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Aktueller Fall zum Jahreswechsel 2012 / 2013

Diagnostisch gestützte Eingliederung von Jungsauen
Dr. Reinhold Heggemann Praxis für tierärztliche Bestandsbetreuung und Qualitätssicherung im Erzeugerbetrieb Schwein, 25782 Tellingstedt

Der Bestand 
Diesmal geht es um einen Ferkelerzeuger mit 500 Sauen dänischer Genetik, der alle acht Wochen eine Jungsauengruppe mit 30 Tieren in zwei Altersklassen zukauft, um damit seinen Bestand zu remontieren. Die Jungsauen stammen aus einem Mycoplasmen und PRRS-freien Betrieb. Die Leistung der Sauenherde liegt mit 31,5 abgesetzten Ferkeln/Sau/Jahr sehr hoch. Diese Ferkel gehen mit einer Mycoplasmen- und Circoimpfung an drei verschiedene Mäster.
 
 
Der Fall

Die Jungsauen wurden in der Vergangenheit zunächst in einem separaten Stall auf Tiefstreu aufgestallt und nach ca. 3 bzw. 6 Wochen in die Herde integriert. Auf  Kontaktmaßnahmen wurde bisher verzichtet; die Tiere erhielten am Tag der Ankunft eine Vierfachimpfung gegen PRRS, Rotlauf/Parvo und Mycoplasmen. Im Herkunftsbestand hatten die Tiere während der Aufzuchtphase bereits eine Impfung gegen Hämophilus parasuis (HPS oder auch „Glässersche Krankheit“ genannt) und Lawsonia intracellularis (PIA) erhalten.
 

Ca. 3 Wochen nach Ankunft gab es regelmäßig gesundheitliche Probleme in Form von Husten, Lungenentzündungen, Fieber und Fressunlust, die auf Anordnung des Hoftierarztes mit einem Antibiotikum, Cortison und Meloxicam 2% behandelt wurden. 
Allerdings erkrankten die Tiere häufig nach 3-4 Wochen erneut in einer zweiten Welle, häufig um den Belegetermin herum.
 
Da gezielte diagnostische Maßnahmen bisher nicht durchgeführt worden waren, sollte zunächst ein serologisches Screening der Jungsauengruppen in den verschiedenen Altersstufen erklären, welche Erreger bzw. Infektionsdynamik sich in den Tieren abspielt.
 

Die Untersuchung 
Dazu wurden in drei verschiedenen Jungsauengruppen direkt nach Ankunft, sowie 4 und 8 Wochen nach Ankunft Blutproben in einer Stichprobengröße von jeweils 5 Tieren entnommen.
Da der klinische Focus auf einer respiratorischen Problematik lag, wurden die Proben auf verschiedene Atemwegserreger untersucht, auch unter dem Gesichtspunkt, den zugesicherten Mycoplasmen- und PRRS- freien Status des Lieferbetriebes zu überprüfen. Die einzelnen untersuchten Erreger können Sie der folgenden Tabelle entnehmen:
 

Die Ergebnisse 
Die Untersuchungen der drei Jungsauengruppen ergaben im Einzelnen folgende Ergebnisse:
 

Erreger

Jungsauengruppe
bei Ankunft

Jungsauengruppe
4 Wo. im Bestand
Jungsauengruppe
8 Wo. im Bestand
PCV 2 (Circo) + + + + + + + + + - + + + + +
APP (+) -  -  -  - -  -  -  -  - (+)  -  (+) + +
Mycoplasma hyopneumoniae -  -  -  -  - -  - + + + + + + + +
PRRS -  -  -  -  - + + + + + + + + + +
Influenza -  -  -  -  - -  -  -  -  - -  -  -  -  -
HPS -  -  -  -  + -  -  -  -  - -  -  -  -  -
  - = negativ, (+) = grenzwertig, + = positiv


Die Titerverläufe spiegeln einen hohen Gesundheitsstatus der Jungsauen bei Ankunft wider. Lediglich auf das PCV2 (Circovirus) zeigen die Tiere bereits bei Ankunft durchgehend Titer (ausschließlich IgG- Antikörper), ein Indiz dafür, dass die Tiere frühzeitig während der Aufzuchtphase eine Infektion mit Circoviren durchgemacht haben. Sowohl auf APP, Mycoplasma hyopn., PRRS, Influenza und HPS sind bei Ankunft stattgefundene, bereits durchgelaufene Infektionen nicht nachweisbar.
 
