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Aktueller Fall Februar / März 2017


Influenza, nicht nur ein Problem in den Geflügelbeständen
Jens Jungbloot, Vet-Team-Schleswig-Holstein, 25782 Tellingstedt

Seit einiger Zeit werden die Nachrichten aus der Landwirtschaft von Meldungen über das Auftreten der Vogelgrippe dominiert. Synonym dazu ist der Begriff Geflügelpest. Dieser geht auf  den seuchenhaften Verlauf der Vogelgrippe zurück. Im Lateinischen heißt Seuche pestis. Allerdings kann die Bezeichnung Geflügelpest irreführend sein, da der Name Pest für seuchenhafte Erkrankungen unter den Menschen  durch Yersinia pestis, ein Bakterium, steht. Pestseuchenzüge über ganze Kontinente kennen wir heute nicht mehr, aber lokal tritt sie immer wieder auf. Bei dem Geschehen in den Geflügelbeständen handelt es sich jedoch um Infektionen mit Influenza-A-Viren. Der Begriff Vogelgrippe ist also besser.
Grippewellen durch Influenza-A-Viren besonders in der nasskalten Jahreszeit treten auch unter den Menschen regelmäßig auf. Durch bakterielle Sekundärinfektionen können Komplikationen zum Tod führen, besonders bei geschwächten Menschen. Ähnlich verlief die Influenza bisher in unseren Schweineställen. Sie durchzog wellenartig die Bestände und es herrschte die Meinung vor, sie kommt 7 Tage und geht 7 Tage, danach ist die Welt wieder in Ordnung. In dieser Zeit zeigten die Tiere starke Atmung mit teilweiser Atemnot, Fressunlust und Körpertemperaturen über 41°C. Je nach Komplikation mit sekundären Erregern konnte die Verlustrate auf 3% steigen. Der klassische Erreger für die Schweineinfluenza war der Subtyp H1N1, der seinen Ursprung bei Vögeln hatte. Ende des letzten Jahrtausend waren zwei weitere Subtypen zuerst in Nordamerika und dann auch in Europa in Schweinebeständen nachweisbar: H3N2 und H1N2.
In den letzten Jahren wandelte sich aber in den Schweinebeständen das klinische Bild der Influenza. Neben klassischen Verläufen werden immer mehr chronische Verlaufsformen mit dauerhaften Problemen beobachtet. Von einem chronischen Verlaufsgeschehen handelt dieser Fall.
 
Der Bestand
Bei dem betroffenen Betrieb handelt es sich um einen Kombibetrieb, mit einer Ferkelproduktion und einer Mast für Restferkel auf einem Standort, allerdings in verschiedenen Ställen. Eine personelle Trennung zwischen den einzelnen Ställen gab es nicht und auch keine separaten Hygieneschleusen. Die Bestandssauen wurden produktionsbezogen gegen PRRS (lebend US), Parvovirose/Rotlauf und Influenza (3fach) geimpft. Die Ferkel erhielten am 14. Lebenstag eine Kombiimpfung gegen Circovirose und Mycoplasmen (EP). Der Betrieb war lange eine stabile Produktion ohne ernsthafte Probleme gewohnt. Zeitweiliges Hustengeschehen in der Mast war auf die baulichen Gestaltung und die Klimaregulation des Maststalles zurückzuführen. Diese Hustenwellen hielten nie lange an und störten den Landwirt auch nicht.
 
Das Geschehen
In dem Maststall hielt sich der Husten auf einmal permanent. Dabei waren längst nicht alle Tiere betroffen, sondern der Husten sprang sporadisch hin und her und ähnelte eher einem Hüsteln. Die Tiere zeigten dabei kaum Beeinträchtigungen. Etwa einen Monat später traten im Wartebereich der Sauen 3 Aborte auf, abgesetzte Sauen kamen nicht in Rausche und in der Gruppe, die zum Scannen anstand, waren 20% Leersauen festgestellt worden. Da Fruchtbarkeitsprobleme in dem Betrieb bisher kaum ein Thema waren, war der Landwirt sensibilisiert. Bei einem gemeinsamen Stalldurchgang mit dem Tierarzt fiel auf, dass die Ferkel in der 2. – 3. Säugewoche ebenfalls Husten zeigten, der ähnlich wie in der Mast sporadisch hin und her sprang. Die Entwicklung der Ferkel war völlig normal. Nach dem Absetzen und Verbringen der Ferkel in das separat gelegene Flatdeck war der Husten nach der Anfangszeit verschwunden.
 
