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Aktueller Fall Oktober 2013

PRRS – immer noch aktuell?!
Jens Jungbloot und Dr. Reinhold Heggemann, Praxis für tierärztliche Bestandsbetreuung und Qualitätssicherung im Erzeugerbetrieb Schwein Dr. Reinhold Heggemann, 25782 Tellingstedt

Heute wollen wir ihnen gleich zwei Praxisfälle vorstellen, die allerdings Gemeinsamkeiten aufweisen. Es werden zwei Sauenhalter beschrieben, die  ihre Herde bereits jahrelang alle vier Monate oder im sogenannten 6/60 Verfahren gegen PRRS impfen und dadurch in der Vergangenheit PRRS-stabil waren. Die Sauen zeigten keinerlei Klinik; die Ferkel wurden zu keinem Zeitpunkt gegen PRRS geimpft.


Betrieb 1
Bei diesem Betrieb handelt es sich um einen kleineren Kombibetrieb mit 160 Sauen und eigener Mast. Die Sauen werden in der Gruppe -im Sommer mit Weidegang- gehalten. Abferkelung und Ferkelaufzucht erfolgen im Stall. Die Mast findet in einem älteren Offenstall statt, in dem immer wieder mal Atemwegserkrankungen auftraten. Durch Einführung der Ferkelimpfung gegen Mycoplasma hyopneumoniae und Circovirus besserte sich die Situation im Betrieb drastisch. Mehrere Jahre traten keine nennenswerten Probleme auf. Im Jahr 2012 allerdings erkrankten immer wieder Einzeltiere in der Endmast an akuter Pneumonie mit teilweise tödlichem Ausgang. Die Tageszunahmen generell gingen dauerhaft zurück und nach eingehender Diagnostik wurde als Ursache eine bakterielle Infektion mit Pasteurella multocida (Pm) diagnostiziert. Daraufhin wurden die Mastläufer gegen Pm geimpft und die Mast lief mit den geimpften Tieren über einen längeren Zeitraum wieder problemlos.


Der Fall
In diesem Jahr war eine schleichende, stetige Verschlechterung der Tiergesundheit zu verzeichnen. Bereits bei abgesetzten Ferkeln im Flatdeck traten immer wieder Tiere mit Pneumonie und Bindehautentzündung auf. Dabei waren die Zunahmen der Ferkel weiterhin sehr gut und die Homogenität der Tiere nicht gestört. Diese Erkrankungen wurden auf Fehler der Lüftungssteuerung geschoben. Später erkrankten auch die Masttiere. Husten wurde in der gesamten Mastperiode ein permanenter Begleiter. Einzeltiere wiesen wässrigen, teilweise auch eitrigen Nasenausfluss auf. Es traten wieder schwere Lungenentzündungen auf, die teilweise nicht behandelbar waren und die Tiere entwickelten sich insgesamt sehr unterschiedlich.


Diagnostik
Aufgrund der generellen Verschlechterung des Gesundheitszustandes schien es ein neues Problem zu geben, das es herauszufinden galt. Deshalb führten wir ein Screening im Betrieb durch, bei dem jeweils fünf Blutproben von FD-Ferkeln, Mittelmasttieren und Endmasttieren entnommen und auf APP, Glässersche Krankheit (Haemophilus parasuis, HPS), PRRS und Influenza mit folgendem Ergebnis untersucht wurden:

  Tiere 1-5
Flatdeck
Tiere 6-10
Mittelmast
Tiere 11-15
Endmast
APP - - - - - + - - - - - - - - -
Glässer (HPS) + - - - - + - - - - + - - - -
PRRS + - - - - + + + + + + + + + +
Influenza -  - - - - -  - - - - - - - - -

Bei der APP- Untersuchung (ApxII-Elisa) reagierte lediglich ein Mittelmasttier (+), das sich bei der weiteren Untersuchung auf kranlmachende Eigenschaften des APP- Stammes allerdings als negativ erwies.
Auf die Glässersche Krankheit reagierten jeweils ein Tier aus dem Flatdeck, der Mittelmast und der Endmast positiv.
Bei der PRRS Untersuchung war eine sehr deutliche Reaktion der Tiere festzustellen, die bereits im Flatdeck mit einem positiven Tier ihren Ursprung nahm und alle untersuchten Masttiere als PRRS infiziert aufzeigte. Dabei zeigten die Mittelmasttiere die höchsten Titer.

Hinsichtlich einer Influenza Infektion zeigte keines der Tiere eine Reaktion.

Damit lautete die Diagnose in Betrieb 1 „PRRS- Infektion der abgesetzten Ferkel“.


Betrieb 2
Hier handelt es sich um einen 500‘er Sauenbetrieb, der Mastläufer vermarktet. Dieser Betrieb produzierte in der Vergangenheit Babyferkel, die im Mastbetrieb aufgezogen wurden. Da die Vermarktung von Babyferkeln nicht mehr möglich war, baute der Ferkelerzeuger einen eigenen, neuen Flatdeckstall. Die Sauenherde ist wie im Betrieb1 PRRS-positiv und wird schon länger gegen PRRS geimpft. Die Ferkel erhalten in der dritten Lebenswoche eine Kombinationsimpfung gegen Mycoplasmen (EP) und Circovirus.


