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Aktueller Fall August / September 2014

Ohrrandwunden bei Ferkeln- Kanibalismus oder Infektion?
Tierarzt Jens Jungbloot, Praxis für tierärztliche Bestandsbetreuung und Qualitätssicherung im Erzeugerbetrieb Schwein Dr. Reinhold Heggemann, 25782 Tellingstedt

Der Bestand
Heute berichten wir von einem Mastbestand, der regelmäßig Läufer zukauft. Der Betrieb wird im Rein-Raus-Prinzip bewirtschaftet und bezieht die Tiere bereits über mehrere Jahre vom gleichen Sauenbetrieb. Die bezogenen Läufer sind gegen Enzootische Pneumonie (Mycoplasma hyopneumoniae) und gegen Circovirose geimpft. Der Mastbestand war in der Vergangenheit gesundheitlich stabil. Nachdem im Sauenbetrieb ein Genetikwechsel vollzogen wurde und somit Sauen aus einem anderen Zuchtbetrieb gekauft wurden, gab es Probleme bei der Lieferqualität der Mastläufer.
 

Der Fall
 

 
 

 



 


Der Landwirt beklagte, dass die gelieferten Läufer im Gewicht sehr unterschiedlich und vielfach sehr leicht (21 kg) waren.  Viele Tiere hatten „angebissene“ Ohren. Die Wunden waren teilweise alt, nekrotisch und bereits verschorft. Es gab aber auch Tiere mit frischen, blutigen Wunden, die in einigen Fällen vereiterte Bereiche aufwiesen. Bei der näheren Untersuchung fiel auf, dass der Beginn der Wundbildung häufig am Ohrgrund direkt am Kopfansatz zu finden war. Bei einigen schwer betroffenen Tieren fehlte bereits ein Großteil des Ohres. Die Ohrdefekte traten sowohl einseitig, als auch beidseitig auf.
 

Die Diagnose
Die eigentliche Ursache für Ohrnekrosen nachzuweisen ist schwierig und in der Literatur werden verschiedenste mögliche Ursachen diskutiert. Infektiöse Ursachen wie Streptokokken, Staphylokokken, Mycoplasma suis (früher Eperythrozoon suis) und PCV II werden ebenso genannt, wie Räudemilben, Mycotoxine im Futter und natürlich die allgemeinen Haltungs- und Hygienebedingungen.

In den letzten 5 Jahren wird allerdings häufiger auch ein Erreger aus der Gattung der Spirochäten, nämlich Treponema pedis für solche Entzündungen am Ohr verantwortlich gemacht. Spirochäten (Schraubenförmige Bakterien) kannte man bisher eher als Erreger von Darmerkrankungen wie z.B. der Dysenterie.

Der  kulturelle Nachweis dieser Spirochäten ist äußerst schwierig und gelingt daher in der Routinediagnostik in aller Regel nicht. Er benötigt  spezielle, anspruchsvolle Kulturmedien mit bestimmten, verschiedenen Zusätzen und wächst nur unter anaeroben Bedingungen (ohne Sauerstoff). So war auch in diesem Fall Treponema pedis kulturell nicht nachweisbar. Eine weitere Nachweismethode ist die mikroskopische Untersuchung von Gewebe nach einer Silberanfärbung oder mittels PCR auf Treponemen.
 

Die Therapie
In der Literatur werden Behandlungserfolge bei Treponemen-Infektionen mit Tetracyclinen und Antibiotika aus der Makrolidgruppe beschrieben. Deshalb versuchten wir ausnahmsweise trotz fehlenden diagnostischen Nachweises eine Behandlung mit einem Makrolidantibiotika über einen Zeitraum von 5 Tagen. Der Behandlungserfolg stellte sich auch prompt ein. Die Wunden an den Ohren verheilten, teils unter Zurücklassung von narbenartigem Gewebe.
 

Diskussion
Ohrrandnekrosen beginnen durch kleine entzündete Stellen am Ohrgrund am Übergang zum Kopf oder auch an der Ohrspitze. Diese breiten sich rasch aus und können bis zum Verlust des gesamten Ohres führen. Die Wunden sind mit Schorf und Krusten überzogen. Der in Zusammenhang mit der Abheilung entstehende Juckreiz führt häufig dazu, dass betroffene Tier das Bekauen durch andere Buchtengenossen dulden und somit neue Bisswunden entstehen. Teilweise tritt Gewebsflüssigkeit aus, sodass die Wunden einen feuchten Charakter aufweisen. Kommt es zu einer Heilung, treten Narben auf. Der Beginn der Erkrankung ist vor allem im Läuferalter mit ca. 20 kg Körpergewicht.

In der Vergangenheit wurden vor allem Staphylokokken und Streptokokken in den Wunden der Ohrrandnekrosen nachgewiesen. Diese besiedeln wahrscheinlich die Wunden allerdings erst sekundär. Ob der Erreger Treponema pedis allein ursächlich ist oder andere Vertreter der Gattung Treponema bei den Ohrrandnekrosen auch noch beteiligt sind, ist derzeit noch unklar. Experimentell konnte jedenfalls nur mit Treponema pedis als alleinigem Erreger keine Ohrrandnekrose bei Schweinen ausgelöst werden.

Der Erreger ist auch auf der Maulschleimhaut und in Zahnfleischtaschen nachweisbar und wird wahrscheinlich durch Bisswunden im Zusammenhang mit Rangordnungskämpfen oder bei Defiziten in den Haltungsbedingungen wie Überbelegung, Wassermangel, zu geringes Fressplatzverhältniss und ähnlichem übertragen. Nach unserer Beobachtung scheint die Problematik häufiger aufzutreten, wenn Abteile zu warm und die Luft zu feucht sind.

Die Überlebensfähigkeit des Erregers in der Umwelt ist noch unklar; bisher ist nur bekannt, dass er in Rindergülle einige Tage überlebt. Für den Menschen ist dieser Erreger nicht ansteckend.
Um Vorzubeugen ist eine konsequente Reinigung und Desinfektion der Ställe notwendig. Auch Hautdesinfektionen mit jodhaltigen Präparaten können ein guter Baustein bei der Vorbeugung sein.
Weiterhin sollten Maßnahmen ergriffen werden, um Bissverletzungen zu vermeiden. Hier spielt das Anbieten von effektivem und attraktivem Beschäftigungsmaterial eine entscheidende Rolle. 

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