Die Diagnostik
Da in dem Betrieb respiratorische Probleme und Fruchtbarkeitsprobleme zeitgleich auftraten, lag der Schluss nahe, ein Atemwegserreger könnte Ursache sein. Allerdings konnte dies auch Zufall gewesen sein und wir hatten zwei unterschiedliche Ereignisse. Darum wurden in der Diagnostik beide Möglichkeiten berücksichtigt. So sollte neben Influenza auch Circovirose, PRRS, Leptospirose und APP abgeklärt werden. Grundsätzlich muss auch an Parvovirose gedacht werden. Auf eine Diagnostik wurde hier verzichtet, da die Sauen geimpft waren und somit serologisch reagieren würden. Für Virusnachweis bräuchte man Abortmaterial, welches schon entsorgt war.
Von den Abortsauen und von den Umrauschern wurden Blutproben entnommen, die mittels PCR (Erregernachweis) auf Circovirus und PRRS sowie serologisch (Antikörpernachweis) auf Leptospirose und Influenza untersucht wurden. Von hustenden Saugferkeln wurden Nasentupfer zur Influenza-A-Diagnostik geschickt. Des Weiteren wurden Ferkel Ende Flatdeck beprobt. Hier wurden Tonsillenkratzproben, die mittels PCR auf APP untersucht wurden und Blutproben, die mittels PCR auf Circovirus und PRRS untersucht wurden, entnommen. Die Mastschweine wurden serologisch auf Influenza untersucht.
 
Das Ergebnis und weiteres Vorgehen
Die Laborergebnisse waren eindeutig. Es gab keine Nachweise für Leptospirose, PRRS, Circovirus und APP. In allen Untersuchungen auf Influenza, Virusnachweis bei den Saugferkeln und Antikörpernachweis bei den Sauen und Mastschweinen, war das Ergebnis positiv auf den pandemischen Subtyp H1N1. Von diesem Subtyp wissen wir, dass er schwache respiratorische Klinik verursacht und für vielfältige Fruchtbarkeitsprobleme, wie Aborte, Umrauscher, Nichtrauschen und lebensschwache Würfe verantwortlich ist. Dieser Erreger grassiert lange in den Beständen, so dass eine Impfung der Sauen dagegen anzuraten ist. Die auf dem Markt vorhandenen Influenza-Impfstoffe für Schweine beinhalten zwar einen Subtyp H1N1, welcher sich von dem pandemischen Stamm aber unterscheidet. Das heißt H1N1 ist nicht gleich H1N1. Nur die Oberflächenstruktur ist gleich, es können aber unterschiedliche Erreger sein und Kreuzimmunitäten zwischen ihnen gibt es nicht. Ein Impfstoff, der den pandemischen H1N1 abdeckt, ist in der Prüfungsphase. Den Einsatz kann die Veterinärbehörde genehmigen. In unserem Fall haben wir den Antrag gestellt und durch die Impfung der Sauen bis jetzt keine Fruchtbarkeitsprobleme mehr im Bestand.
 
