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Aktueller Fall Mai / Juni 2017


Streptokokken - ein Dauerbrenner
Jens Jungbloot, Vet-Team-Schleswig-Holstein, 25782 Tellingstedt

Das Bakterium Streptococcus suis erlebt eine wahre Renaissance in unseren Schweinebeständen. Oft führt der Erreger zu erheblichen wirtschaftlichen Schäden und ist in allen Produktionsstufen bei den unterschiedlichsten Krankheitsbildern zu finden. Sehr häufig sind Streptokokken in der Ferkelaufzucht anzutreffen und führen hier zu Gelenksentzündungen und Hirnhautentzündungen. Von so einem Fall berichteten wir im Mai/Juni 2015. Ein Ferkelerzeuger hatte massive Probleme im Flatdeck durch Hirnhautentzündungen, hervorgerufen durch Streptococcus suis. Um das Problem in Griff zu bekommen, wurde eine Bestandsvakzine hergestellt und als Muttertierschutzimpfung bei den Sauen und als Ferkelimpfung eigesetzt. Wir konnten über einen Rückgang der Erkrankungsintensität berichten. Heute wollen wir Ihnen den weiteren Verlauf in diesem Betrieb vorstellen.

Der Betrieb
Es handelt sich um einen Ferkelerzeuger mit 600 Sauen. Er hatte 2014/15 massive Probleme mit Saugferkeldurchfall durch Mitbeteiligung von Rotavirus. Die dadurch geschwächten Ferkel hatten in der Aufzucht oft Streptokokkeninfektionen. Diese zeigten sich als Hirnhautentzündungen und Gelenksentzündungen. Dadurch lag die Verlustrate bei 5 Prozent. Einige Tiere hatten zusätzlich Durchfall durch enteropathogene Escherichia coli. Anfänglich wurde durch Antibiotikaeinsatz als Bestandsmetaphylaxe den Ferkeln geholfen. Durch Futteroptimierung konnte die Darmgesundheit verbessert werden. Weitergehende Diagnostik in Richtung der Streptokokken führte zur Isolierung zweier Stämme: Streptococcus suis, nicht typisierbar, sly, mrp und Steptococcus suis, Kapseltyp 2, sly, mrp. Diese beiden Stämme wurden für eine Bestandsvakzine verwandt. Damit wurden die Sauen 6 und 3 Wochen vor der Abferkelung und die Ferkel am 5. und 19. Lebenstag geimpft. Der Saugferkeldurchfall trat zu diesem Zeitpunkt nicht mehr auf und die Ferkel wurden gesund abgesetzt.  Dies führte zu einer deutlichen Senkung der Erkrankungsintensität, so dass auf die antibiotische Bestandsbehandlung verzichtet werden konnte und nur noch Einzeltierbehandlungen notwendig waren. Der Betrieb ist immer noch PRRS negativ. Die Ferkel werden weiterhin standardmäßig gegen Enzootische Pneumonie und Circovirose geimpft.

Der weitere Verlauf
Für etwa ein halbes Jahr war die Erkrankungshäufigkeit sehr gering. Wenn Hirnhautentzündungen auftraten, kam sie wellenweise, betraf mehrere Tiere und unterschiedliche Altersstufen. Der Landwirt reagierte durch Einzeltierbehandlungen mit Amoxicillin und Meloxicam, konnte aber nicht jedes Tier retten. Die Verlustrate lag bei zwei Prozent. Gelenksentzündungen traten nur bei Einzeltieren auf. In der Wintersaison 2015/16 wurden die Wellen mit den Hirnhautentzündungen häufiger und es waren immer mehr Tiere betroffen. Vermehrte Gelenksentzündungen traten nicht auf. Die Verluste stiegen wieder an. Mit der Einzeltierbehandlung kam der Landwirt häufig zu spät. Deshalb erfolgte nun die Behandlung der betroffenen Absetzgruppe zu Beginn einer Erkrankungswelle mit Amoxicillin. Es wurden erneut Tiere zur Sektion ins Labor gebracht.

