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Aktueller Fall Juni/Juli 2014

Erhöhte Verluste in der Endmast
Tierarzt Jens Jungbloot, Praxis für tierärztliche Bestandsbetreuung und Qualitätssicherung im Erzeugerbetrieb Schwein Dr. Reinhold Heggemann, 25782 Tellingstedt

Der Bestand
Der heute vorgestellte Betrieb ist ein Mastbetrieb mit 1500 Mastplätzen und wird abteilweise nach dem Rein-Raus-Prinzip bewirtschaftet. Die Läufer mit dänischer Genetik kommen aus nur einem Lieferbetrieb und werden in zwei Partien mit einem Abstand von 14 Tagen aufgestallt. Der Ferkelerzeuger ist frei von Enzootischer Pneumonie und PRRS. Die Läufer erhalten als Saugferkel in der Abferkelung eine Impfung gegen Circovirus und in der 1. Flatdeckwoche eine Schluckimpfung gegen PIA (Lawsonia intracellularis).
 
Der Fall
Trotz der PIA-Impfung war in der Vergangenheit immer wieder  während der gesamten Mastperiode bei einzelnen Tieren breiiger Kot feststellbar. Durch Kotuntersuchungen konnte nachgewiesen werden, dass die Erkrankung auf Brachyspira murdochii zurückzuführen war (Siehe dazu auch Aktueller Fall Juli 2012). Der Landwirt konnte das klinische Geschehen bisher gut durch Einzeltierbehandlung mit Tiamulin  beherrschen. Die Mastergebnisse waren dadurch überdurchschnittlich. Allerdings stiegen seit einem halben Jahr die Verluste, vor allem in der Endmast, an. Mittlerweile lagen die Verluste bei 4,6 Prozent.
 
Die Untersuchung
Bei dem Erstbesuch präsentierte sich der Bestand augenscheinlich in Ordnung. Deshalb wurde der Bestand in der Folge häufiger angefahren. Bei einigen Stalldurchgängen war dann vereinzelt Durchfall zu sehen. Dieser Durchfall hatte eine gallertartige Konsistenz und war von braun-schwarzer Farbe. Die betroffenen Tiere verendeten innerhalb von 48 Stunden.  Allerdings zeigten auch viele verendeten Tiere vorher keine Klinik, verendeten also perakut. Von diesen wurden 2 Schweine zur Diagnostik in die Pathologie gebracht. Der Prüfbericht war bei beiden Tieren gleich:
Pathologischer Befund:
Äußere Besichtigung: Ernährungs- und Pflegezustand gut, Tierkörper leicht anämisch; innere Besichtigung: Dünn- und Dickdarm hochgradige haemorrhagische Enteritis/Colitis
Histologischer Befund:
Lymphozytäre und eitrige Enterocolitis mit hochgradigen Kyrptabszessen und Nachweis von intracellulären  Lawsonien
Bakteriologischer Befund:
Lunge und Organe kein nennenswerter Befund, Darm agglutinierende E. coli und Clostridium perfringens
Virologischer und parasitologischer Befund:
Kein Nachweis
Molekularbiologischer Befund:
Nachweis von Lawsonia intracellularis mittels Multiplex-PCR

Bei beiden Tieren lag damit eine blutige Darmentzündung von Dick- und Dünndarm vor. Die Zellen der Darmschleimhaut waren von den Lawsonien (Erreger der PIA) befallen. Die Lawsonien sind als ursächlich anzusehen. Die nachgewiesenen E. coli und Clostridien sind lediglich sekundär an der Darmentzündung beteiligt. Durch die massive Einblutung in den Darm kam es in der Folge zu einer Anämie (Blutarmut) und die Tiere sind mit hoher Wahrscheinlichkeit an einem akuten Herz-Kreislaufversagen verendet.
   
 Schweine mit verschiedenen Verlaufsformen der Circovirus-Infektion

Weiteres Vorgehen
Es galt abzuklären, warum die Tiere an einer Hämorrhagischen Enteritis (HE), hervorgerufen durch Lawsonien, erkrankten und verendeten, obwohl die Tiere im Flatdeck geimpft wurden. Die Durchführung der Impfung wurde überprüft und es wurden dabei keine Fehler festgestellt. Da es sich bei dem Impfstoff gegen
Blutiger Durchfall nach Infektion mit Lawsonia intracellularis

PIA um einen Lebendimpfstoff handelt, gilt es aber auch besonders zu beachten, dass eine Woche vor und eine Woche nach der Impfung keinerlei Antibiotikagaben erfolgen sollten, da diese den Impfstoff inaktivieren können und somit den Impferfolg gefährden. Wie sich bei näherer Befragung herausstellte,  war dies hier nicht der Fall. Wie sich bei der weiterführenden Diagnostik herausstellte, fand die Infektion mit Lawsonien erst am Ende der Flatdeckphase statt, sodass die Impfung gefahrlos auch zu einem späteren Zeitpunkt als bisher erfolgen konnte. Sie wurde vom Anfang der Ferkelaufzucht in die Mitte der Aufzucht verlegt. Ziel war es, dadurch eine längere und stabilere Immunität zu erreichen. Trotz dieser Maßnahme konnte allerdings in der Folge bei dem Mäster keine wesentliche Besserung erreicht werden.

