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Aktueller Fall Dezember 2018

Letztlich blieb nur die Räumung
Frederik Veltmann, Vet-Team-Schleswig-Holstein, 25782 Tellingstedt

Neue alte Bekannte?
 
Im hier vorgestellten Fall geht es um einen Mäster mit ca. 3.000 Aufzuchtplätzen, welcher im 4 Wochen Rhythmus Läufer stallweise aufstallt. Die Fütterung erfolgt über eine Flüssigfütterung in Längströgen.

Im Frühjahr wurde, um einen besseren Gesundheitsstatus zu erreichen, der Ferkellieferbetrieb gewechselt. Diese Tiere wurden nach Ankunft begutachtet. Leider ließ die Ernüchterung nicht lange auf sich warten: schmierig-dünnflüssiger bräunlicher Kot mit teilweise blutigem Charakter bei ca. 10 % der Tiere. Eine Verdachtsdiagnose wurde schnell gestellt, Kotproben zur Diagnostik geschickt und in wenigen Tagen durch die PCR bestätigt: Spirochäten-Enteritis von Brachyspira pilosicoli hervorgerufen. Lawsonien wurden zu diesem Zeitpunkt nicht in der PCR gefunden. In der ELISA –Untersuchung waren die Tiere allerdings auf Lawsonia intracellularis positiv getestet worden. Dieses Ergebnis ließ auf einen zusätzlichen früheren Lawsonien Kontakt schließen.

Nachdem die Diagnose abgesichert war, wurde ein Therapiekonzept erstellt: alle neu ankommenden Tiere erhielten ab Einstallung 7 Tage Tiamulin oral bzw. Einzeltiere, die das Futter verweigerten, wurden mit Tiamulin per Nadel behandelt. Zusätzlich wurde das Begrüßungsfutter dem des letzten Futters beim Ferkelerzeuger angepasst. Damit schien der Fall erledigt zu sein. Die Behandlung der Tiere klappte zunächst gut und führte zur Klinikfreiheit. Allerdings wurde die Situation nach dem Absetzen der Behandlung schlechter: Der Durchfall kam Stück für Stück wieder, auch wenn nicht so heftig wie vor dem Behandlungsbeginn. Frei vom Durchfall waren diese Tiere erst nach dem sie älter wurden. Dies war nach etwa 4 Wochen.

Es kam die Frage auf, ob die Medizin über das Futter ausreichend bei allen Tieren ankam? Aus diesem Grund wurde die komplette Fütterung auf Fehler untersucht und mittels Farbstoff die Ansteuerung jeder einzelnen Bucht überprüft. Hierbei wurden kleinere Verbesserungsmöglichkeiten aufgezeigt und entsprechend die Fütterung angepasst. Aus Sicherheitsgründen, wurde bei der nächsten Gruppe die Tiamulin Behandlung auf 10 Tage erhöht.
Bei der nächsten Gruppe, zeigten schon die ankommenden Tiere bereits auf der Verladerampe vereinzelt schmierigen Durchfall. Die verlängerte Tiamulin Behandlung zeigte darüber hinaus keinen verbesserten Effekt auf die Darmgesundheit: nach Absetzen des Medikamentes kam es erneut zu Durchfällen in fast sämtlichen Buchten, diesmal jedoch intensiver als bei der ersten Gruppe. Der ausbleibende Erfolg der Tiamulin Behandlung ließ sich zu diesem Zeitpunkt nicht hinreichend erklären. Die Fütterung wurde mehrmals überprüft und es war davon auszugehen, dass jedes Tier entsprechend mediziniert wurde. Darüber hinaus wurden schwache Ferkel zusätzlich per Injektion mit Tiamulin behandelt. Aus diesem Grund wurden nochmals Kottuper von den betroffenen Tieren genommen, eine kulturelle Anzucht der Erreger durchgeführt, um dann einen  Resistenztest der Brachyspiren durchführen zu lassen.

Einige Tage später kam ein schockierender Befund: Brachyspira hyodysenteriae positiv in der kulturellen Anzucht. Die anschließende cpn60-universal-target Sequenzierung und die partielle Sequenzierung des nox-Gens zeigte eine 99,1 % bzw. 100% Übereinstimmung mit dem B. hyodysenteriae Typstamm B78. Das Wachstum der Kultur wurde als (schwach) hämolysierend beschrieben. Die Resistenzlage für das eingesetzte Tiamulin wurde als sensibel eingestuft. Damit stand die Diagnose Dysenterie.
 