Diskussion
Der hier beschriebene Erreger hat eine gewisse Berühmtheit erlangt. Im Winter 2009/10 war er als die Mexico-Grippe in aller Munde. Oft wurde auch der Begriff Schweinegrippe benutzt. Das Schwein besitzt für Influenzaviren vom Geflügel sowie vom Menschen Rezeptoren. Somit können im Schwein durch Erbaustausch unterschiedlicher Influenza-A-Viren neue Subtypen entstehen. Menschen können sich an Schweineinfluenza infizieren. Infektionen, die vom Tier auf den Menschen übertragen werden können, nennt man Zoonose. Die Mexico-Grippe ist so ein Subtyp. Begünstigt wurde die rasche Ausbreitung durch den Reiseverkehr und den internationalen Tierhandel. Damit breitete sich die Mexico-Grippe rasch über Ländergrenzen hinweg aus und übertrug sich von Mensch zu Mensch. Dies nennt man Pandemie. Der neue Subtyp H1N1 hatte also enorme pandemische Eigenschaften und wird noch heute als pandemische H1N1 bezeichnet. Glücklicherweise waren die Folgen längst nicht so schlimm, wie zuerst befürchtet und spielt unter den Menschen heute keine große Rolle mehr. Allerdings in unseren Schweinebeständen findet man ihn noch regelmäßig. Etwa 20 Prozent der gefundenen Influenzaviren aus Schweinebeständen sind pandemische Subtypen. Die folgenreichste Influenzapandemie unter den Menschen, die vermutlich vom Schwein ausging, war die Spanische Grippe 1918/19 mit geschätzt über 25 Mio. Toten. Man rekonstruierte, dass der Erreger dieser Grippewelle durch die gleichzeitige Infektion von Schweinen mit Geflügelgrippeerregern und Grippeerregern des Menschen entstanden sein muss. Ähnlich entstand hundert Jahre später die Mexico-Grippe. Auch wenn sie nicht die Dramatik erreichte, die Angst vor einem neuen hochpathogenen Grippevirus war nicht unbegründet. Solch ein Virus kann jederzeit wieder entstehen. Deshalb ist die Konsequente Bekämpfung der Vogelgrippe nur folgerichtig, auch wenn der Mensch sich selten direkt anstecken kann. Die Barriere zwischen Geflügel und Mensch ist sehr hoch. Bisher sind nur Fälle bei sehr intensivem Kontakt mit Geflügel und abhängig vom Subtyp beschrieben worden. Bei dem aktuellen Subtyp H5N8 gab es solche Fälle noch nicht.
Neben der beschriebenen sprunghaften Veränderung von Influenzaviren gibt es auch die langsame Veränderung der Erbanlagen durch die ständige Vermehrung des Erregers. Somit erlangte der Subtyp H1N2 in den letzten 15 Jahren an Bedeutung in den Schweinebeständen. Mittlerweile trifft man ihn sehr häufig an, besonders bei Fruchtbarkeitsproblemen.
So muss nicht nur bei respiratorischen Problemen, sondern auch bei Fruchtbarkeitsproblemen Influenza abgeklärt werden. Der Nachweis kann durch direkten Virusnachweis mittels Nasentupfer in Spezialmedium erfolgen. Dies ist in der 1. Woche der Infektion möglich. Höhepunkt der Virusvermehrung ist nach 48 Stunden und geht in den nächsten 8 Tagen zurück. Da nicht alle Tiere sich gleichzeitig infizieren, kann mit einer größeren Stichprobe die Trefferwahrscheinlichkeit zu einem späteren Zeitpunkt erhöht werden. Nach etwa 4 – 6 Wochen bilden sich Antikörper, die sich serologisch durch Blutproben nachweisen lassen.. Zwischen dem direkten Virusnachweis und dem serologischen Nachweis besteht eine diagnostische Lücke.
Eine Impfung ist die einzige wirkliche Bekämpfungsstrategie gegen Schweineinfluenza. Auf dem Markt sind Impfstoffe, die alle 3 klassischen Subtypen, die bei Schweinen vorkommen, abdecken. Hat man den pandemischen H1N1 im Stall, muss der noch nicht zugelassene Impfstoff in Betracht gezogen werden. Die Veterinärbehörden dürfen den Einsatz genehmigen. Influenzaviren können nach einer Infektion nicht mehr bekämpft werden. Dann bleibt nur noch die Behandlung der Symptome, hauptsächlich durch Fiebersenkung und dem Schutz vor Sekundärinfektionen.
 

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