Im nächsten Schritt wurden Verlaufsblutproben bei dem Mäster gezogen, jeweils 10 Blutproben Anfang, Mitte und Ende Mast. Diese wurden auf PRRS mittels IDEXX-ELISA und Circovirose mittels Capture-ELISA untersucht. Alle Blutproben waren negativ gegenüber PRRS. Auch bei einer anschließenden Multiplex-PCR konnte kein PRRS-Virus nachgewiesen werden.

Allerdings ergab die Untersuchung auf Circovirus ein erstaunliches Ergebnis. Bei dem Test mittels Capture-Elisa werden zwei verschiedene Immunglobuline (IgM und IgG) nachgewiesen, die es erlauben eine Einschätzung zu treffen, wann die Infektion stattgefunden hat. In diesem Fall hatten mehrere Tiere Mitte Mast eine frische, aktive Infektion und zum Ende der Mast eine ältere Infektion. Da die Impfung gegen Circovirus mindestens eine Immunität von 17 Wochen bilden soll, war dieses Ergebnis so in der Form nicht zu erwarten.

Erneute Rücksprache mit dem Ferkelerzeuger erfolgte und es stellte sich heraus, dass er die Ferkel direkt beim Absetzen gegen Circovirus impfte. Absetzstress konnte eine mögliche Erklärung für eine unzureichende Immunität sein, zumal auch dann in der ersten Woche nach dem Absetzen die PIA-Impfung erfolgte. Mit der Vorverlegung der Circo-Impfung zum 14. Lebenstag der Ferkel  war die Immunität wesentlich besser und die Verluste beim Mäster sanken deutlich.
 
Diskussion
Viele Landwirte können sich sicher noch an die Auswirkungen von Circo-Infektionen erinnern. Die Krankheitsbilder PMWS der Aufzuchtferkel (Kümmern und Anämien) sowie der PDNS der Masttiere (Hautveränderungen und Nierenentzündungen) sind vielfach beschrieben worden und waren für Verlustraten zwischen 5 und 10 Prozent in den Ferkelaufzuchten und Mastbetrieben verantwortlich.

Aber auch Fruchtbarkeitsstörungen in Sauenherden gingen auf das Konto dieses Virus. Durch die heute fast flächendeckende Impfung gegen Circo-Virus hat das Virus seinen  Schrecken weitestgehend verloren. Allerdings sollte der Zeitpunkt der Impfung mindestens (!) 2 Wochen vor der zu erwarteten Infektion liegen und nicht mit weiteren Stressfaktoren verknüpft sein. Eine unzureichende Immunität gegen das Circo-Virus kann auch Impferfolge gegen andere Erreger empfindlich beeinträchtigen. Als optimaler Impfzeitpunkt gegen Circovirus hat sich die Impfung Ende der zweiten Lebenswoche erwiesen.

Dagegen sind Erkrankungen, hervorgerufen von Lawsonia intracellularis, auch heute noch häufig zu sehen. Besonders zwei Krankheitsbilder spielen dabei eine Rolle: die „Porcine Intestinale Adenomatose“ (PIA) und die „Haemorrhagische Enteritis“ (HE).

Bei der PIA kommt es „lediglich“ zur Verdickung der Darmschleimhaut und somit zu Resorptionsstörungen von Nährstoffen. Diese Tiere zeigen Wachstumsdepressionen, in deren Folge Tiergruppen auseinanderwachsen. Neben dieser chronischen Krankheitsform, die besonders junge Mastschweine betrifft, kommt auch die akute Form der älteren Schweine in Form der HE vor.

Bei dieser kommt es zu starken Einblutungen in den Darm hinein, so dass sich im Darm große Mengen teilweise geronnenen Blutes finden. Dieses rötlich bis teerfarbene Blut wird auch häufig ausgeschieden und ist dann in den Buchten zu sehen. Der Tod tritt häufig aufgrund des starken Blutverlustes durch Herz-Kreislaufversagen innerhalb von 24-48 Stunden ein. Bei ernsthaften Verläufen sind Verluste über 5 Prozent möglich. Durch antibiotische Behandlungen mit Tylosin kann die  Klinik zwar verhindert, aber keine Erregerfreiheit erreicht werden. Bewährt hat sich die Impfung der Ferkel. Ihr sollte bei der Bekämpfung, auch im Zusammenhang mit dem Ziel, den Antibiotikaeinsatz zu minimieren, der Vorzug gegeben werden.

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