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Aktueller Fall August 2013

Kümmernde Mastschweine und gehäufte Beanstandungen am Schlachthof
Jens Jungbloot, Praxis Dr. Reinhold Heggemann für tierärztliche Bestandsbetreuung und Qualitätssicherung im Erzeugerbetrieb Schwein, 25782 Tellingstedt

Der Bestand
Heute stellen wir einen größeren Schweinemastbestand vor, der aus mehreren Gebäudeeinheiten mit je 600 Mastplätzen besteht. Die einzelnen Komplexe werden im Rein-Raus-Verfahren mit Mastläufern eines Ferkelerzeugers aus der Region bestückt.
Die Tiere sind gegen Circovirus und Mycoplasma hyopneumoniae geimpft.

In der Vergangenheit musste bedingt durch Colibakterien eine Einstallmetaphylaxe gegen die Ödemkrankheit durchgeführt werden. Mit der Markteinführung eines neuen Impfstoffes gegen die Ödemkrankheit wird jetzt eine Impfung der Ferkel bereits beim Sauenhalter durchgeführt und auf die Metaphylaxe verzichtet.


Der Fall
Der Betreiber des Mastbetriebes war aus der Vergangenheit konstant hohe Leistungen gewöhnt, die nicht nur durch gute Ferkelqualität, sondern auch durch eine sehr gute und exakte Tierbeobachtung und Tierbetreuung, sowie guter Dokumentation ermöglicht wurde.

Als dann die ersten Symptome wie Auseinanderwachsen, kümmernde Tiere, sowie Rückmeldungen vom Schlachthof über verworfene Tiere eintrafen, wurde umgehend ein Termin mit dem Mäster, Berater und Tierarzt vereinbart.


Die Untersuchung
Bei dem gemeinsamen Stalltermin wurden die Leistungsdaten genauer analysiert und die Masttiere, beginnend von den jüngsten Schweinen an, begutachtet.

Dabei zeigten sich die frisch aufgestallten Tiere in einem guten Gesamteindruck. Circa 3-4 Wochen später blieben die ersten Tiere in ihrer Entwicklung zurück. Dies setzte sich bis etwa Mitte Mast fort und betraf dann ca. 8% der Schweine. Letztendlich verendeten sie oder mussten gemerzt werden. In der zweiten Hälfte der Mast traten keine neuen Fälle auf.

Die Haltungsbedingungen, die Fütterung und die Hygiene sind in diesem Betrieb als vorbildlich zu bezeichnen. Bei dem Rundgang war neben dem Kümmern keine weitere auffällige Klinik zu beobachten. Bei genauerer Untersuchung der erkrankten Tiere waren lediglich bei einem Tier feuchte, rasselnde Atemgeräusche feststellbar. Alle anderen Tiere zeigten keine weiteren klinischen Symptome. Auf Grund des Betriebsdurchganges wurde zunächst als Verdachtsdiagnose die sogenannte „Glässersche Krankheit“ benannt, die durch Hämophilus parasuis ausgelöst wird und sich häufig auch in Kümmern oder Atemwegserkrankungen äußert. Dieser Verdacht bestätigte sich nach der serologischen Untersuchung der betroffenen Tiere allerdings nicht. Deshalb kamen zwei Tiere, darunter auch das Schwein mit dem auffälligen Atemgeräusch, zwecks eingehender Untersuchung zur Sektion.


Die Ergebnisse
Durch die Sektion wurden folgende Befund erstellt:

Tier1:
Mittelgradige katarrhalische Spitzenlappenpneumonie (der Lunge) mit Nachweis von alpha-hämolysierenden Streptokokken und Actinobacillus species.                  
                                                                      
Bronchitis mit eitrigem Exsudat mit Nachweis von Bordetella bronchiseptica und alpha-hämolysierenden Streptokokken.

Geringgradige katarrhalische Darmentzündung mit Nachweis nicht näher typisierbaren E.coli.

Tier 2:
Mittelgradige nekrotisierende Spitzenlappenpneumonie mit Nachweis von Arcanobacterium pyogenes, alpha-hämolysierende Streptokokken und Pasteurella aerogenes.

Weitere Organe waren ebenfalls von Arcanobacterium pyogenes befallen.

