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Aktueller Fall März 2012

Fruchtbarkeitsstörung im Sauenbestand
Tierarzt Jens Jungbloot, Praxis für tierärztliche Bestandsbetreuung und Qualitätssicherung im Erzeugerbetrieb Schwein Dr. Reinhold Heggemann, 25782 Tellingstedt

Der Betrieb
Der heute vorzustellende Betrieb hat 800 Sauen mit eigener, angeschlossener Ferkelaufzucht und Mast. Vor 5 Jahren wurde der Betrieb geräumt, repopuliert und neu aufgebaut. Ein Teil der Herde wird in Reinzucht betrieben, so dass Jungsauen über Eigenremontierung produziert werden können und von außen lediglich Sperma in den Betrieb eingeführt werden muss. Die Aufzucht der Jungsauen erfolgt in einem separaten Abteil innerhalb der Mast. Der Betrieb war ursprünglich frei von PRRS und Mycoplasmen, allerdings wurde die Enzootische Pneumonie (EP) vor drei Jahren über den Luftweg eingeschleppt. Seitdem werden die Saugferkel eine Woche vor dem Absetzen gegen EP (Mycoplasmen) und PCV 2 (Circo) mittels eines Kombiimpfstoffes geimpft.
 
Der Fall
Über einen Zeitraum von einem halben Jahres traten vereinzelte Würfe mit einem erhöhten Anteil von totgeborenen Ferkeln auf. Die Häufigkeit und die Anzahl der betroffenen Ferkel innerhalb eines Wurfes unterlag hohen Schwankungen. Die totgeborenen Ferkel waren in den unterschiedlichen Entwicklungsstadien abgestorben und teilweise mumifiziert.

 Beschreibung: F:\Mumien\Foto0147.jpg                        Beschreibung: F:\Mumien\Foto0149.jpg

Da die Leistung des Betriebes mit 29,3 abgesetzten Ferkeln pro Sau und Jahr sehr gut war, wurde diesem Geschehen zunächst keine größere Beachtung geschenkt. Nachdem aber komplette Würfe ausfielen, wurde eine ausführliche Reproduktionsanalyse durchgeführt. Dabei stellte sich heraus, dass zu 85 Prozent die 1.Wurfsauen eine erhöhte Totgeburtenrate aufwiesen. Grund genug, um der Ursache auf den Grund zu gehen.

Diagnose
Es wurden zehn totgeborene Feten aus einem Wurf zur pathologischen Untersuchung gebracht. Die Feten waren unterschiedlich groß (7 bis 23 cm Scheitel-Steißlänge) und hatten Zeichen einer ausgeprägten Mumifikation. Zuerst wurde von den Feten ein bakteriologischer Befund gefertigt. Gefunden wurden verschiedene E. coli-Stämme, darunter ein pathogener Stamm, Proteus (Darmbewohner/Sekundärerreger) und alpha-hämolysierende Streptokokken. In der molekularbiologischen Untersuchung wurde in den Feten PCV 2-Genom (Circovirus)  mittels der PCR-Methode nachgewiesen.

Auf Grundlage dieses Untersuchungsergebnisses war von einem PCV 2 induzierten Abort auszugehen; der bakteriologische Befund hingegen wurde als Begleitbefund eingestuft.

Um die Diagnose zu untermauern wurden Blutproben von 5 Altsauen und von 5 Jungsauen (3 vor der Belegung und 2 nach der Abferkelung) gezogen und mittels IgM/IgG-Elisa untersucht. Diese Methodik erlaubt es den Zeitpunkt der Infektion genauer einzugrenzen. Die Ergebnisse sind in der Tabelle dargestellt:

Probe Sauenstatus IgM IgG Beurteilung
1 Jungsau, vor Belegung - - Keine Infektion
2 Jungsau, vor Belegung - - Keine Infektion
3 Jungsau, vor Belegung - - Keine Infektion
4 1.Wurf Sau - + Alte Infektion
5 1.Wurf Sau - + Alte Infektion
6 Altsau - + Alte Infektion
7 Altsau - - Keine Infektion
8 Altsau - - Keine Infektion
9 Altsau - + Alte Infektion
10 Altsau - + Alte Infektion
 
Die 3 untersuchten Jungsauen waren vor der Belegung alle PCV 2 negativ; die abgeferkelten Jungsauen dagegen und auch teilweise die Altsauen hatten eine Infektion mit Circovirus durchgemacht, für uns ein Hinweis auf die Beteiligung der Circoviren am getsörten Fruchtbarkeitsgeschehen.
 
