
Eine Erregerfreiheit ist nur durch die Repopulierung der Sauenherde zu erreichen. Alle anderen Maßnahmen bewirken nur die Unterdrückung der klinischen Symptome. 
Eine mögliche Vorgehensweise ist hier als erster Schritt die Muttertierschutzimpfung 6 Wochen und 2 Wochen vor der Abferkelung zur Stärkung der passiven, maternalen Immunität der Ferkel. Zweitens ist die Doppelimpfung der Ferkel beim Absetzen und 4 Wochen später zur Ausbildung einer aktiven Immunität für die Mastperiode eine mögliche Maßnahme. Als Impfstoff wird eine handelsübliche, sogenannte Subunit – Vakzine eingesetzt. Sie enthält mehrere Toxoide und Membranproteine und wirkt damit gegen alle relevanten Serotypen. 
Ein aktives Infektionsgeschehen kann in aller Regel mit Amoxicillin mediziniert werden, ein Resistenztest sollte angefertigt werden. 
  
  
Diskussion   
Derzeit sind 18 verschiedene APP – Serotypen bekannt, ihre Virulenz ist abhängig von den vorhandenen Toxoiden (Apx 1-4) und deren Kombinationen. In Europa gibt es die Serotypen 2 / 3 / 4 / 7 und 9, wobei der Serotyp 9 die höchste Virulenz (krankmachende Eigenschaften) aufweist. In unserem Fall blieb der auslösende Serotyp unbekannt. 
Das klinische Bild ist sehr variabel und stark abhängig vom Serotyp und dem Durchseuchungsgrad in der Herde. Neuinfektionen verlaufen häufig akut bis perakut mit hohen Verlusten. 
Hauptübertragungsweg sind latent infizierte Tiere, die Ansteckung über unbelebte Vektoren und über die Luft sind aber prinzipiell auch möglich. 
  
In unserem Fall wurden 2 Jahre lang unwissentlich geimpfte Jungsauen aus einem APP- infizierten Betrieb eingestallt. Die Ferkel waren durch die maternalen Antikörper geschützt und erst mit dem Nachlassen dieser Immunität kam es zu klinischen Symptomen im Mastbetrieb. Es wird sich hier um einen wenig virulenten Stamm gehandelt haben, da die Sauenherde des Ferkelerzeugers ohne klinische Symptome durchseuchte. 
  
Dieser Fall zeigt, wie wichtig die Kommunikation und Offenheit zwischen den verschiedenen Erzeugerebenen ist. Nur dann ist es möglich, durch gezielte Maßnahmen wie Quarantäne, Eingliederung, spezifische Impfprogramme, Betriebswechsel etc. auf die jeweilige Situation rechtzeitig und angemessen zu reagieren. 

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