Die bei beiden Tieren nachgewiesenen alpha-hämolysierenden Streptokokken sind allerdings nur bedingt für das hier vorliegende Problem verantwortlich zu machen, da sie nur als fakultativ oder opportunistisch krankmachend gelten. Erst in Verbindung mit einer Immunschwäche (z.B. bei einer Coinfektion mit PRRS oder Circoviren) oder einer Infektion mit anderen Erregern entfalten sie dann krankmachende (pathogene) Eigenschaften.

Diese anderen Erreger können wie bei Tier 1 z.B. Bordetella brochiseptica sein, die Atemwegsinfektionen verursachen  oder eben auch typische Eiter-/Wunderreger wie Arcanobacterium pyogenes bei Tier 2.

Parallel zu dieser Untersuchung erhielt der Mastbetrieb neue Schlachtprotokolle. Aus diesen ging hervor, dass bei den letzten Schlachtpartien mehrere Tiere mit Abszessen verworfen wurden.

Gestützt durch diese zusätzlichen Informationen wurde folgende Diagnose gestellt:
Wundinfektionen durch Arcanobacterium pyogenes (früher auch Corynebacterium pyogenes oder Actinomyces pyogenes genannt) im Zusammenspiel mit alpha-hämolysierenden Streptokokken.
                                         
Schwein mit äußerem Abszesse                                                                                        Äußerer Abszess nach unsachgemäßer Schwanzkürzung



Weitere Vorgehensweise
Wissentlich der Tatsache, dass eine therapeutische Behandlung aufgrund der abgekapselten Prozesse häufig nicht erfolgreich ist, sollte dennoch versucht werden, die betroffenen Tiere nach erstelltem Resistenztest zu behandeln, um den wirtschaftlich bedeutsamen Verwerfungen am Schlachthof entgegenzuwirken - allerdings auch in diesem Fall mit wenig Erfolg.

Die weitaus wichtigere Säule der Bekämpfung/Vorbeuge ist die Verbreitung des Erregers bereits im Bestand des Ferkelerzeugers zu minimieren, was sich durch eine kritische Überprüfung der allgemein Hygiene- und Haltungsbedingungen, sowie der durchgeführten Routinemaßnahmen und der Geburtshygiene bei den Ferkeln erreichen lässt.


Diskussion
Arcanobakterien sind in der Umwelt weit verbreitet und häufig an eitrigen Entzündungsprozessen und Abszessen beteiligt. Alpha-hämolysierende Streptokokken findet man dagegen auch auf den Schleimhäuten der Mundhöhle. Auch dieser Erreger gilt zwar als Wundkeim, beide sind allerdings an begünstigende Faktoren gebunden, um letztlich krankmachend zu sein.

Prädisponierende Faktoren für das Haften dieser Erreger sind in der Regel Haltungsmängel mit der Möglichkeit von Hautverletzungen und/oder Hygienemängel. So sind unsachgemäß ausgeführte zootechnische Maßnahmen, wie Nabelversorgung, Zähneschleifen, Kastration und Impfung häufig Ursache für solche Infektionen. Ein weiterer sensibler Bereich kann ein unzureichendes Platzangebot im Flatdeck sein. Durch die heutigen hoch fruchtbaren Rassen herrscht hier oft gerade gegen Ende der Flatdeckperiode Platzmangel, die dann in aggressives Verhalten mit Beißereien münden kann.

Eingedrungene Erreger verbreiten sich im Körper über die Lymph- und Blutbahnen. Sie setzen sich an den verschiedensten Körperstellen fest und führen zu eitrigen Entzündungen, äußerlich oder innerlichen Abszessen oder zu Knochenentzündungen sowie Gelenksentzündungen. Gerade bei inneren Entzündungsherden ist ein schleichender Verlauf ohne offensichtliche Klinik typisch. Bei äußeren Abszessen kommt es nach Reifung und Platzen in aller Regel zu einer raschen Heilung.

Auch wenn die Erreger durch verschiedene Antibiotika prinzipiell beeinflusst werden können, ist eine therapeutische Behandlung gerade von Tieren mit multiplen Abszessen nicht sinnvoll und oft auch nicht erfolgreich. Hier gilt der Grundsatz: Vorbeugen ist besser als Heilen.

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