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Aktueller Fall September / Oktober

Ferkelverluste bis zu 5 Prozent
Jens Jungbloot und Dr. Linus Eichhorn, Vet-Team-Schleswig-Holstein, 25782 Tellingstedt

Der Bestand

In dem vorzustellenden Fall geht es um einen Familienbetrieb, der Ferkelproduktion betreibt. Die Familie betreut 500 Sauen. Die Jungsauen werden aus Dänemark zugekauft. Der Betrieb ist PRRS negativ. Die Säugezeit beträgt 4 Wochen. Die Ferkel werden gegen Mycoplasmen- und Circovirusinfektionen mit einem Kombiimpfstoff geimpft. Da der Betrieb in der Vergangenheit Probleme mit Streptokokken im Flatdeck hatte(vor allem Hirnhautentzündungen), wird eine Mutterschutzimpfung mit einem Bestandsimpfstoff (Streptococcus suis Serotyp 9) durchgeführt. Dadurch konnte die Erkrankungsintensität gesenkt werden. Noch auftretende Einzelfälle werden rechtzeitig erkannt. Die Tiere werden mit Amoxicillin per Injektion behandelt was in 90% der Fälle zur Genesung führt.
 
Der Fall

Seit zwei Wochen stiegen die Erkrankungsfälle im Flatdeck dramatisch an. Betroffen waren die Altersgruppen zwischen 2. und 5. Absetzwoche. Der Verlauf war perakut. Dies heißt gesunde Ferkel fielen urplötzlich um, zeigten teilweise noch Ruderbewegungen, sind aber auch teilweise sofort verendet. Behandlungsversuche mit Amoxicillin schlugen fehl. So waren die Ferkelverluste in den betroffenen Abteilen schnell bei 5 Prozent. Das klinische Bild mit den festliegenden Ferkeln welche Ruderbewegungen zeigten, lies keine eindeutige Diagnose zu. Daher lautete die Verdachtsdiagnose Hirnhautentzündung durch Streptokokken oder Ödemkranheit.
 
Die Untersuchung

Beim Betriebsbesuch lagen 6 Läufer in den betroffenen Abteilen. 4 von diesen waren schon verendet. Die beiden anderen Tiere zeigten nur leichte Ruderbewegungen und waren völlig apathisch. Auffällig war, dass es sich um gut entwickelte Ferkel handelte. Die nicht erkrankten Tiere waren in einem sehr guten Futterzustand und zeigten keinerlei klinische Auffälligkeiten.
Von den verendeten Tieren wurden 3 Läufer zur Sektion gebracht. Etwas überraschend war, dass die Untersuchung der Gehirne keine offensichtlichen Anzeichen von Hirnhautentzündungen erbrachte. Bei einem Tier war ein massives Ödem im Darmgekröse erkennbar. Bei allen 3 Tieren waren die Darmlymphknoten geschwollen und die Darmabschnitte entzündlich verändert.
 
Weiterer Verlauf

Aufgrund der klinischen Befunde und der Bestandshistorie läge hier der Verdacht einer Streptokokkeninfektion nahe. Durch die schnelle Rückmeldung aus der Pathologie (Ödem im Gekröse, entzündlich verändeter Darm und geschwollene Darmlymphknoten) konnte aber eher der Verdacht auf Ödemkrankheit ausgesprochen werden. Aus diesem Grund entschieden wir uns für den Einsatz von Colistin (gute Wirksamkeit gegen E.coli). Nach 2 Tagen war die Situation im Griff und es erkrankten keine weiteren Tiere.
 
