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Aktueller Fall Januar / Februar 2015

Blasse Mastschweine
Jens Jungbloot und Dr. Reinhold Heggemann, Praxis für tierärztliche Bestandsbetreuung und Qualitätssicherung im Erzeugerbetrieb Schwein Dr. Reinhold Heggemann, 25782 Tellingstedt

Der Bestand
Es wird ein Mastbestand mit mehreren Ställen auf  unterschiedlichen Standorten vorgestellt. Jeder Standort wird komplett im Rein-Raus-Verfahren bewirtschaftet. Der Mäster bezog die Mastferkel jahrelang vom gleichen Erzeuger. Im Verlauf der letzten zwölf Monate bekam der Bestand Probleme mit Salmonellen; eine Beprobung bei Ankunft der Ferkel ergab, dass die gelieferten Läufer bereits bei Einstallung serologisch hoch positiv waren. Daraufhin wechselte der Mäster den Ferkelerzeuger. Die Tiere aus der neuen Herkunft wurden in vollständig gereinigte und desinfizierte Ställe eingestallt, die zudem 14 Tage leer standen. Die Fütterung erfolgt mit pelletiertem Futter über Trockenfutterautomaten.
 
Der Fall
Die Tiere wurden bei Ankunft intensiv beobachtet und machten einen sehr guten Allgemeineindruck.  Es waren keine klinischen Auffälligkeiten feststellbar. Serologische Kontrollen (Blutproben) auf Salmonellen wurden bei Ankunft bei 20 Tieren durchgeführt. Bis auf ein Tier mit einem ELISA/OD%-Wert von 27 lagen alle anderen Tiere unter 10 und waren somit als Salmonellen negativ einzustufen.

Die Tiere entwickelten sich in den ersten vier Mastwochen gut. Danach traten einzelne blasse Tiere auf. Einzeltiere davon verendeten. Bei einem Stalldurchgang war klinisch wenig feststellbar. Der Kot der Tiere war in aller Regel von fester Konsistenz; lediglich in zwei Buchten war breiiger, bräunlicher Kot nachweisbar. Erhöhte Körpertemperaturen waren zu keinem Zeitpunkt feststellbar.
 
Diagnostik und weiterer Verlauf

Von dem breiigen Kot wurden Proben zur Diagnostik eingesandt. In einer Probe wurde Lawsonia intracellularis (PIA) und in beiden Proben Campylobacter coli nachgewiesen. Das Ergebnis auf Salmonellen war negativ und auch andere pathogene Darmerreger waren nicht nachweisbar. Auf Grund dieses Befundes wurden die betroffenen Abteile mit einem Makrolidantibiotikum (Tylosintartrat) oral für die Dauer von einer Woche behandelt. Es trat eine sofortige Besserung ein und die Verluste gingen zurück.

Zwei Monate später meldete sich der Landwirt erneut und berichtete, dass wieder blasse Tiere und auch Verluste auftreten würden. Zwei verendete Tiere gelangten daraufhin zur Sektion. Beide Schweine wiesen chronische Magengeschwüre mit massiven Einblutungen in den Magen auf. Ansonsten gab es keine weiteren Auffälligkeiten. Der Landwirt hatte im Stall keine erbrechenden Tiere beobachten können und auch keinen blutigen Kot.

Um Magengeschwüren vorzubeugen, kann am schnellsten über eine Änderung der Fütterung bzw. des Futters reagiert werden.  In diesem Falle wurde gröber gemahlenes Schrot und mehr Rohfaser eingesetzt, was zum vollständigen Verschwinden der klinischen Symptome geführt hat. 
 