Das 1. Untersuchungsergebnis
In dem Auszug aus dem Befund sind die Ergebnisse dargestellt. Diesmal waren andere Streptokokken für die Erkrankungen verantwortlich.
 
 Ferkel 1:

Labor- Nr. Kulturell- Bakteriologische Untersuchung:
3. Herztupfer +++ Streptococcus suis Typ 9* Antibiogramm 1
4. Gehirntupfer ++ Streptococcus suis Typ 9* Antibiogramm 1
++ E.coli** Antibiogramm 2
5. Liquortupfer kein Keimwachstum
* Typisierung mittels PCR
** Shigatoxin-Bestimmung mittels PCR
 
Ferkel 2:
Labor- Nr. Kulturell- Bakteriologische Untersuchung:
7. Liquortupfer kein Keimwachstum
8. Gehirntupfer ++ kulturell Staphylococcus aureus Antibiogramm wird auf Wunsch erstellt
 
Labor- Nr. Kulturell- Bakteriologische Untersuchung:
Sammelkot +++ E.coli** Antibiogramm 2
** Shigatoxin-Bestimmung mittels PCR 

 
PCR-Nachweis: Haemophilus parasuis
Poolprobe Liquor, Herz negativ
 
PCR-Nachweis: E.coli-Shigatoxin 
Sammelkot 10 negativ
 
PCR-Nachweis: E.coli-Shigatoxin 
E.coli-Isolat Gehirn 1 negativ
E.coli-Isolat Kotprobe negativ
 
 
Antibiotikum AB 1:
Streptococcus suis Typ 9
AB 2: E.coli
Amoxicillin/Clavulansäure S  <=4/2 S  =8/4
Amoxicillin S  <=0.25 R  >16
Apramycin S  <=16 S  <=16
Cefquinom S  <=2 S  <=2
Ceftiofur S  <=2 S  <=2
Colistin R  >4 S  <=2
Danofloxacin R  >0.25 S  <=0.25
Doxycyclin S  <=2 R  >4
Enrofloxacin S  <=0.25 S  <=0.25
Florfenicol S  <=2 I  =4
Gentamicin S  <=4 S  <=4
Lincomycin/Spectinomycin S  <=8/32 R  >8/32
Marbofloxacin S  <=1 S  <=1
Neomycin S  <=8 S  <=8
Oxytetracyclin S  <=0.5 R  >8
Penicillin G S  <=0.0625 R  >8
Spectinomycin S  <=32 R  >64
Trimethoprim/Sulfamethoxazol S  =2/38 R  >2/38
Trimethoprim/Sulfamethoxazol Harninfektion S  =2/38 R  >2/38
Trimethoprim/Sulfamethoxazol Systemische Infektion R  =2/38 R  >2/38
Tiamulin S  <=16 R  >16
Tilmicosin S  <=16 R  >16
Tylosin S  <=1 R  >1
Tulathromycin S  <=16 S  <=16
 
 

Weiteres Vorgehen und weiterer Verlauf
Da ein völlig neuer Serotyp, Streptococcus suis Kapseltyp 9 gefunden wurde, war die Zunahme der Erkrankungshäufigkeit erklärbar. Der Bestandsimpfstoff musste angepasst werden. Der schon vorhandene Bestandsimpfstoff wurde um den Serotyp 9 erweitert. Das Impfschema wurde beibehalten. Anfänglich schien die Impfung zu einer Verbesserung zu führen, doch die Wellen mit den Hirnhautentzündungen kamen mit unterschiedlicher Intensität. Der Einsatz von Amoxicillin war weiterhin hoch. In der Säugephase traten bisher keine Hirnhautentzündungen auf. So kam die Überlegung auf, ob eine verlängerte Säugezeit zur Verbesserung führen kann. Die Säugezeit wurde von 3 Wochen auf 4 Wochen verlängert. Das Absetzen schwerer Ferkel, hatte den Effekt, dass die Ferkel die Umstallung besser kompensierten. Auf die Streptokokkenproblematik hatte diese Maßnahme aber keinen Einfluss. Die Überprüfung des Hygienemanagments zeigte keine Schwachpunkte, die zur Verbreitung der Streptokokken führen konnte. Die Reinigung und Desinfektion der Abferkelung und des Flatdecks wurde kontrolliert. Sauen wurden in die Abferkelung eingewaschen. Da die Besiedlung der Ferkel mit Streptokokken schon in den ersten Lebenstagen erfolgen kann, sind Nabelhygiene, Zähneschleifen, Kastration und Impfungen kontrolliert worden. In der ersten Hälfte 2016 schien dann doch die Intensität langsam abzunehmen. Die Verluste lagen jetzt wieder bei 2 Prozent. Im Juli 2016 stieg die Erkrankungshäufigkeit wieder an und die Verluste lagen bei 5 Prozent. Erneut wurden Tiere untersucht.