Zu diesem Zeitpunkt verschlechterte sich auch die Lage im Stall. Einige Läufer zeigten schwere Durchfallklinik, als wenn sie über Nacht ihren gesamten Darminhalt ausgeschieden hätten, mit stark eingefallene Flanken und blutigem, schleimigen Kot. Vor allem die kleinsten Tiere der Lieferung zeigten dies Phänomen.
Unklar war zu diesem Zeitpunkt allerdings, woher die Dysenterie auf einmal kam. Da der Mäster schon immer die Gülle mit Alzogur desinfizierte, kam der Verdacht auf, dass es in der Vergangenheit bereits zu einem Brachyspira hyodysenteriae Nachweis gekommen war. Dies war aber nicht der Fall. Also musste der Eintrag abgeklärt werden.
In der Folge wurden die Tiere sofort bei Einstallung rektal mit Kottupfern getestet und zeitgleich die Behandlung mit Tiamulin auf 14 Tage verlängert. Die kleinsten Läufer (5%) der ankommenden Gruppe wurden zudem per Nadel mit Tiamulin behandelt. Die direkte rektale Kottupfernahme bei Einzeltieren war notwendig, um auszuschließen, dass die Erreger womöglich vom Boden aufgenommen wurden.
Hierbei ist die Anzahl der Proben entscheidend. Geht man von einer Verbreitung von 1% in einem klinisch unauffälligen Bestand aus, müssen bei einer Bestandsgröße von 3000 Tieren 284 Proben genommen werden, um eine Erregerfreiheit (mit 95% Sicherheit) zu bescheinigen. Möchte man die Sicherheit auf 99% erhöhen, müssen sogar statistisch 425 Proben genommen werden. Bei klinisch auffälligen Beständen kann der Stichprobenumfang entsprechend reduziert werden. Jedoch müssen selbst bei einer 5% Verbreitung des Erregers im Bestand noch 58 bzw. 89 Proben genommen werden, um mit 95% bzw. 99% Wahrscheinlichkeit eine Erregerfreiheit zu attestieren.
Glücklicherweise gelang in diesem Fall bereits nach 20 Einzeltierproben bei auffälligen Läufern auf der Rampe bzw. kurz nach Anlieferung der Nachweis von Brachyspira hyodysenteriae in 2 von 20 Kottupfern. Zudem wurden in 17 von 20 Proben kulturell Brachyspira  spp. nachgewiesen, in 15 von 20 Proben sogar hochgradig.
Auch bei den letzten Gruppen konnte trotz massiver Einzeltier- bzw. Gruppenbehandlung keine Klinik verhindert werden. Selbst nach 14 Tagen Tiamulin Behandlung kam es nach dem Absetzen innerhalb kürzester Zeit wieder zu Durchfällen in sämtlichen Buchten. Der Durchfall ließ letztendlich erst nach 4-5 Wochen nach, jedoch mussten bis zum Schluss Einzeltiere weiter behandelt werden. Die Gruppen wuchsen bis Ausstallung stark auseinander und es traten massive Leistungseinbußen auf und die Verlustrate hatte sich verdreifacht.
In der Folge wurde eine komplette Depopulation mit anschließender Repopulation des Bestandes vorgenommen. Der entstandene wirtschaftliche Schaden für den Betrieb ist immens.

Fazit:
In den letzten Jahren hat insgesamt die Nachweisrate von Brachyspira hyodysenteriae wieder zugenommen. In der Literatur wird dabei das Wachstum von Brachyspira hyodysenteriae in der Anzucht als stark hämolysierend beschrieben. Dies ist jedoch, wie dieser Fall zeigt, heute nicht mehr die Regel. Seit mehreren Jahren kommt es immer wieder zu Nachweisen von Brachyspira hyodysenteriae mit schwach hämolysierenden Eigenschaften, jedoch ausgeprägter Klinik. Differentialdiagnostisch sollte daher immer auch bei schwach hämolysierenden Brachyspira spp. an Brachyspira hyodysenteriae gedacht werden.

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