Diskussion

Magengeschwüre (Ulcera) sind in der modernen Schweinehaltung keine Seltenheit. Sie nahmen mit der Einführung der intensiven Schweinehaltung und industriell produzierter Futtermittel weltweit zu.  Bezieht man geringere Schleimhautschäden und Vorstufen von Ulcera mit ein, so zeigen Schlachthofuntersuchungen, dass die Befallsrate bis zu 90% beträgt, wobei es zwischen einzelnen Betrieben große Unterschiede geben kann. Grundsätzlich können Schweine jeden Alters (auch Sauen) betroffen sein, wobei die größte Häufung bei Mastschweinen im Alter von 3-6 Monaten auftritt. Die Verlustrate durch Magengeschwüre kann in der Mast 1-2 % betragen, im Einzelfall als sporadisches Ereignis aber auch deutlich höher liegen. Verendete Tiere haben in aller Regel einen guten Ernährungszustand und eine blasse Haut- und Fleischfarbe.

Magengeschwüre können sich sehr rasant innerhalb von nur 24 Stunden entwickeln, wobei dann die Ausprägung der klinischen Symptome sehr unterschiedlich sein kann und von der Menge des Blutverlustes abhängig ist. Im Einzelfall kann es auch zu Verlegungen der Speiseröhre kommen. Solche Tiere würgen unmittelbar nach oder sogar schon während der Fütterung das aufgenommene Futter wieder aus, um dann unmittelbar wieder fressen zu wollen.

Dabei ist die exakte Ursache von Magengeschwüren noch nicht vollständig geklärt, sehr wohl sind aber verschiedene Risikofaktoren bekannt. Beeinflussende Faktoren sind die Konsistenz des Mageninhalts, die Passagegeschwindigkeit des Nahrungsbreies und auch sog. Leerzeiten, in denen kein Nahrungsbrei im Magen vorhanden ist. Weitere Faktoren ergeben sich aus der Partikelgröße der Futterkomponenten, pelletiertes oder mehlförmiges Futter, sowie auch der Getreideherkunft. Hafer und Gerste scheinen der Ausprägung von Magengeschwüren entgegenzuwirken, Mais und Weizen hingegen zu fördern. Sogar die Art der Getreidevermahlung (Hammer- oder  Walzenmühle) soll einen Einfluss besitzen.

Generell besitzt Futter mit einer geringen Partikelgröße die Eigenschaft, sehr flüssig zu sein und somit sehr schnell durch den Magen passiert; mit dem Ergebnis, dass der pH Gradient zwischen der oberen, neutralen Zone des Magens und der unteren, säurehaltigen Zone aufgehoben wird. Als Richtwert gilt heute, dass mindestens 25 % des Futters eine Partikelgröße von > 1 mm aufweisen sollen. Mit einer im Stall durchführbaren Siebfraktionierung ist dies schnell und kostenfrei zu überprüfen.

Der gleiche Effekt tritt ein, wenn Tiere hungern oder nur sehr wenig Futter aufnehmen. Dies geschieht häufig bei Hitzestress und regelmäßig bei infektiösen Erkrankungen, die mit hohem Fieber einhergehen. So wurde eindeutig der Zusammenhang zwischen dem Auftreten von Ulcera und Atemwegserkrankungen nachgewiesen.

Häufig stellt sich auch die Frage, ob eine genetische Disposition für Magengeschwüre besteht. Eine ältere Studie aus 1972 kommt zu dem Ergebnis, dass dies der Fall sein soll bei Linien, die auf hohe Tageszunahmen und geringe Rückenspeckdicke gezüchtet sind.

Erwähnt sei an dieser Stelle auch, dass bisher kein Zusammenhang zwischen allgemeinen Stressoren, wie z.B. Überbelegung und Magengeschwüren gefunden wurde.

Noch nicht endgültig geklärt ist die Frage, ob beim Schwein auch spezifische Erreger, wie z.B. Helicobacter pylori beim Menschen, für das Entstehen von Magengeschwüren verantwortlich gemacht werden können. Zwar können auch beim Schwein Helicobacter ähnliche Erreger isoliert werden, deren Rolle aber noch nicht abschließend beantwortet werden kann. Erfahrungen aus der Praxis zeigen allerdings, dass eine antibiotische Behandlung gegen den Erreger in der Schweinemast keinen dauerhaften Erfolg bringt.

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