In Bezug auf Mycoplasma hyopn. und PRRS änderte sich dies innerhalb kürzester Zeit, wie die positiven Titer bereits 4 Wochen nach Ankunft zeigen. Auch 8 Wochen nach Ankunft bestätigt sich diese Aussage. Auf Actinobacillus pleuropneumoniae (APP) erfolgt eine Immunreaktion im ApxII-Elisa ca. 8 Wochen nach Ankunft. Die bei zwei Tieren(4 und 5) gefundenen Antikörper auf APP waren mit 32 bzw. 28 EU noch recht niedrig (Titer sind ab 26 EU positiv), deuten aber auch gerade in Verbindung mit den grenzwertigen Titern bei den Tieren 1 und 3 auf eine frische Infektion hin.  
 
Im Hinblick auf Influenza und HPS weisen die Jungsauen auch 8 Wochen nach Ankunft keine Titer auf.
 
Weiteres Vorgehen
Da die Jungsauengruppen in der Vergangenheit regelmäßig ca. 3 bzw. 6 Wochen nach Ankunft an den Atemwegen erkrankten, wurde das bisherige Impfprogramm bei den Jungsauen in Frage gestellt und auch die Vierfachimpfung als solche am Tag der Ankunft kritisch bewertet. Entsprechend den serologischen Ergebnissen sollte eine sinnvolle, verträgliche Impfabfolge installiert werden. Ab sofort sollten die Jungsauen bei Ankunft überhaupt nicht geimpft werden; vielmehr erhielten sie am Tag 1 eine Entwurmung per Injektion und erhielten die erste Woche Zeit, sich einzugewöhnen, zu akklimatisieren und eine Gruppenhierachie auszubilden. Nach einer Woche erhielten die Jungsauen dann eine PRRS und Mycoplasmen One-shot Impfung, wiederum eine Woche später eine Rotlauf/Parvo und Influenza (Flu3) Impfung, die nach 4 Wochen (Woche 6 nach Ankunft) wiederholt (geboostert) wurde.
 
Da der Titerverlauf bezüglich App erst 8 Wochen nach Ankunft anstieg, wurde die App zunächst nicht ursächlich mit dem Krankheitsgeschehen in Verbindung gebracht. Auf eine Impfung gegen APP wurde daher zunächst verzichtet. 
  
Weiterer Verlauf 
Mittlerweile sind drei Gruppen nach dem obigen Schema mit gutem Erfolg eingegliedert worden. Atemwegserkrankungen konnten bisher zu keinem Zeitpunkt festgestellt werden.
Nach der Entwurmung am Ankunftstag sind regelmäßig Wurmabgänge (Spulwürmer) zu beobachten. Da die Reproduktionszahlen der Jungsauen sehr gut sind, wurde und wird auch zukünftig auf eine Zustallung von Bestandstieren in die Quarantäne verzichtet.
Des weiteren wird für jede Jungsauengruppe eine sogenannte Laufkarte angelegt, auf der alle Impfungen und weitere Maßnahmen wie z.B. Entwurmung, Behandlungen, sowie ev. Transportrauschen eingetragen werden. Diese Karte begleitet die Gruppe bis zur erfolgreichen Belegung.
 
 
Diskussion 
Eingliederung und Akklimatisierung von Jungsauen läuft bisher in aller Regel oft sehr schematisch ab, ohne den wirklichen Gesundheitsstatus der Tiere, Erregerspektrum des eigenen Betriebes bzw. die Infektionszeitpunkte zu kennen oder zu berücksichtigen.
Handlungsbedarf ergibt sich spätestens dann, wenn die Fruchtbarkeitsleistung der Jungsauen um mehr als 10 % von der Altsauenleistung abweicht oder Jungsauengruppen subklinisch oder klinisch erkranken.
 
Für eine erfolgreiche und vor allem zielgerichtete Eingliederung sind aber nicht nur der Gesundheitsstatus der Jungsauen wichtig, sondern auch bereits durchgeführte Impfungen und Impfzeitpunkte im Lieferbetrieb, das betriebseigene Erregerspektrum und vor allem die Infektionszeitpunkte, bzw. Infektionsabläufe in den Jungsauengruppen.
Eine begleitende Entwurmung der Jungsauen sollte ebenso zum Standard gehören wie die Dokumentation der abgearbeiteten Impfungen und andere Maßnahmen.
 
