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Aktueller Fall Mai 2012

"Es läuft nicht mehr rund"
Dr. Reinhold Heggemann, Praxis für tierärztliche Bestandsbetreuung und Qualitätssicherung im Erzeugerbetrieb Schwein, 25782 Tellingstedt

Der Bestand 
In diesem aktuellen Fall stellen wir einen Mastbetrieb vor, der die Ferkel seit Jahren aus dem gleichen Betrieb bezieht. Bisher verlief die Mast ohne nennenswerte Probleme; die Leistungsdaten lagen im mittleren Drittel. Der Betrieb verfügt über 1600 Mastplätze. Gefüttert wird ausschließlich mit Trockenfutter an Breiautomaten..
Die angelieferten Ferkel sind gegen Circo und Mycoplasmen geimpft.
 
 
Der Fall 
Der Landwirt kontaktierte unsere Praxis telefonisch mit der Bemerkung „es liefe in letzter Zeit nicht mehr rund“ und die Tiere hätten wohl auch Circoprobleme. Eine besondere Dringlichkeit ergab sich aus diesem Telefonat nicht, es wurde ein Besuchstermin in drei Tagen vereinbart.


Die Untersuchung
Bei dem durchgeführten Besuch berichtete der Besitzer von 35 verendeten Schweinen in den letzten 4 Wochen! In aller Regel verendeten die Tiere perakut und wurden bei Kontrollgängen bereits tot aufgefunden. Bei dem Bestandsdurchgang konnte keine akute Krankheitssymptomatik festgestellt werden. Lediglich einzelne erkrankte Tiere mit ganz unterschiedlichen Symptomen waren identifizierbar, die allerdings das gehäufte Verenden nicht erklärten.
Es wurden vier lebende Tiere aus allen Altersklassen für weiterführende Untersuchungen ausgesucht und zur Sektion verbracht.
Bei der Besichtigung der Kadaverlagerung wurden  mehrere tote Tiere vorgefunden, teilweise  schon in Verwesung übergehend. Rückschlüsse auf die Todesursachen konnten nicht gezogen werden.

6 Tage später wurde der Betrieb ein zweites Mal besucht. In einer Bucht wurde blutiger Kot gefunden. Berichtet wurde auch von blutigem Kot, der bei der Entsorgung eines toten Tieres aufgefallen sei.

Eine zwischenzeitlich geführte telefonische Abfrage über den Ergebnisstand aus der Untersuchung der 4 Tiere vor einer Woche erbrachte keinen konkreten Hinweis auf die Erkrankungs- bzw. Todesursache. Bei einem untersuchten Tier wurde lediglich ein Magengeschwür festgestellt; die anderen drei Tiere waren völlig unauffällig.
Aufgrund der Hinweise auf blutigen Kot wurde eine Verdachtsdiagnose proliferative hämorrhagische Enteropathie (PHE) - verursacht durch Lawsonia intracellularis - geäußert und eine Behandlung mit Tiamulin eingeleitet. In den nächsten 2 Tagen traten keine weiteren Verluste auf, allerdings verendeten am dritten Tag der Medizinierung wieder 4 Tiere perakut.

Auffälligstes Symptom war, dass die Tiere innerhalb kürzester Zeit sehr stark aufgasten. Bei Druck auf die Haut konnten in der Tiefe knisternde Geräusche provoziert werden, was als ein typisches Symptom für eine Infektion mit Clostridien gilt.
Somit musste die anfängliche Verdachstdiagnose PHE revidiert und die Medikation auf ein Clostridien wirksames Mittel umgestellt werden. 
Zunächst war nicht eindeutig klar, ob die erneuten Todesfälle der Unwirksamkeit des eingesetzten Medikaments oder einer unzureichenden Dosierung geschuldet war. In einem Teil des Betriebes wurde die Dosierung des Medikaments über einen Trockendosierer verabreicht, der nur sehr bedingt eine gleichmäßige und genügend hohe Dosierung gewährleisten konnte.

Kadaver mit extremer Aufgasung


Parallel zu der Medikationsumstellung wurde zur diagnostischen Absicherung ein weiteres, frisch verendetes Tier zur Sektion verbracht.
Dieses Tier zeigte in allen Organen typische Veränderungen einer Clostridieninfektion, sodass die Diagnose „Clostridiose“ als gesichert angesehen werden konnte.

  
Weiterer Verlauf 
Mit der Umstellung der Therapie auf Chlortetracyclin konnten akute Todesfälle abrupt vermieden werden.
Eine ergänzend durchgeführte serologische Untersuchung erbrachte im Übrigen keinerlei Hinweis auf eine Circovirus- und PRRS Infektion. 
                                                                       Veralteter Trockendosierer, lag hier eine mögliche Fehlerquelle? 


Diskussion 
Plötzliche, perakute Todesfälle in Mastbetrieben gehen naturgemäß immer mit einer gewissen Dramatik einher, umso erstaunlicher die relative Gelassenheit des Tierbesitzers in diesem Fall. Blutige Durchfälle können naturgemäß verschiedene Ursachen haben, sodass auch hier zunächst nur eine Verdachtsdiagnose gestellt werden konnte. Generell sind Salmonellen, Brachyspiren, Clostridien, Lawsonien, Magengeschwüre, Magen- Darmdrehungen aber auch Vergiftungen oder starker Parasitenbefall in der Lage ein Krankheitsbild mit blutigen Durchfällen und/oder Aufgasungen bzw. perakuten Verendungen auszulösen, wobei die Symptome in beliebiger Kombination oder als alleiniges Merkmal auftreten können. 

Clostridien gibt es in verschiedenen Varianten und verursachen unter anderem auch den Wundstarrkrampf (Tetanus) oder den bei Rindern momentan sehr aktuellen Botulismus. Unter ungünstigen Bedingungen versporen sie sich und sind dadurch sehr widerstandsfähig und können so unter Umständen jahrelang überdauern und infektiös bleiben. Daher ist auch die Eliminierung von Clostridien aus einem Bestand mit den üblichen Reinigungs- und Desinfektionsverfahren nicht möglich.

Die Beantwortung der Frage was letztlich ein Krankheitsgeschehen im Sinne einer blutigen Enteritis ausgelöst hat, bleibt oft unbeantwortet. Vermutet werden könnte unter anderem eine Mycotoxinbelastung des Futters, unzureichende hygienische Verhältnisse (auch im Wasser/Futter/Fütterung) , immunsuppressive Begleiterkrankungen, Vergiftungen oder Reizung der Darmschleimhaut.

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