Das 2. Untersuchungsergebnis
Diesmal wurde von mehreren an Hirnhautentzündung erkrankten Ferkeln Liquorproben durch Rückenmarkspunktion entnommen. Aus diesen Proben konnten erneut mehrere Kulturen von Streptokokken gewonnen werden und wieder waren es neue Stämme:

  • Streptococcus suis, Kapseltyp 2, epf, mrp, sly

  • Streptococcus suis Kapseltyp 1, mrp, sly.

Mittlerweile waren 5 verschiedene Stämme isoliert worden. Der Stamm von 2015, der bisher noch nicht einem Kapseltyp zugeordnet werden konnte, wurde mittlerweile durch neuere PCR`s dem Kapseltyp 5 zugeordnet. Somit lagen Mitte 2016 vor:

  • Streptococcus suis Kapseltyp 2, mrp, sly (2015)

  • Streptococcus suis Kapseltyp 5 mrp, sly (2015)

  • Streptococcus suis Kapseltyp 9 (Anfang 2016)

  • Streptococcus suis Kapseltyp 1, mrp, sly (Mitte 2016)

  • Streptococcus suis Kapseltyp 2, epf, mrp, sly (Mitte 2016).

Strategiewechsel
Der anfängliche Erfolg der Bestandsimpfung gegen die Streptokkokenmeningitis wollte sich nicht wiedereinstellen. Wellenweise hatten wir mit einer Häufung von Hirnhautentzündungen zu tun. Von anfänglich 2 Stämmen sind mittlerweile 5 Stämme nachgewiesen. Waren diese neuen Stämme schon immer in dem Bestand und sind erst aktiv geworden durch die Unterdrückung der zuerst nachgewiesenen Stämme? Wird ein wirksamer Impfschutz nicht bei allen Serotypen gleichermaßen erreicht? Behindert die maternale Immunität durch die Mutterschutzimpfung die Ferkelimpfung? Viele Fragen können heute nicht mit Gewissheit beantwortet werden. Von Erfahrungsberichten aus der Praxis wissen wir, dass der Erfolg einer Impfung nicht immer gleich ist. Am ehesten funktioniert sie beim Kapseltyp 2. Deshalb wählten wir eine neue Strategie. Ein neuer Bestandsimpfstoff wurde produziert. Dieser enthielt alle 5 Serotypen. Für eine bessere Immunstimulierung wurde die Menge des Adjuvans (Emulsigen) verdoppelt. Mit diesem Impfstoff wurde nur noch die Muttertierschutzimpfung durchgeführt. Die Ferkel wurden nicht mehr geimpft, erhielten weiterhin eine vierwöchige Säugezeit und bei Einstallung in das Flatdeck eine Metaphylaxe mit Amoxicillin über 2 Wochen. Anfänglich traten noch Fälle von Hirnhautentzündungen in späteren Altersabschnitten auf. Die Intensität wurde immer weniger. Heute wird die Metaphylaxe über die 2 Wochen noch durchgeführt. Hirnhautentzündungen treten nicht mehr auf und die Verluste liegen heute unter 1 Prozent. Wann auf die Amoxicillinmetaphylaxe verzichtet werden kann, ist noch nicht klar.