Der Fall
Die ersten selbst aufgezogenen Ferkel im neuen Flatdeck machten einen überdurchschnittlich guten Eindruck. Es traten zunächst keine Probleme auf. Nach Vollbelegung traten bei einer Absetzgruppe Lungenentzündungen auf, die therapeutisch gut behandelt werden konnten. Zudem wurde die Steuerung der neuen Lüftungsanlage optimiert und danach waren wieder gute Durchgänge zu verzeichnen.

Im weiteren Verlauf traten aber immer häufiger durch Streptokokken ausgelöste Einzeltiererkrankungen auf. Bei den Stalldurchgängen konnte permanent unterschwelliger Husten und nach einigen Wochen auch Tiere mit schweren Lungenentzündungen gesehen werden.


Diagnostik
In der Phase der Einzeltiererkrankungen kamen zwei Tiere zur Sektion, die mit folgendem Ergebnis untersucht wurden:

Tier1: katarrhalisch-eitrige Lungenentzündung durch alpha-hämolysierende Streptokokken  
           und Hämophilus parasuis (HPS, Glässersche Krankheit)

Tier 2: Herzbeutelentzündung durch Hämophilus parasuis.

Die aufgrund dieses Ergebnisses durchgeführte Behandlung des Bestandes mit Amoxicillin brachte überraschenderweise keine wesentliche Verbesserung.

Um den Grund für die unzureichende Wirkung der Medizinierung herauszufinden, erschien uns ein weiterführendes Screening von 10 älteren Ferkeln angebracht.
  10 Tiere, Alter 9 Wochen
APP Alle Tiere  -
Influenza Alle Tiere  -
Glässer (HPS) +  - - - - - - - - -
PRRS + + + + +  - - - - -
Salmonellen Alle Tiere  -
PIA Alle Tiere  -

Die auf PRRS fünf positiven (+) Ferkel reagierten mit relativ hohen Titern und auch die Untersuchung auf EU-Virus erwies sich bei allen fünf Tieren als positiv.

Auch hier lautete die Diagnose „PRRS- Infektion der abgesetzten Ferkel“.


Weitere Vorgehensweise
In beiden Betrieben verhielten sich die Sauenherden weiterhin unauffällig und werden auch zukünftig nach altem Schema gegen PRRS geimpft.

Die Infektion erfolgte in beiden Fällen bei den abgesetzten Ferkeln auf den Flatdecks, weshalb die Ferkel jetzt eine Woche vor dem Absetzen gegen PRRS geimpft werden.
Diese frühe Impfung ist notwendig, da eine belastbare Immunität erst ca. drei Wochen nach der Impfung zu erwarten ist.

Die geimpften Tiere zeigten bisher in der weiteren Mast keine Klinik.


Diskussion
Auffällig ist bei beiden Fällen, dass die Sauenherden schon über einen längeren Zeitraum gegen PRS geimpft wurden (In Betrieb 1 alle 4 Monate, in Betrieb 2 am 6. und 60. Trächtigkeitstag). Die Impfung der Sauen reduziert zwar die PRRS- Virusausscheidung deutlich, bewirkt aber alleine für sich nicht zuverlässig die vollständige Eliminierung des Virus aus einem Betrieb. Zwar sind die geimpften Sauen gegen PRRS geschützt, nicht aber die (ungeimpfte) Nachzucht.  

Da unter der Impfdecke latent Feldvirus vorhanden sein kann, kommt es häufig bei veränderten Bedingungen zu klinischen Erscheinungen, die nicht selten übersehen werden, gerade weil sie auch sehr unspezifisch sein können.

Immer dann, wenn in bisher stabil laufenden PPRS-Betrieben z.B. bewährte Impfprogramme bei den (PRRS ungeimpften) Ferkeln nicht mehr die gewohnte Wirkung zeigen, wenn die Erkrankungsrate oder Verluste im Flatdeck oder in der Mast ansteigen, Behandlungen nicht mehr so wirken wie gewohnt oder Tiere auseinanderwachsen, kümmern oder wieder gehäuft Atemwegserkrankungen auftreten, sollte eine PRRS- Infektion in Betracht gezogen und diagnostisch abgesichert werden. 

Da PRRS in den Organen keine typischen Gewebeveränderungen verursacht, ist bei der Sektion oder bei einem Lungencheck am Schlachthof oft kein Hinweis auf PRRS vorhanden. Daher sind andere diagnostische Verfahren, wie die Untersuchung von Blutproben oder Tupferproben notwendig. Aufgrund der relativ kurzen Virämie des PRRS- Virus sollte aus Blutproben nicht nur ein direkter Erregernachweis (PCR) versucht, sondern auch ein Antikörpernachweis werden. Ein Screening mit ausreichend vielen Tieren aus verschiedenen Altersgruppen bringt in aller Regel Klarheit.

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