Laborergebnisse

Es konnte ein pathogener (krankmachender) E. coli aus dem Darm isoliert werden. Durch eine PCR-Typisierung wurde er den Enterotoxischen E. coli-Stämmen (ETEC) zugeordnet (Adhäsion: F6 , Toxin LT I). Der Nachweis des für die Ödemkrankheit verantwortlichen Shigatoxin bildenden E.coli gelang nicht.
Auf den Hirnhäuten aller drei Tiere konnte Streptococcus suis Serotyp 9 nachgewiesen werden
Nun war die Verwirrung groß. Einerseits Anzeichen für Ödemkrankheit in der Sektion und erfolgreiche Therapie mit Colistin. Andererseits der Nachweis von Streptokokkus suis Typ 9 in den Gehirnen aller Tiere.
Impfung
Auch wenn der Nachweis eines E. coli-Stammes mi Shigatoxin nicht gelungen ist, probierten wir die Ferkelimpfung gegen die Ödemkrankheit mit dem handelsüblichen Toxoidimpfstoff aus. Die Ferkel wurden am 4. Lebenstag einmalig mit diesem Impfstoff geimpft. Die geimpften Ferkel bekamen keine Behandlung mit Colistin nach dem Absetzen und erkrankten nicht. Dies bestärkte uns, uns auf die Diagnose Ödemkrankheit festzulegen.
 
Diskussion

Festliegende Ferkel erlauben keine eindeutige Diagnose. Neben den Klassikern Hirnhautentzündung durch Streptokokken und Ödemkrankheit können auch andere Erkrankungen dazu führen. Oft wird die Diagnose durch eine enge tierärztliche Begleitung eines Bestands erleichtert. In unserem Fall, ein Betrieb mit jahrelanger Streptokokkensymptomatik, wäre man damit aber einem Irrtum aufgesessen. Auch die Diagnostik hat uns in diesem Fall nicht auf die eindeutige Krankheitsursache gebracht. Erst das Zusammenführen des klinischen Bilds, der Sektion, der Therapie und der Impfmaßnahmen lies eine eindeutige Diagnose zu. In einem zweiten Anlauf weiterführender Diagnostik gelang uns dann letztendlich auch der Nachweis von Shigatoxin bildenden E.coli. Die Streptokokken sind sehr wahrscheinlich bei den erkrankten und geschwächten Tier sekundär ins Gehirn gewandert, hatten aber dort noch keine Schädigung hervor gerufen.
Die E. coli (Escherichia coli) –Stämme werden nach den Virulenzfaktoren, der Möglichkeit sich an die Darmwand anzuheften, und der Toxinbildung unterschieden. Für das Schwein sind folgende Stämme von Bedeutung:

  • Enterotoxische E.coli (ETEC) machen Durchfälle bei Saug- und Absetzferkel

  • Shigatoxinbildende E.coli (EDEC) sind für die Ödemkrankheit verantwortlich

  • Enteropathogene E.coli (EPEC) machen Durchfälle bei Absetzferkeln

Die Virulenzfaktoren sind entscheidend wie pathogen (krankmachend) ein Erreger ist. Die Virulenzfaktoren können mittels molekularbiologischen Verfahren (PCR) nachgewiesen werden. Das Problem ist nur, den richtigen Stamm zu isolieren. Dies gelingt nicht in jedem Fall, da der Darm auch durch viele andere E.coli-Stämme besiedelt ist und diese den ursächlichen Krankheitsverursacher im Wachstum auf dem Nährboden im Labor überlagern können.
Da der Betrieb in leider wirtschaftlich angespannten Zeiten nun eine weitere Ferkelimpfung bezahlen musste, wurde schnell über den Ausstiegszeitpunkt aus der Impfung diskutiert. Dies ist nur möglich wenn gleichzeitig Änderungen im Management und in der Fütterung vorgenommen werden. Zur Vorbeugung der Ödemkrankheit müssen die die Futterzusammensetzung (Komponenten), die Fütterungstechnik und das Fütterungsregime optimiert werden. Hilfreich ist eine gröbere Struktur des Futters, niedriger pH-Wert im Futter, keinen überdurchschnittlichen Eiweißgehalt, günstiges Tier-Fressplatzverhältnis, bei Futterwechsel Verschneidung und ausreichende Trinkwasserversorgung.
 

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