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Aktueller Fall Februar 2014

Lahmheiten bei zugekauften Jungsauen
Tierarzt Jens Jungbloot und Dr. Reinhold Heggemann, Praxis für tierärztliche Bestandsbetreuung
und Qualitätssicherung im Erzeugerbetrieb Schwein Dr. Reinhold Heggemann, 25782 Tellingstedt

Der Betrieb
Heute stellen wir Ihnen einen Sauenbetrieb mit 600 Sauen vor, der Jungsauen für die erforderliche Remontierung der Herde zukauft. Die Tiere stammen aus einem Betrieb mit hohem Gesundheitsstatus (nach SPF-System Dänemark). Nach Ankunft werden die Jungsauen zunächst in einem separaten Stall auf Tiefstreu aufgestallt, in dem in der Vergangenheit auch Schlachtsauen gehalten wurden. Da die Tiere als Ferkel nur eine Impfung gegen Circovirus erhielten, erfolgen die nötigen Bestandsimpfungen und die Entwurmung in diesem „Vorbereitungsstall“. Die endgültige Eingliederung in den eigentlichen Bestand findet dann erst zur Abferkelung statt.


Der Fall
Neu gelieferte Jungsauen zeigten ca. 1 Woche nach Ankunft steifen, staksenden Gang. Mehrere Jungsauen hatten erhebliche Schmerzen. Vor allem waren die Hintergliedmaßen, aber auch Vordergliedmaßen der Schweine betroffen. Das Allgemeinbefinden der Tiere war darüber hinaus nicht gestört, lediglich bei einigen Tieren ging die Futteraufnahme zeitweise zurück; Fieber konnte der Landwirt zu keinem Zeitpunkt feststellen.


Die Untersuchung
Bei der folgenden Untersuchung im Stall konnten die beschriebenen Symptome bestätigt werden. Einige Tiere zeigten hochgradige Stützbeinlahmheiten insbesondere der Hinterhand, aber teilweise auch in der Vorderhand. Die Vorderläufe hatten dann häufig eine sehr steile Stellung. In der Bewegung fand eine nur unzureichende Beugung in den Gelenken statt (sog. Paradeschritt), so dass der gesamte Hinterkörper in die Vorwärtsbewegung einbezogen wurde.

Auf den Vorderseiten der Gelenke (insbesondere an den Sprunggelenken) waren flüssigkeitsgefüllte Umfangsvermehrungen, bzw. Aussackungen zu sehen. Die Muskulatur war ohne besonderen Befund.
Früher durchgeführte Behandlungsversuche mit Tulathromycin brachten vereinzelt und oft auch nur kurzzeitig eine Besserung. Die Rückfälle traten nach Umstallung oder Abferkelung vermeintlich geheilter Jungsauen auf.
Für die weitere Diagnosestellung wurden 5 Altfälle serologisch auf Glässersche Krankheit (Hämophilus parasuis) untersucht. Das Ergebnis war negativ. Des Weiteren wurden zwei neu erkrankte Jungsauen in eine Klinik gebracht. Nach der klinischen Untersuchung wurden die Tiere dort euthanasiert und anantomisch-pathologisch untersucht. Folgender Befund wurde erhoben:

Tier 1:
Jungsau 161 kg, bei der Sektion feststellbar eine leichte Entzündung eines Klauenschuhes, geringgradige Gelenkentzündungen der Ellenbogen- und  Sprunggelenke mit vermehrter Gelenkflüssigkeitsansammlung, mittelgradige Knorpelschäden an den Gelenkflächen der Sprunggelenke, beginnende Brustfellentzündung, leichte unterbelüftete Abschnitte in der Lunge, Vermehrung der Bauchflüssigkeit, Leberentzündung durch Wurmbefall, in der bakteriologischen Untersuchung wurden keine pathogene Erreger nachgewiesen, die Untersuchung der Gelenkflüssigkeit mittels PCR auf Mycoplasmen verlief negativ.

Tier 2:
Jungsau 140 kg, hochgradige Entzündung der Kniegelenke und eine mittelgradige Entzündung der Ellenbogen-, Sprung- und Hüftgelenke mit Gelenksflüssigkeitsvermehrung, hochgradige Knorpelläsionen an beiden Sprunggelenken, verdickte zerklüftete Gelenkkapseln, bei der bakteriologischen Untersuchung waren keine pathogenen Erreger nachweisbar, in der PCR gelang der Nachweis von Mycoplasma hyorhinis.













Eröffnete Gelenke mit massiven Knorpelschäden                        Fotos:   TiHo Hannover       


Die Diagnose

Die in Frage kommende Glässersche Krankheit wurde durch die Blutprobenuntersuchung der 5 „Alttiere“ ausgeschlossen. Durch  die bakteriologische Untersuchung der Gelenke konnten auch Rotlauf und Streptokokken als ursächliche Erreger ausgeschlossen werden. Da bei einem Tier Mycoplasma hyorhinis in einem Gelenk nachgewiesen wurde, lautete die Diagnose Mykoplasmen bedingte Gelenkentzündung.