Behandlung
Auf Grund der fehlenden Immunität bei den Jungsauen gegen die Circovirose wird seit der Diagnosestellung die PCV 2-Impfung am 180. Lebenstag aufgefrischt. Dies wird nun seit zehn Monaten durchgeführt. Die Totgeburtenrate ist deutlich gesunken. Zwar wiesen auch die Altsauen eine unterschiedliche Immunität auf, aber da bei ihnen kaum Fruchtbarkeits-störungen auftraten, wurde bis dato auf eine generelle Impfung der gesamten Herde verzichtet.
 
Diskussion
Die fatalen Auswirkungen einer Circovirus-Infektion für die Ferkelaufzucht oder Mast ist uns allen noch aus den Zeiten geläufig, in denen noch kein Impfstoff zur Verfügung stand. Vor der Entwicklung der Circo-Impfstoffe gab es Bestände mit bis zu 70 prozentiger Erkrankungsrate und mit bis zu 10 Prozent Verlusten. Durch die fast flächendeckende Impfung der Ferkel gehört dieses Schreckensszenario der Vergangenheit an.

Sowohl das Circovirus aus dem Feld, als auch die Impfstoffe hinterlassen im einzelnen Tier allerdings keine lebenslange Immunität. Von der Sau erworbene maternale Antikörper schützen das Ferkel maximal 4 Wochen, so dass eine Infektion zwischen der 4. und 8. Lebenswoche möglich ist. Die dann erworbene Immunität hält etwa 28 Wochen an. Die durch eine Impfung erworbene Immunität  liegt bei ca.(!!) 22-25 Wochen. Dies bedeutet, dass Jungsauen, die als Ferkel eine Impfung gegen Circovirus erhalten haben, bis zum Beginn ihrer reproduktiven Phase wieder voll empfänglich für eine Circovirus-Infektion sein können. Wie die Ergebnisse in der Tabelle zeigen, können innerhalb einer bestehenden Sauenherde auch Altsauen wieder empfänglich für das Feldvirus werden.  

Das Circovirus kann in allen Trächtigkeitsstadien die sogenannte Placentaschranke überwinden. Das PRRS-Virus hingegen kann dies nur in der Spätträchtigkeit. Deshalb sind durch Circoinfektion bedingte Aborte zu jedem Zeitpunkt der Trächtigkeit und bei der PRRS nur kurz vor dem Geburtstermin möglich. Weiteres Indiz auf Circovirus-Infektion ist das Absterben der Feten in unterschiedlichen Entwicklungsstadien. Dies kommt durch die sehr langsame Ausbreitung des Virus im Uterus. Fachleute sprechen von einer vertikalen Infektionskette von Fetus zu Fetus. Neben Mumien in allen Entwicklungsstadien sind auch tote oder lebensschwache und völlig normal entwickelte Ferkel in einem Wurf zu sehen. Vereinzelt treten auch Aborte auf. Dieses Erkrankungsbild ähnelt insgesamt sehr stark der Parvovirose und auch die Leptospirose (die allerdings keine Mumien verusacht), muss differentialdiagnostisch in Betracht gezogen werden.

Die Diagnose erfolgt über Virusnachweis in den Feten. Es sollte ausreichend Material zur Untersuchung gebracht werden, da die Viren längst nicht in allen Feten vorhanden sein müssen. Alternativ oder ergänzend kann ein Herdenscreening mittels des IgM/IgG-Elisas sinnvoll sein. Damit können Infektionszeitpunkte eingegrenzt und die Infektionsdynamik innerhalb eines Bestandes erfasst werden.

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