Sicherlich kann man über die eine oder andere Impfung trefflich diskutieren und Für und Wider erörtern. Bestimmte Impfungen gehören einfach zum Standard wie die Parvo Impfung, andere wiederum sollten nur nach vorausgegangener Diagnostik implementiert werden. In der Diskussion steht auch häufiger die Influenza Impfung, die aber nach unseren Erfahrungen durchaus ihre Berechtigung hat. Auch wenn ev. nicht alle Serotypen abgedeckt werden, so hinterlässt eine Influenzainfektion in einer voll empfänglichen Herde einen immensen wirtschaftlichen Schaden. Nach unseren mehrfachen Berechnungen in der Vergangenheit ist der Schaden dann so groß, wie die Impfkosten für ca. 10 Jahre. Daher haben wir uns auch in diesem Falle für eine Influenza Impfung sowohl der Jungsauen als auch alle 6 Monate in der Sauenherde entschieden.
 
Der vorliegende Fall wirft auch (wieder mal) die Frage auf nach der Belastbarkeit des Immunsystems. Auch hier streiten sich Wissenschaftler und Praktiker. Während die Einen eine „Belastbarkeitsgrenze“ kategorisch verneinen, zeigt sich in der Praxis doch immer wieder, dass zum Beispiel Impfungen bei Ferkeln am Absetztag nicht ohne weiteres gut vertragen werden; ebenso wie auch Jungsauen mit 4 Impfungen am Ankunftstag offensichtlich überfordert werden können.
 
Abzulehnen ist aus unserer Sicht der Einsatz von sogenannter Kontaktsuppe, wo aus Exkrementen, Nachgeburten, Totgeburten etc. eine „Suppe“ mit nicht bekannten Zutaten „zubereitet“ und verabreicht wird. Wie hiermit dann auch noch ein „dosierter Kontakt“ praktiziert werden soll, ist uns nicht bekannt. In Zeiten, wo eine immer größer werdenden Auswahl an Impfstoffen zur Verfügung steht oder auch mit bestandsspezifischen Impfstoffen ganz gezielt nach entsprechender Diagnostik gearbeitet werden kann, mutet die Verabreichung von Kontaktsuppe eher wie eine steinzeitliche Methode an.
 
Auch das Zustallen von Kontakttieren aus dem eigenen Bestand ist leider häufig sinnlos. Eine Immunisierung (Ansteckung) von Tier zu Tier setzt eine Ausscheidung von Erregern voraus. Diese ist aber häufig diskontinuierlich und auch nur bei akut kranken Tieren am wahrscheinlichsten; das Zustallen von alten Schlachtsauen ist also im Zusammenhang mit der Akklimatisierung von Jungsauen in aller Regel völlig nutzlos. Wenn mit Bestandstieren als Kontakt gearbeitet werden soll oder in Ausnahmenfällen gearbeitet werden muss, dann sind Flatdeckferkel die „besseren Ausscheider“. Häufig geht diese praktizierte Methode aber mit einer klinischen Erkrankung der Jungsauen einher, die dann wieder unter Umständen mit dem Einsatz von Antibiotika behandelt werden muss. Eine klinische Erkrankung, möglicherweise noch verbunden mit hohem Fieber, sollte aber im Hinblick auf die Fruchtbarkeitsleistung im ersten Wurf auf jeden Fall vermieden werden.
 
Diagnose gestützte Eingliederung sollte mit dem Wachsen der Betriebsgröße ein fester Bestandteil des Jungsauenmanagements sein. Die Diagnostik ist sowohl vom praktischen als auch vom wirtschaftlichen Aufwand her vertretbar und muss auch nicht bei jeder Lieferung wiederholt werden. Vielmehr sollte ein Konzept erarbeitet und beibehalten werden, wenn es denn funktioniert. Ein Abgleich einmal jährlich oder auf jeden Fall bei Lieferantenwechsel ist dann ausreichend. Einen allgemeingültigen diagnostischen Katalog kann es natürlich nicht geben; vielmehr ist dieser entsprechend der vorliegenden Rahmenbedingungen und Umstände anzupassen.
 
In Betrieben mit Eigenremontierung entfallen in aller Regel solche Untersuchungen, da die Jungsauen ja bereits den eigenen Betrieb während der Aufzucht durchlaufen haben. 

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