Weiteres Vorgehen
Bei durch Mykoplasmen induzierten Gelenkentzündungen ist eine frühzeitige antibiotische Behandlung mit Mykoplasmen wirksamen Antibiotika am effektivsten. Gute Erfolge sind nur dann zu erwarten, wenn eine Behandlung vor dem Auftreten der ersten klinischen Symptome beginnt. In unserem Fall war das auslösende Moment für die Erkrankung der Transport der Jungsauen. Daher wurden bei zukünftigen Lieferungen die Jungsauen vor dem Transport mit Tulathromycin behandelt. Diese Behandlung wurde nach Ankunft der Jungsauen nach einer Woche wiederholt.
Parallel dazu wurden die Bedingungen im Jungsaueneingliederungsstall verbessert. Besonders zu niedrige Temperaturen und Zugluft sind entscheidende Stressfaktoren, die es zu vermeiden gilt. Um Rangkämpfe und Unruhe bei Einsetzten der Transportrausche zu minimieren, wurde die Gruppengröße auf 5 Jungsauen reduziert. Umstallungen und Neugruppierung der Tiere wurde auf das notwendige Mindestmaß reduziert.
Durch diese Maßnahmen traten in der Folgezeit bei den neu zugekauften Jungsauen keine Lahmheiten mehr auf. Von den „Altfällen“ wurden nicht mehr alle geheilt, so dass einige Sauen bereits vor dem ersten Wurf oder nach dem ersten oder zweiten Wurf der Schlachtung zugeführt werden mussten.


Diskussion
Akut auftretende multiple Gelenkentzündungen können verschiedene Ursachen haben. Bekannt sind in diesem Zusammenhang Infektionen  mit Streptokokken, Rotlauf, Glässersche Krankheit und verschiedene Mykoplasmen. Für Mykoplasmen bedingte Gelenkentzündungen spielen im Wesentlichen zwei Arten eine Rolle: Mycoplasma hyosynoviae und Mycoplasma hyorhinis. Die Infektion erfolgt über die Atemwege und verläuft zunächst häufig symptomlos. Bei Stresssituationen wie z.B. Transport, ungewohnte Gruppenhaltung mit Rangkämpfen und viel Bewegung werden dann nach einer septikämischen Phase die Gelenke besiedelt.
Beide oben genannten Arten haben keine Kreuzimmunität zu Mycoplasma hyopneumoniae, dem bekannten Verursacher von Lungenerkrankungen, gegen den auch mehr oder weniger flächendeckend geimpft wird. Deshalb entwickelt die Impfung gegen die Ferkelgrippe (enzootische Pneumonie) keinen Schutz gegen M. hyosynoviae oder M. hyorhinis.

Während Mycoplasma hyosynoviae verantwortlich ist bei Jungschweinen Gelenkentzündungen mit Gelenkhautschwellungen und Vermehrung der Gelenkflüssigkeit zu verursachen, kann Mycoplasma hyorhinis nicht nur bei Jungtieren, sondern bereits bei Läufern zu generalisierten Erkrankungen führen.
Ähnlich wie bei der Glässerschen Krankheit ist Mycoplasma hyorhinis in der Lage, mehrfache Entzündungen der serösen Häute hervorzurufen. Unter serösen Häuten versteht man Membranen, die Körperhöhlen auskleiden oder Organe umschließen wie z.B.  Brustfell, Herzbeutel, Lungenfell, Bauchfell und eben auch die Gelenkauskleidung. In den USA ist diese Verlaufsform mit schweren Erkrankungsfällen aufgetreten. In Europa dagegen stehen die Gelenkentzündungen im Vordergrund. Hierbei sind in erster Linie deutliche Veränderungen an den Gelenkkapseln und Gelenkknorpelschäden nachweisbar. Die Gelenkflüssigkeit ist vermehrt und häufig mit Blut und Fibrin (vernetzte Eiweißfäden) durchsetzt.

Mycoplasmen bedingte Gelenkentzündungen müssen möglichst schnell innerhalb der ersten 24 Stunden behandelt werden. Dazu stehen mehrere wirksame Antibiotika zur Verfügung: z.B. Lincomycin, Tiamulin, Doxycyclin und Tulathromycin. Der Wirkstoffspiegel muss über einen Zeitraum von 14 Tagen aufrecht erhalten werden. Neben der Behandlung sind auslösende Faktoren wie langer Transport, Kälte, Zugluft, feuchte, kalte Böden und Rangkämpfe zu vermeiden.

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