Diskussion
Von Streptococcus suis kennen wir mittlerweile 35 Serotypen (Kapseltypen). Die einzelnen Kapseltypen sind aber innerhalb ihres Typs auch nicht identisch. Sie unterscheiden sich durch verschiedene Virulenzgene (Buchstabenkombinationen hinter dem Kapseltyp). Dies macht die Produktion eines Impfstoffes gegen die Streptokokken so schwierig. Die Forschung steht hier am Anfang. Heute kann die Impfung nur über eine Bestandsvakzine probiert werden. Wie unser Fall zeigt, gibt es noch viele offene Fragen dazu und man sollte sich durch anfänglich ausbleibende Erfolge nicht gleich entmutigen lassen.
Streptokokken begegnen uns in vielfältiger Form und werden häufig nachgewiesen. Jedes Schwein ist Träger von Streptokokken. Sie siedeln in den Rachenmandeln.  Im Saugferkelalter können sich die Ferkel schon in der ersten Lebenswoche infizieren. Zootechnische Maßnahmen, wie Nabel kürzen, Zähne kürzen, Kastration, Impfungen können bei unsachgemäßer Durchführung ein großes Risiko darstellen. Häufig sind dann Gelenksentzündungen und kümmernde Ferkel im Vordergrund. Bei Ferkel im Absetzalter und Flatdeckalter tritt dann zusätzlich die Hirnhautentzündung mit häufig tödlichem Ausgang auf. Ältere Schweine haben seltener Hirnhautentzündungen, doch sind Streptokokken auch bei dieser Altersklasse zu finden, wie z.B. bei Wundinfektionen, Blutvergiftungen, Gelenksentzündungen, Herzklappenentzündungen, Lungenentzündungen, multiple Abszesse   und auch bei dem MMA-Komplex der Sau.
Zur Bekämpfungsstrategie gehören eine Reihe von Maßnahmen, um eine Infektion zu verhindern und den Erregerdruck zu senken:

  • Konsequente Reinigung und Desinfektion des Abferkelbereiches

  • Einwaschen der Sauen

  • Geburtsüberwachung und Nabeldesinfektion

  • Zähne schleifen, Schwänze mit Kauter kürzen

  • Impfungen mit sauberen Nadeln, nach jedem Wurf wechseln

  • Wenn Kastration, mit desinfizierter Klinge arbeiten und anschließende Wundbehandlung

  • MMA konsequent bekämpfen, Milchmangel für Ferkel vermeiden.

Früher ging man davon aus, dass Streptokokken immer über eine Wunde in das Tier eindringen müssen um eine Erkrankung hervorzurufen. Heutzutage ist bewieden, dass Streptokokken auch über die Rachenmandeln oder über den Darm in das Ferkel eindringen können. Dies wird begünstigt durch Schleimhautverletzungen / Zottenatrophien im Rahmen von Durchfallerkrankungen. Erkrankungen die zu Immunsupressionen führen (PRRS, Circovirose …) begünstigen sekundäre Streptokokkeninfektionen. Neuste Theorien gehen davon aus, dass beim Nachweis verschiedenster Serotypen aus klinisch erkrankten Ferkeln im gleichen Bestand eine anderer Faktor das eigentliche Problem darstellt und die Streptokokken als Nutznießer beim geschwächten Tier eine Erkrankung verursachen können. Hier kommen natürlich viele verschiedene Faktoren in Frage. Wir versuchen momentan in einigen Beständen, durch eine Stabilisierung des Magen-Darm-Traktes, eine Verringerung der Krankheitsintensität zu erzielen. Ergebnisse hierzu können wir erst zu einem späteren Zeitpunkt präsentieren.
Führen alle Vorsichtsmaßnahmen und Impfungen nicht zu einer Beruhigung des Geschehens bleibt nur die Antibiose. Diese ist vom Tierarzt nach gründlicher Untersuchung und Erstellung eines Resistogramms zu verordnen.
Wichtig zu wissen ist, es handelt sich hier um eine Zoonose. Menschen können sich infizieren und es gab auch schon Todesfälle. Deshalb ist auch die persönliche Hygiene wichtig. Tragen sie bei Kontakt zu betroffenen Tieren immer Handschuhe.

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